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Gaming: Kräuterschränke und Drogenpressen

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Ist es ein Dankeschön der Nieder-österreichischen Landesregierung an den neuen Eigentümer der einstigen Kartause Gaming oder der Versuch, den Tourismus im Südwesten des Bundeslandes anzukurbeln oder beides? Die heurige Landesausstellung findet jedenfalls in dem 1983 von einem Vorarlberger Architekten erworbenen Juwel europäischer Mönchs- und österreichischer Kulturgeschichte statt: in der 1330 von Herzog Albrecht II. gegründeten und 1782 von Kaiser Joseph II. aufgehobenen Heimstätte der weißen Kartäuser-Mönche im Ötscherland.

70 Millionen Schilling hat die Instandsetzung der spätgotischen Anlage gekostet, in deren Gruft seit 1985 abermals ihr Stifter, Herzog Albrecht, seine Gemahlin Johanna von Pfirt sowie seine Schwiegertochter Elisabeth von Böhmen, Tochter Kaiser Karls IV., beigesetzt sind. 20 Millionen Schilling ließ sich das Land die Revitalisierung des verfallenden

Klosters samt Stiftskirche kosten, 15 Millionen der Bund, 15 Millionen der „Verein der Freunde der Kartause". Den Rest bezahlte der Besitzer des künftig als Expositur der Franziskanischen Universität Steuveville (Ohio, USA) dienenden Komplexes.

Nach siebenjähriger Generalsanierung ist die größte deutschsprachige Kartäuserniederlassung bis 27. Oktober auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich. Hineingestellt in die kleinen Räume des aufgelassenen Klosters, dessen Mönche sich als Hüter antiker und arabischer medizinischer Heilmethoden verstanden haben, veranschaulichen 1.400 Exponate von 260 Leihgebern des In- und Auslandes „Die Kunst des Heilens".

Eine Ausstellung innerhalb der Ausstellung ist dem Maler der barok-ken Bibliotheksfresken der Kartause, Wenzel Lorenz Reiner, gewidmet. Sie umfaßt, erstmals in Österreich gezeigt, effektvolle Altar- und Andachtsbilder, präzise ausgeführte und flüchtig hingeworfene Entwürfe für realisierte und nicht realisierte Freskogemälde des böhmischen Künstlers. Die

primär von der Prager Nationalgalerie zur Verfügung gestellten Werke machen deutlich, wieviel Vorarbeit Reiner aufgewendet hat, um schließlich jene profan wirkenden, koloristischatmosphärischen Fresken in der einst für ihre Bestände berühmten Bibliothek schaffen zu können, die nun dank dem Beitrag des Denkmalamtes in neuer Frische prangen.

Das Hauptgewicht derauf ausufernde Gigantomanie verzichtenden Schau liegt freilich einerseits in der Darstellung der Geschichte der Kartause, andererseits in der der Heilkunde und Heilkunst. Beginnend mit der antiken Medizin werden chirurgische Instru-

Paracelsus hat sich entgegen der damaligen Schulmedizin der Heilkraft von Pflanzen und Mineralien bedient...

et

mente aus dem römischen Österreich, mittelalterliche Handschriften und Inkunabeln präsentiert.

Eindrucksvolle Bilder dokumentieren die Krankenpflege, die nach dem Zusammenbruch des Imperium Ro-manum eine Domäne der Klöster gewesen ist. Und so wie man an den großen griechischen Arzt Hippokra-tes und dessen Forderung, den Kranken und nicht die Krankheit zu behandeln, erinnert, vergißt man in Gaming auch nicht auf den vor 450 Jahren in Salzburg verstorbenen bahnbrechendsten Medicus der Renaissance, den sagenumwobenen Theoph-rastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus. Er hat sich entgegen der damaligen Schulmedizin der Heilkraft von Pflanzen und Mineralien bedient. Darüber hinaus werden in einem Kräutergarten die wichtigsten Heilkräuter vorgestellt. Einige darf man sogar, zu Tee aufgebrüht, verkosten. Liebevoll gestaltete Kräuterschränke, Arzneigefäße, Drogenpressen sowie Aufbewahrungsbehälter für Blutegel geben Einblick in das Umfeld des Apothekers. Votivgaben und Bildnisse von Schutzheiligen, Nothelfem und Fürbittern gegen bestimmte Krankheiten illustrieren die

Volksfrömmigkeit.

Ein anderer Abschnitt der Exposition beschäftigt sich mit dem Thema „Heilbäder und Kuren", ein weiterer mit der Entwicklung der Geburtshilfe, Chirurgie, Anatomie, Orthopädie, Augen- und Zahnheilkunde, Neurologie und Psychiatrie sowie der modernen Organtransplantation. Von Interesse ist sicher des Götz von Berli-chingen ausgestellte eiserne Hand. Dem Genius loci trägt die fotokopierte Krankengeschichte Herzog Albrechts II. Rechnung. Entsprechend der anthropologischen Untersuchung der Skelettreste des Habsburgers mit

dem Beinamen „der Weise" und „der Lahme" ist seine Lähmung nicht, wie angenommen, die Folge einer Vergiftung, sondern einer Polyarthritis gewesen.

Zu der gut aufbereiteten Ausstellung erschienen ein schwergewichtiger Katalog zum Preis von 260 Schilling und ein Juniorheft des museumspädagogischen Dienstes. Es enthält außer auf die kindliche Mentalität eingehenden Informationen zur Geschichte der Medizin einen Basteibogen, ein Preisausschreiben und ein „Spiel gegen die Bazillen". Täglich von 9-18 Uhr.

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