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Gedanken zur Zensurreform

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Zum Zeitpunkt des Regierungsantritts Josephs II. waren die Zeitungen Nachrichten- und Informationsblätter, denen Kritik oder Beeinflussung nicht zustanden. In diesem Sinne bezeichnete der Kaiser in einem handschriftlichen Vermerk Zeitungen als „Gedruckte Kleinigkeiten”. Und der in der Literatur so oft zitierte, gänzlich mißverstandene 7 der Zensurinstruktion vom II. Juni 1781 änderte diese Einstellung nicht:

„Anschlagzettel, Zeitungen. Ge-bethe und dergleichen betreffend, solche hat der bei jeder Landesstelle in Zensursachen referierende Rath nur kurz zu untersuchen, wegen letzterer, daß sie dem echten Geist der Kirche angemessen wären, zu sorgen und das Imprimatur zu ertheilen”

Daß der Kaiser die Zeitungen nur beiläufig erwähnte, mag seine Ursache darin haben, daß er ihnen in seinem Reformwerk zunächst keine große Wichtigkeit zugestand. Die von den Aufklärern bejubelte und sogar außerhalb der Habsburgermonarchie lobend anerkannt „erweiterte Preßfreiheit” stellte im Grunde nichts anderes als eine „erweiterte Lesefreiheit” dar.

Dem Kaiser wird nachgesagt, er hätte stets den zweiten Fuß vor den ersten getan so übereilt seien seine Reformen gewesen. Im Hinblick auf seine Zensurreform kann dem nicht zugestimmt werden. Im Gegenteil, erarbeitet bewußt auf ein neues, straffes, völlig zentralisiertes Zensursystem hin. 1765, noch als Mitregent, kritisierte er die „Strenge der Zensur” als einen Widerspruch zu dem „angeborenen Recht des Menschen auf Freiheit”. Er erwog, daß Werke wegen einzelner anstößiger Stellen nicht in ihrer Gesamtheit verboten werden sollten, wenn sie sonst den Staatsinteressen entsprachen. Protestantische Schriften durften nun ep scheinen und nur systematische Angriffe auf die katholische Kirche wurden untersagt.

Wissenschaftliche Werke und solche der freien Künste konnten ohne Untersuchung frei passieren. Die Ausschaltung des Autoritätsprinzips brachte allgemeine Kritikfreiheit. *

In genauer Befolgung der kaiserlichen „Grund-Regeln” , die sich aus wirtschaftlichen Gründen vor allem auf Buchdruck und Buchhandel konzentrierten, entstand das sogenannte „Zensurpatent” vom II. Juni 1781. Tatsächlich aber handelte es sich um eine „Zensurinstruktion”. Im wesentlichen mit den „Grund-Regeln” übereinstimmend, bildete auch hier der 3 das Kernstück der josephinischen Zensurreform:

„Kritiken, wenn sie nur keine Schmähschriften sind, sie mögen nun treffen, wen sie wollen, vom Landesfürsten bis zum Unterthan, sollen, besonders wenn der Verfasser seinen Namen dazu drucken läßt und sich für die Wahrheit der Sache als Bürge darstellt, nicht verboten werden, da es jedem Wahrheitliebenden eine Freude sein muß, wenn ihm selbe auf diesem Wege zukommt.”

Dadurch, daß öffentliche Angelegenheiten der Kritik des Bürgers freigegeben wurden, sich eine „öffentliche Meinung” bildete, vollzog sich ein Systemwandel, wie er vollständiger für die damalige Zeit kaum gedacht werden kann. Daß diese weittragende Wirkung den ursprünglichen Absichten des Kaisers, der Aufklärung zu dienen, wider-. sprach, ist erwiesen. •

Die Broschüren mit ihrer engen Bindung an das Tagesgeschehen, mit dem Aktualitätsbezug ihrer Themen, zogen ein breites Lesepublikum an. Sie ebneten der Meinungspresse den Weg.

Joseph II. unterschätzte die Gefahr umstürzlerischer politischer Propaganda, die insbesondere in seinen letzten Regierungsjahren gerade von den Broschüren betrieben wurde. Ihnen hatte er es zuzuschreiben, daß sich sein Bild vom bewunderten Volksidol zum Versager als Mensch und Regent wandelte.

Begünstigt durch wirtschaftliche Erwägungen des Kaisers, entstanden zahlreiche Druckereien, die ihrerseits wieder das periodische Schrifttum als Geldquelle betrachteten. Da keine spezielle Instruktion für ihre Zensur existierte, traf ihre Entwicklung von Mitteilungsblättern zu Tageszeitungen, Zeitungsauszügen und Wochenblättern die josephinische Zensurverwaltung unvorbereitet. Es wurde notwendig, ihnen durch Verordnungen und Ergänzungen Aufmerksamkeit zu schenken. * /

In seiner Gebundenheit an die Zeit und an die Klasse, deren Repräsentant er war, konnte Joseph II. unter Zensur nichts anderes als eine Kontrolleinrichtung des Staates im Dienste des Gemeinwohls verstehen. Nicht in seinem Konzept lag die Selbstorganisierung der öffentlichen Meinung durch Broschüren und das nun' einsetzende periodische Schrifttum.

Die Autorin ist Leiterin der Historischen Abteilung am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

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