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Geboren, nicht wiedergeboren

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Er sei in seinem früheren Leben ein „lendengeschürzter afrikanischer Stammeshäuptling gewesen“, vertraut Ex-James-Bond-Darsteller Sean Connery der „Bunten“ (49/1987) an, und Fernsehstar Ruth Maria Kubitschek ist sich ihres „Vorlebens“ als Lebedame am Hofe des Sonnenkönigs gewiß... Zwei Prominente artikulieren, was viele Zeitgenossen bewegt: die Lehre von der Wiedergeburt.

Schon 1969 ergab eine Gal-lup-Umfrage, daß rund 20 Prozent der Westeuropäer an Reinkarnation entweder glaubten oder sie zumindest für möglich hielten. Die wachsende Beliebtheit von östlichem Denken (und östlicher Praxis wie Yoga und Zen-Meditation), der New-Age- und Esoterik-Boom (FURCHE 45/1987) haben die Verbreitung der Rein-karnationslehre seither weiter gefördert.

Wer sich näher mit ihr beschäftigt, entdeckt eine Vielfalt von Ansätzen, die sich in zwei Grundrichtungen unterteilen lassen:

Da ist zunächst die jahrtausendealte Lehre, die das Denken von Hinduismus und Buddhismus geprägt hat, und die ebenfalls in vielen Versionen existiert. Wollte man dennoch Grundsätzliches hervorheben, so ergäbe sich etwa folgendes Bild:

Seit jeher, ohne Anfang, ohne Ende, bewegt eine

Energie, das „Karman“, die Welt. Gute und böse Kräfte durchwirken es. Das Karman treibt den Lebenskern, das innerste Selbst (der Hinduismus nennt es „At-man“), dazu, die Gestalt von Lebewesen anzunehmen. Das Schicksal der Wesen -also auch der Menschen - ist stark von den Umständen früherer Leben geprägt.

Wiedergeboren zu werden, wird nicht als Glück empfunden. Vielmehr geht das Streben der eingeweihten Minderheit nach einem Ausstieg aus der endlosen Kette von Wiedergeburten, nach Ruhe und Einheit fern von dieser Welt des Leidens.

Es ist ein Weg der Entsagung, des Hinter-sich-Las-sens menschlicher Antriebe, der Erkenntnis der innersten Zusammenhänge. Den Weg dazu eröffnen Methoden wie Yoga oder Zen-Meditation.

Anders die seit dem vorigen Jahrhundert im Westen geprägten Vorstellungen: Das Wiedergeborenwerden wird positiv, nicht als zu vermeidende Last gesehen: ,.Nie gab es einen Glauben, der schöner, gerechter, reiner, moralischer, fruchtbarer, tröstlicher und wahrscheinlicher ist als der an die Wiederverkörperung“, schrieb Nobelpreisträger Maurice Maeterlinck zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Was wirkt da so tröstlich und gerecht? Es sind wohl die Antworten auf bedrängende Fragen: Wie kommt es, daß manche im Leben so benachteiligt sind, während andere vom Glück verwöhnt werden? Kann ein gerechter Gott das zulassen, was halbwegs bemühte Eltern nicht tolerieren würden?

Die Antwort: Alles geht gerecht zu. Wer heute leidet, büßt für das, was er in früheren Leben angestellt hat. Jetzt wird er geläutert. Umgesetzt auf die Zukunft klingt es dann trostreich: „Mach Dir nichts draus, wenn Dein Leben nicht so klappt, wie Du es gern hattest. Das letzte Wort ist nicht gesprochen, denn ein Leben reicht nicht, um zur Fülle der Erkenntnis zu gelangen. Du hast weitere Chancen!“

Man muß zugeben, daß dies nicht unattraktiv klingt, fast wie eine Marscherleichterung. Und es paßt gut zum modernen Evolutionsdenken, demzufolge es mit der Menschheit ja aufwärts gehe. Und da sollte nicht jeder teilhaben?

An die Stelle des östlichen Bildes vom ewigen Rad der Reinkarnationen hat der Westen das Bild von der Spirale gesetzt: „Es geht aufwärts mit Dir!“

Der Ruf Gottes ist somit gerettet. Scheinbar ja. Bei genauerer Betrachtung verflüchtigt sich aber die Person Gottes im Weltbüd der Reinkarnationslehre zu einem unpersönlichen göttlichen Prinzip, das auch jeder Mensch in sich trage: Die Seele, der wiederbelebte Kern des Menschen, wird als Ausfluß des Göttlichen angesehen. Sie überdauert Tod und Wiedergeburt, während der Leib als vorübergehender Aufenthaltsort des Göttlichen im Menschen stirbt und verwest und damit relativ unbedeutend ist.

In der Kette von Leben habe jeder die Aufgabe, das Göttliche in sich zu fördern. Geeignete Methoden (auch die aus dem Osten importierten) ebnen diesen Weg der Selbsterkenntnis, des Vordringens zum eigentlichen Selbst, das die ganze Welt durchwirke und an die Stelle Gottes tritt.

Ist dieses Denken mit der christlichen Botschaft vereinbar? Nein, Weihnachten macht das deutlich: Dieses Fest offenbart, daß die Reinkarnationslehre wohl eine denkbare Hypothese — aber eine seit 2000 Jahren widerlegte ist. Gott wird Mensch, Fleisch, wie wir beim Apostel Johannes lesen.

Als Kind seiner Mutter Maria nimmt er einen Leib an, den er auch nach seinem Tod nicht mehr wie einen alten, ausgedienten Handschuh weglegt. Vielmehr erschien Jesus seinen Jüngern in seinem verklärten Leib, aß vor ihren Augen und ließ sie seine Wunden fühlen.

Und -weil Gott in Jesus Christus Fleisch geworden und geblieben ist und unseren Weg vorausgegangen ist, wurde ein für allemal klargestellt: Der Mensch hat den Leib nicht nur, er ist Leib, und er wird am Jüngsten Tag mit seinem Leib auferstehen. So gesehen hat Reinkarnation überhaupt keinen Platz im christlichen Denken.

Und sie hat auch keinen Sinn: Denn das Leben des Christen ist nicht das Erfüllen eines schwierigen Programms, das nur unter günstigsten Voraussetzungen und dank der Vorbereitung durch frühere Existenzen gelingen kann. Da geht es nicht um das Erreichen eines abstrakt formulierten Klassenzieles mit dem möglichen Endverdikt: repetieren.

Christliche Existenz wurzelt im Vertrauen, daß nur Gott rettet, daß sein Wirken entscheidet — und nicht unseres. Und das Wesentliche für unser Heil, für unsere Erlösung ist schon geschehen, als uns ein Kind geboren wurde. Inkarnation Gottes ist die Alternative zum Selbsterlösungsprogramm durch Reinkarnation des Menschen.

Warum so viele Menschen 2000 Jahre nach Christi Geburt sich wieder von der Reinkarnationslehre faszinieren lassen?

Weil wir Christen bestenfalls noch die Lehre Christi vertreten, aber viel zuwenig aus der Erfahrung leben, daß wir erlöst sind, heute, jetzt. Daß mit Christi Geburt, mit seinem Leben und Tod und mit seiner Auferstehung das Entscheidende für uns geschehen ist. Und mit der Taufe haben die Christen Anteil an diesem neuen Leben. Wir müssen nicht auf etwas Neues, auf einen Durchbruch warten.

Wo Menschen als neue Schöpfungen Gottes er-f ahrbar werden, ist abzusehen, daß bald auch die Anziehungskraft des komplizierten, intellektuell geprägten Modells der Reinkarnation verlorengehen wird.

Siehe dazu: REINKARNATION - WIEDERGEBURT. Von Otto Bischofberger, Oswald Eggenberger, Carl Keller, Joachim Muller (Hrsg.), Paulusverlag, Freiburg 1987. 148 Seiten, öS 154,40. NEUE RELIGIOSITÄT. Von Josef Sudbrack, Topos-Taschenbücher Band 168, Grunewaldverlag, Mainz 1987. 244 Seiten, öS 115,40.

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