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Gaddafis Killer sind unterwegs

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Es hätte gar nicht erst die drohenden Worte Gaddafis vor den libyschen Kadetten gebraucht, um zu verstehen, daß Tripolis seinen langjährigen Auslandsterror von Ägypten und Libanon in eine neue Richtung verlagert hat. Und zwar jene Libyer mit dem Tod bedroht, die wegen ihrer Wohnsitze in europäischen Hauptstädten noch nicht so mundtot gemacht werden konnten wie die innerlibysche Opposition gegen den eigenwilligen Führer aus Gaddafa in der Syrtensteppe.

Ein politischer Mord in Rom und zwei in London mit Exillibyern als Opfer oder das amerikanische Verfahren gegen die von Libyen als Killerausbildner angeworbene Geheimpolizisten sprechen eine deutliche Sprache: eine mindestens ebenso deutliche wie die Unverblümtheit Gaddafis, der seine Kritiker im Ausland öffentlich vor die Wahl zwischen reuiger Heimkehr oder gnadenloser Liquidierung gestellt hat.

Der diktatorische Machthaber im theoretisch als direkte Demokratie propagierten „Volksgemeinwesen” der Libyschen Dschamahirija hat die Exilopposition durch die Bank als nostalgische Anhänger des vorrevolutionären Regimes gebrandmarkt. Exkönig Idris as-Sanussi,der vom Umsturz des 1. September 1969 in einem griechischen Heilbad überrascht worden war und nun hochbetagt bei Kairo das Gnadenbrot von Gaddafi-Gegner Sadat verzehrt, wäre nur froh über wirklich noch so zahlreiche Gefolgschaft.

Uber die wahren Kräfte des wachsenden Widerstandes gegen das libysche Revolutionsregime gibt die Identität der bisherigen Terroropfer Aufschluß:

Der in Rom bei einer Tasse Espresso erschossene Kaufmann gehört zu jenen einflußreichen libyschen Geschäftsleuten, die in den Basaren von Tripolis, Misurata und Bengasi den Goldmarkt, die Grundstückspekulation und den Devisenhandel zwischen Tunis und Alexandria, dem Mittelmeer und Zentralafrika beherrscht hatten. Die Entwicklungen der letzten beiden Jahre von der Verstaatlichung des Import-Export-Handels über die Proklamierung der jeweiligen Mieter und Pächter zu alleinigen Haus- und Grundeigentümern bis zum jüngsten, frühmarxistisch anmutenden Abschaffungsversuch des Geldes machten diese einflußreichen libyschen Klein- und Mittelkapitalisten zu verschworenen Gegnern des Urhebers solcher Experimente im ölreichen Sandkasten Libyen.

Die Opfer von London hingegen waren der beim Moscheegebet niedergestreckte BBC-Mitarbeiter Ramadan und ein auf islamisches Recht spezialisierter Anwalt: beides Repräsentanten jener orthodoxen libyschen Muslimkreise, die Gaddafis Sektierertum, Marxismus-Anleihen und immer fallsüchtigerer Anlehnung an die Sowjetunion im Namen Allahs und seines einzigen Propheten Muhammad entgegentreten.

Gaddafis Anspruch, selbst der neue Prophet eines sogenannten „Dritten Universalismus” mit seinem „Grünen Buch” als Koransupplement zu sein, kann die zunächst von seinen Sozialgeschenken begeisterten Massen nicht länger darüber hinwegtrösten, daß die libysche Revolution in ihrem elften Jahr aUzu steril und brutal geworden ist. Ein warnendes Symptom innerer Schwäche - das ist Gaddafis Auslands-terror in erster Linie.

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