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Gebannte Enosis
In Nikosia traten die Anfang August wieder aufgenommenen Verhandlungen zwischen Vertretern der griechischen Mehrheit und der türkischen Minderheit der Inselrepublik Zypern, nach Informationen aus der Umgebung der beiden Delegationschefs Glafkos Klerides und Rauf Denktasch, jetzt in ihre entscheidende Phase.
Der Streit zwischen griechischer Mehrheit und türkischer Minderheit ist fast so alt wie der Staat Zypern. Die auf dem Londoner Vertrag von 1959, der die Unabhängigkeit der Insel sanktionierte, beruhende Verfassung hatte den Türken festum-rissene Garantien für ihre nationale Selbstverwaltung zugesichert. Vizepräsident nach dem Staatschef Erz-bischof Makarios wurde damals der türkische Politiker Facil Kütschük. 1963 versuchte Makarios zum erstenmal, die seine Machtpositionen einschränkenden Sonderrechte zu beschneiden. Vom Dezember des gleichen Jahres an kam es zu Unruhen und schließlich zu einem Bürgerkrieg, der zur faktischen Teilung des Kleinstaates, schweren bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen beiden Volksgruppen, der Zerstörung ganzer Dörfer führte und mehr als tausend Tote kostete.
Mitte 1968 kam es dann, durch UN-Vermittlung, zu einer Serie von
Gesprächen zwischen Klerides und Denktasch, die jedoch nach dreijähriger Dauer ergebnislos abgebrochen wurden. Die hartnäckige Weigerung des Erzbischofs Makarios, die türkischen Minderheitsforderungen in einer neuen Verfassung anzuerkennen, beschwor emeut eine akute Bürgerkriegsgefahr herauf und führte schließlich zu vertraulichen Direktkontakten zwischen den Regierungen Griechenlands und der Türkei. Griechenland ließ den Nikosianer Botschafterposten ein halbes Jahr lang unbesetzt, und die Türkei drohte wiederholt mit einer militärischen Intervention zum Schutz ihrer Landsleute auf der Insel. Die Gefahr einer Teilung des Kleinstaates und seines Anschlusses an Athen und Ankara bewog seinen Präsidenten Makarios endlich zum Einlenken. Nach Gesprächen mit dem neuen UN-Generalsekretär Waldheim Anfang Juli gab es grünes Licht für die Wiederaufnahme der Verhandlungen Klerides-Denktasch.
Makarios war kurz vorher von der Bischofssynode der griechisch-orthodoxen Inselkirche aufgefordert worden, sich entweder für das geistliche oder das weltliche Amt zu entscheiden. Daraufhin sprach er sich plötzlich für die totale „Enosis“, also den Anschluß an Griechenland aus. Dr. Waldheim und NATO-Generalsekretär Luns hatten Athen und Ankara jedoch inzwischen davon überzeugt, daß eine Teilung der Insel neue Reibungsflächen, diesmal zwischen den beiden NATO-Mit-gliedsstaaten, schaffen könne, und daß es daher besser sei, durch gemeinsamen Druck auf Makarios eine dauerhafte Lösung des Minderheitenproblems herbeizuführen.
Eine Einigung zwischen Griechen und Türken über eine neue Verfassung für Zypern wäre ein Erfolg vor allem für UN-Generalsekretär Waldheim, der die 3000 Mann umfassende UN-Streitmacht, die Mitte dieses Monats durch einen bislang unaufgeklärten Brandanschlag auf ihr Hauptquartier, der zwei britische Soldaten das Leben kostete, beunruhigt wurde, baldmöglichst abziehen und möglichst noch der im September zusammentretenden Vollversammlung die Wiederherstellung des inneren Friedens auf der Insel melden möchte.
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