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Geburtstag mit vielen Dissonanzen
Ein Staat, der „die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, der Sprache, der Erziehung und Kultur garantiert“, sollte Israel nach den Worten David Ben Gurions vom 14. Mai 1948, dem Gründungstag des Judenstaates, werden. Vierzig Jahre danach ist aus dem bedrängten David ein Goliath geworden, dem eine wachsame Welt sehr kritisch gegenübersteht.
Ein Staat, der „die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, der Sprache, der Erziehung und Kultur garantiert“, sollte Israel nach den Worten David Ben Gurions vom 14. Mai 1948, dem Gründungstag des Judenstaates, werden. Vierzig Jahre danach ist aus dem bedrängten David ein Goliath geworden, dem eine wachsame Welt sehr kritisch gegenübersteht.
Mit Argusaugen beobachtet eine aufgeschreckte Weltöffentlichkeit die Vorgänge in Israels besetzten Gebieten seit Dezember des Vorjahres. Scharfe Schüsse israelischer Soldaten auf Steine werfende arabische Kinder und Jugendliche, gezielt sadistische Quälereien, Deportationen, Ausgangssperren und brutales Niederwalien von Häusern Aufständischer lassen Israels Rechtfertigung, dies seien Maßnahmen der Selbstverteidigung, in fahlem Licht erscheinen.
Der Judenstaat möchte so gerne die Dissonanzen, die die offizielle Musik zum 40. Geburtstag übertönen, unhörbar machen. Dem waf-
fenstarrenden Goliath Israel gelingt das aber trotz Absperrung der besetzten Gebiete und Aussperrung ausländischer Berichterstatter nicht gänzlich.
Die schweren Auseinandersetzungen im Westjordanland und im Gazastreifen (siehe Graphik) gehen weiter, auch wenn man sie verdrängen möchte. Jerusalem und Israel präsentieren sich im Festtagskleid, Besucher des Landes (die Touristenzahlen sind in den vergangenen Monaten drastisch gesunken) merken kaum etwas von den Konflikten. Die Abschirmung scheint perfekt.
Dieser Tage erst protestierte die in Paris ansässige Internationale Föderation der Zeitungsherausgeber (FIEJ) in einem Schreiben an Ministerpräsident Jizchak Schamir gegen „Sicherheitsmaßnahmen“ gegenüber Journalisten, die über das normale Maß an Vor-sichtsvorkehrungen hinausgehen. Aussperrungen, Aufenthalts- und
Publikationsverbote - so der FIE J-Präsident Gordon Linacre -fügten dem Ansehen des Landes schweren Schaden zu.
Nirgendwo scheint die Diskrepanz zwischen idealem Anspruch und realer Gegebenheit heute größer als im Staate Israel. Die Welt spürt das schmerzlich. Vielleicht hat sich doch etwas von einem uralten Bewußtsein erhalten, daß Gott der Herr des Krieges und der Geschichte ist. Israel wird noch immer an dieser biblischen Vorgabe gemessen.
Doch der „Staat wie jeder andere“, über dessen Gewaltpolitik heute so viele Tränen vergießen, hat aufgrund beständiger Bedro-
hung die Abwehr- und Verteidigungsbereitschaft seiner Bürger bereits verinner licht (siehe Seite 12). So meint man, mit Beschneidung des Lebensrechts der Palästinenser — sinnenfällig wird das im Trinkwasserentzug und Brunnenabgraben in der Nähe von arabischen Orangenplantagen — der Verteidigung Genüge zu tun.
Viele Vorwürfe gegenüber Israel wirken aber nicht selten verlogen. So etwa der Kurzschluß, daß aus den einstigen Opfern nun selber Schlächter geworden seien. Anti-arabischen Terror gab es schon vor 1948, und die „Erziehung zur Verteidigung“ erfolgte bereits durch die Engländer lange vor
1945 (Seite 12 und 13). Das momentane Geschehen im Land der Verheißung scheint vielen sehr willkommen: Als Beruhigung des eigenen schlechten Gewissens gegenüber den Juden. Auch die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ konnte diesem Denken nicht gänzlich entkommen.
Niemand fragt heute nach den Möglichkeiten des Friedens in Israel. Man registriert bloß, daß die Fähigkeit zur Politik dem Judenstaat abhanden gekommen zu sein scheint. Alte Haudegen - fasziniert von Groß-Israel - bestimmen den Weg des Landes. Auch die dritte Generation seit 1948 ist bereit, da mitzumachen (Seite 13).
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