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Gebrochenes Verhältnis

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Die USA haben sich im Mittleren Osten zwischen alle Stühle gesetzt. Die arabischen Freunde schäumen vor Wut über die Amerikaner. Ärger gibt es auch mit Jerusalem.

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Die USA haben sich im Mittleren Osten zwischen alle Stühle gesetzt. Die arabischen Freunde schäumen vor Wut über die Amerikaner. Ärger gibt es auch mit Jerusalem.

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Die meisten Verantwortlichen in Washington sind der Uberzeugung, daß die Beziehungen zwischen den USA und Israel an einem Tiefpunkt angelangt sind, wie ihn kaum jemand erwartet hatte.

Seit Ausbruch des irakisch-iranisches Krieges war Washington darauf bedacht, den Sieg einer der beiden Parteien zu verhindern. Vielmehr sollten sie sich gegenseitig so schwächen, daß sie zum Friedensschluß gezwungen wären - bei gleichbleibendem Kräfteverhältnis.

Zu diesem Zweck wurde ein Waffenembargo verhängt, das jedoch von Israel durchbrochen wurde. Seit 1980 liefern die Israelis Waffen an das Khomeini-Re-gime, ohne daraus ein Geheimnis zu machen.

Israelische Politiker und Experten machten auch kein Hehl daraus, daß es Israel in erster Linie darum geht, den Irak als potentiell gefährlichsten arabischen Gegner am Boden zerstört zu sehen. Das iranische Propagandageschrei von der Befreiung Jerusalems brauche man nicht so ernst zu nehmen. Vom Irak dagegen gehe eine unmittelbare Gefahr aus.

Die Israelis behaupten nun, mit amerikanischer Zustimmung gehandelt zu haben. Das läßt sich kaum bestreiten, sind ihnen doch die an den Iran gelieferten Waffen von den USA sogleich ersetzt worden. Außerdem handelte es sich von vornherein nur um ein bedingtes Embargo. Zwecks Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der Kräfte mußten ja Lieferungen anderer Parteien an einen der Gegner durch Lieferungen an den anderen ausgeglichen werden.

Frankreich und die Sowjetunion lieferten an den Irak, China an den Iran. Nordkorea betätigte sich als Waffenlieferant für den Iran im Auftrag Moskaus, Südkorea im Auftrag Washingtons.

Israel hat sich von der Ersetzung des Schah durch Khomeini nie sonderlich beirren lassen, sondern darauf gesetzt, daß die Erbfeindschaft zwischen Arabern und Persern bald wieder die Oberhand gewinnen würde, allen Ansprüchen des islamischen Universalismus zum Trotz.

Daher die Anstrengungen, innerhalb der Regimekreise in Teheran Personen oder Gruppen ausfindig zu machen, die für eine Wiederannäherung an den Westen gewonnen werden könnten. 1985 war es soweit. MOSSAD, der israelische Geheimdienst, soll den Amerikanern weisgemacht haben, unter den Khomeini-Funk-tionären gebe es eine gemäßigte Fraktion, mit der es sich zu verhandeln lohne.

Bekanntlich haben die dann erfolgten Waffenlieferungen der USA an den Iran nicht zur Freilassung aller Geiseln geführt. Nur drei Personen wurden freigelassen, inzwischen jedoch bereits vier neue Amerikaner als Geiseln festgenommen.

Präsident Ronald Reagan versucht vergeblich glaubhaft zu machen, er habe nie einen Tauschhandel gewollt. Waffen gegen Geiseln, das lehne er strikt ab. Jedoch habe er einen Beweis dafür haben wollen, daß man in Teheran tatsächlich auf eine Gruppe von Gemäßigten setzen könne (siehe FURCHE 50/1986).Die erwartete Geiselbefreiung sollte als Beweis dienen. Die meisten Verantwortlichen in Washington fühlen sich jedoch an der Nase herumgeführt und lasten das den Israelis an.

Diese wiederum simulieren Empörung. Außenminister Schimon Peres hielt den Amerikanern vor, Israel habe nur ihrem Drängen nachgegeben. Man habe lediglich einen Freundschaftsdienst erwiesen und außerdem vor den Risiken gewarnt.

Doch nach wie vor schlägt die Presse in den USA Israel-kritische Töne an. Beklagt wird unter anderem, daß die CIA im Iran noch immer kein neues Netzwerk aufgebaut habe und erst langsam wieder ins Iran-Geschäft einsteige.

Seit der Machtübernahme durch Khomeini sei man gänzlich vom MOSSAD abhängig geworden. Die Handlungsweise Jerusalems sei zu einseitig vom „Monstrum der israelischen Waffenproduktion” bestimmt. Der Waffenhändler AI Schwimmer, ein enger Freund Schimon Peres', sei maßgeblich für den Reinfall der Iran-Politik Washingtons verantwortlich.

Im Mittelpunkt der Mißfallenskundgebungen steht auch der geheimnisumwitterte jüdische US-Bürger Michael Ledeen, der früher für den Sicherheitsbeauftragten Robert McFarlane tätig war und nun als hochkarätiger „Consultant” zwischen Washington und Jerusalem hin- und herpendelt.

Vielen Amerikanern mißfällt einfach, daß die intimen Beziehungen zwischen Washington und Jerusalem unter der Regierung Reagan zu einem schwer zu kontrollierenden Handel und Wandel degradiert wurden. Der Iran-Skandal werde sich noch ausweiten. Auf jeden Fall erlitten die amerikanisch-israelischen Beziehungen schwere Einbußen.

Der israelische Premier Jizchak Schamir hat jetzt die USA besucht. Man hat ihm von diesem Besuch zwar abgeraten, Schamir bestand aus innenpolitischen Gründen auf der Durchführung des Besuchsprogramms.

Innerhalb der Regierung Reagan bleibt für die Israelis wenig zu reparieren. Sie haben mit dem aus dem Amt geschiedenen Sicherheitsbeauftragten John Poindex-ter einen ihrer verläßlichsten Freunde in Washington verloren.

Ein anderer Verbündeter, Außenminister George Shultz, wird zwar nicht aus dem Amt scheiden, doch arbeitet er in einem gebrochenen Verhältnis zu seiner Umwelt. Außerdem war Shultz von Anfang an gegen Konzessionen an das Khomeini-Regime.

Die Israelis können von Glück reden, daß die arabischen Verbündeten der USA wieder einmal im Schmollwinkel sitzen und keine Anstalten machen, den Zwist zwischen Washington und Jerusalem auszunutzen. Langfristig wird sich zwar wieder alles einpendeln, für die nächsten Monate bleibt das Verhältnis USA-Israel aber weiterhin belastet.

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