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Geballte Bilderflut

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Alle Jahre wieder, die ambitio-nierte Oktoberwoche für Film- und Fernsehkenner, Kinoliebhaber, Regisseure, Video-freaks, Cineasten, Fachkollegen aus der Branche, Kritiker, Filmtheoretiker und Publikum: österreichische Film Tage Wels. Drei Kinosäle, 23 Fernsehmonitoren, 13 Videoplayer, ein Videotextprogramm für die Veranstaltungen, eine eigene Kabel-TV-Leitung stehen zur Verfügung. Daneben „Fernsehskulpturen“, Installationen, Diskussionsrunden. Heimische Werkschau nennt man dies im Jargon. Wie bei allen Messen und Festivals unterbleibt nicht das Stöhnen: Wo beginnen, wenn an allen Orten gleichzeitig Filme laufen?

Schließlich spannt sich der Bogen vom großen Kinofilm zum Experiment, vom Neuesten bis zur Retrospektive. Jammern angesichts vermeintlicher oder tatsächlicher Ubersättigung ist jedoch fehl am Platz, Diskussionen über ein „Uberangebot“ erinnern an die fatalen Endzeitmisanthro-pien bei der Frankfurter Buchmesse. „Wer soll die Bilderflut verkraften?“ ist als Frage falsch gestellt. Jede Messe bietet mehr, als der einzelne verarbeiten kann, die kulturellen Äußerungen in ihrer Gesamtheit übersteigen schon längst das Fassungsvermögen des Individuums. Dies zwingt zur Bescheidenheit, zur qualitativen Selektion.

Im Dschungel der Vielfalt kann die Organisation lediglich Ariad-ne-Fäden bieten. Abenteuer und Risiko liegen nun in den diversen Pfaden, die der Besucher einzuschlagen gedenkt.

Was also boten die Film Tage? Interessant zunächst die Vorherrschaft der Auslandsösterreicher, da sich die heimische Produktion in einem Wellental befindet. So zeigt man etwa den Thriller „Kiss Daddy Good Night“ von Peter Ily Huemer, der in den USA lebt, dessen Streifen jedoch von Österreich gefördert worden ist. Peter Patzaks „Wahnfried - Richard und Cosima“ entstand als deutsch-französische Coproduk-tion. Der Grazer Helmut Berger war mit seinem frech-fröhlichen Opus „Du mich auch“ via Berlin vertreten.

Eine Sonderschau widmete sich der in Amerika wirkenden Kamerafrau (Director of Photography) Johanna Heer, die mit ihrer Farbdramaturgie internationale Erfolge für sich buchen konnte. Auch Titus Leber hat sein Klassik-Musik-Video zu Antonin Dvorak „Aus der schönen neuen Welt“ in Amerika produziert. Gemeinsam ist all diesen Werken ihr professioneller Habitus, ihre internationale Filmsprache und ihre Originalität. Die Kinos in Wels waren bei diesen Filmen überfüllt, ja es mußten Wiederholungen angesetzt werden.

Im Vormarsch befanden sich auch - sei es Zufall, sei es Trend— die Frauen. Käthe Kratz präsentierte „Marlene - Der amerikanische Traum“, Margareta Heinrich nahm ironisch die Diätprobleme auf („Durch dick und dünn“),

Ruth Beckermann lieferte mit ihrem Film-Essay „Die papierene Brücke“ einen Beitrag zur Zeitgeschichte und Vergangenheitsbewältigung. Zwei Jugendfilme waren von Susanne Zanke („Mein Amazonas“) und Nadja Seelich (Buch) („Jonathan und die Hexe“, Regie Bernd Neuburger) zu sehen.

Neben Kurzspielfilmen, die es immer schwer haben, in Kinos gezeigt zu werden, waren zahlreiche Art-Videos angesagt: Grenzüberschreitungen zur bildenden Kunst und zur Computertechnik. Im Rahmenprogramm ließ das österreichische Filmarchiv Stummfilme mit Klavierbegleitung laufen und sorgte für eine Sensation: erstmals war der Monumentalfilm „Sodom und Go-morrha“ (hergestellt 1922, in der Sascha Kolowratproduktion) in einer neurekonstruierten Fassung zu sehen. In einer traurigen Retrospektive wurden die Filme von Manfred Kaufmann gezeigt (er nahm sich kürzlich das Leben).

Die Erklärung, daß die Welser Füm Tage aus finanziellen Gründen in dieser Form wohl zum letzten Mal stattgefunden haben, stimmt nicht fröhlich. Gerade in Zeiten der Bildinflation ist es nötiger denn je, Veranstaltungen mit Ubersichtscharakter zu fördern.

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