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Gallischer Streithahn

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Frankreichs Gaullisten und andere konservative Oppositionsparteien haben Le Pen und dessen rechts-nationaler Kampfgruppe eine deutliche Absage erteilt.

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Frankreichs Gaullisten und andere konservative Oppositionsparteien haben Le Pen und dessen rechts-nationaler Kampfgruppe eine deutliche Absage erteilt.

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Der heute 57jährige Jean Marie Le Pen zog 1956 als Abgeordneter der sogenannten Poujadisten, einer Interessengruppe wirtschaftlich gefährdeter Kleinhändler und Handwerker, ins Parlament ein und wurde 1958 als unabhängiger Kandidat wiedergewählt.

Vorher diente er zwei Jahre in Algerien als Fallschirmjägerleutnant. Dort fiel er durch besonders harte Verhörmethoden der Gefangenen auf.

Zwischen 1962 und 1981 unternahm er verschiedene Anläufe, ohne größeren Erfolg, um politisch in den Vordergrund zu treten. In der Präsidentenwahl 1965 unterstützte er einen gemäßigten rechtsextremen Kandidaten, der während der deutschen Besatzungszeit in Verbindung mit dem Vichy-Regime eine überaus verdächtige Rolle gespielt hatte.

Zum ersten Mal erwies sich die Nationale Front in den Gemeindewahlen 1983 als ein politischer Faktor, der nicht mehr ohne weiteres übersehen werden konnte. In der Europawahl 1984 konnte sie ihre Position mit einem Stimmanteil von über 10 Prozent noch ausweiten.

Le Pen ist die etwas ungewohnte Mischung aus brutalem Draufgängertum und geschickter Demagogie.

Er studierte Jura und erwarb auch das Diplom des angesehenen Pariser Instituts für Politische Wissenschaft. Le Pen versteht es gut, mit politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fakten umzugehen. Seine Auftritte im Rundfunk und Fernsehen entbehren nicht einer gewissen Werbewirksamkeit.

Auf einem anderen Blatt steht seine skrupellose Verlogenheit, die vor keiner Verfälschung der Statistiken zurückschreckt, und eine schnell ins Vulgäre abgleitende Aggressivität.

Sobald er auf der Rednertribüne einer größeren Menschenmenge gegenübersteht, verfällt er in hemmungslose Demagogie und wird für den demokratisch gesinnten Beobachter zum politischen Schreckgespenst.

Sein Programm erschöpft sich in wenigen Schlagwörtern: Verdammung des Sozialismus aller Prägungen, massive Rücksendung der Einwanderer in ihre Heimatländer und ein gleichzeitig grenzenloser, aber in mancher Beziehung höchst schleierhafter Liberalismus, der sich allerdings nur auf den wirtschaftlichen Bereich beschränkt.

Um dem Sicherheitsbedürfnis der Franzosen zu entsprechen, zeigt sich Le Pen autoritär und repressiv. Seine Vorstellungen von Polizei und Justiz erinnern teilweise an das faschistische Vorbild.

Widerspruch besteht ferner zwischen seinem europäischen Bekenntnis und. seiner zutiefst nationalistischen Tradition. In Wirklichkeit kümmert sich Le Pen wenig um die Logik seines Programms. Es geht ihm prinzipiell auch nicht um Uberzeugungen, sondern in erster Linie um Stimmenfang. Dies veranlaßt ihn, gelegentlich auch den Antisemitismus und sogar einen offenen Rassenhaß zu predigen.

Seine Wählerschaft ist soziologisch und politisch vielschichtig. Soweit es sich ermitteln läßt, rekrutiert Le Pen seine Anhänger überwiegend aus dem Kleinbürgertum. Er verfügt aber auch über Anhänger in den freien Berufen und in der Arbeiterschaft.

Etwa zwei Drittel seiner Wähler kommen aus dem rechtskonservativen Lager, das letzte Drittel von der Linken. Hierbei handelt es sich paradoxerweise um enttäuschte Kommunisten.

Das für Le Pen verfügbare Reservoir der Wechselwähler ist verhältnismäßig klein. Die Nationale Front ist auch innerlich tief gespalten. Frustrierte Kleinhändler verfolgen andere Ziele als die nationalistisch-rassistischen Streiter für die gallische Identität der französischen Gesellschaft.

Der autoritäre Führungsstil Le Pens führte zu einer Spaltung. Eine Front der nationalen Opposition beabsichtigt, in einigen Wahlkreisen gegen Le Pen eigene Listen aufzustellen. Hierzu kommt noch, daß sich der auch finanziell äußerst fragwürdige Le Pen auf der politischen Bühne schon jetzt schwer behaupten kann.

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