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Gadhafi sitzt fest im Sattel

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Mit seinem geradezu lächerlichen Strafpaket für den „Terror-Paria" von Tripolis kann Washington ganz abgesehen von den europäischen Verbündeten, nicht einmal seine eigenen 1.500 Bürger beeindrucken, die noch immer in der libyschen Dschama-hirija an der Gastarbeit, zum Teil aber hier schon regelrecht zu Hause sind.

Beim ölfeld von Dschalo in der Ostregion Cyrenaika zum Beispiel. Hier am Endpunkt der großen Ring-Pipeline nach Ras La-nuf in der Syrtenbucht reagierte

ein schon seit 1963 an Libyens Bohrtürmen stehender amerikanischer Ingenieur in den frühen Sechzigern mit einem breiten Grinsen auf seinem sonnverbrannten, tief gefurchten Gesicht: „Hier bin und bleibe ich daheim! Drei Wochen auf dem ölfeld -zwei Wochen Urlaub in Tripolis -und wieder heraus!

Gadhafi ist ihm noch sympathischer geworden, seit Libyens eigenwilliger Islam-Apostel einen guten Tropfen wieder für korangemäß erklärt hat.

Präsident Reagan hingegen sollte ein Verdienstkreuz für die Wiederherstellung der arabischen und islamischen Einheit verliehen werden. Das sei die einzige Auswirkung seiner Strafmaßnahmen! Spontane Unterstützung für Libyen von den Indonesiern bis zu Arafat!

Der so tragikomisch, ja fast

gauklerisch wirkende Balance-Akt des „starken Mannes der stärksten Supermacht" zwischen anfänglichem Zündeln mit dem Dritten Weltkrieg und dem, was schließlich wie die Geburt einer Maus durch die Elefantin dabei herausgekommen ist, wird aber verständlich und geradezu beklemmend, wenn man sich ansieht, was dem Weißen Haus an Berichten seiner Libyen-Experten vorliegt: Samuel T. Francis, Martin Sicker und Joseph Chur-ba.

Abgesehen von den wirklich überzeugenden Terror-Argumenten steht hier zunächst die immer festere und zwischen Mittelmeer und Äquator entscheidende Einbindung Libyens in den östlichen Militärblock. Seit 1974 hat Gadhafi allein von der Sowjetunion — und es mischen ebenso die Tschechen, Ostdeutschen und Ungarn mit — Waffenlieferungen im Wert von über 5 Milliarden Dollar bezogen.

Das leichtere Waffenarsenal wird zum Teil an die internationale Terroristenszene weitergeleitet, doch die schweren „Brummer" bis zu den T-80 Panzern und

Mittelstreckenraketen hinaus stehen alle einsatzbereit im libyschen Wüstensand. Was hier im Zweiten Weltkrieg Deutsche, Italiener und Briten an Rüstung aufgetürmt hatten, war Kinderspielzeug gegen den heutigen Ostblockwaffenplatz Libyen.

Dazu kommt schon seit 1973 die ständige Präsenz von mindestens 70.000 östlichen Experten und Beratern. Die meisten von ihnen aus Moskau oder Berlin-Ost. Der beruhigende Vergleich mit Ägypten hinkt: Sicher saßen am Nil unter Abdel Nasser fünfzehn Jahre lang allein über 100.000 Russen mit denen dann Sadat im Juli 1972 binnen weniger Tage fertig geworden ist.

Man darf aber das dünn besiedelte, leicht überschaubare und straff disziplinierte Libyen nicht mit dem chaotischen Ägypten vergleichen, wo alle Kremlstrategien im Sumpf von Desorganisation, Korruption und Lethargie abgesoffen sind.

Wie fest der Osten Libyen in der Hand hat, zeigt nicht zuletzt sein wirksamer Schutz für Gadhafi gegen alle Attentate und Umsturzversuche.

Reagans Hauptberater Joseph Churba vom Zentrum für Internationale Sicherheit in Washington sieht Gadhafis besondere Gefährlichkeit aber gar nicht in dessen Verwicklung in den weltweiten Privat- und kommunistischen Staatsterrorismus. Für ihn bedroht der Führer von Tripolis die westlichen Interessen dort am meisten, wo er ganz auf eigenen Füßen steht: Durch die libysche Infiltration von Schwarzafrika. Gadhafi hat als erster politisch richtig die Tatsache eingeschätzt, daß die Mehrheit der 180 Millionen Muslime von Afrika gar nicht in dessen arabischen Norden, sondern südlich der Sahara in dem dort wirklich „schwarzen" Erdteil lebt. Wie seine hamitischen Volksgenossen im Tschad, Niger und Mali, die Tuaregs und Tubus vor allem betrachtet Gadhafi auch jeden Schwarzen als Libyer, der sich zum Islam bekennt und das Arabische wenigstens vom Hörensagen kennt.

Den Anfang machte Libyen 1972 noch fast unbeachtet mit der Okkupation des Aouzou-Streifens an der Grenze von Tschad. Inzwischen hat Gadhafi nachweislich seine Hände auch in Nigeria, in Burkina-Fasso in Senegambien, Ghana, Somalia neuerdings sogar tief in Zaire im Spiel.

Und seinem Traum vom Groß-afrikanischen Reich soll erst das Kap die Grenze setzen, wenn ihm das Glück weiter so treu bleibt.

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