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Gedankenspiele mit Modell-Ideen

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Neue Wege, Markierungen, Alternativen und ähnlich benannte Aufbruchsversuche kennzeichneten in den letzten Jahren das Bemühen der politischen Parteien, neue gesellschaftspolitische Entwürfe zu erstellen.

Allesamt waren sie von dem Bemühen getragen, die gesellschaftliche Entwicklung einzuordnen in die vertrauten Bahnen einer zwar nicht technokratischen, jedoch nicht minder kalten, theoretischen Machbarkeit.

Das allerdings war auch ihr größter Fehler: Sie waren ohne spürbare Greifbarkeit lebendiger Bilder für das sehnsüchtig nach neuen Ufern ausschauhaltende Auge des krisengeschüttelten Menschen.

So blieb alles beim alten: Theorie statt Technokratie, das Lebensgefühl der Menschen unverändert wechselhaft, kraftlos und ohne Glauben an eine neu zu gewinnende Zukunft.

Vor dem Hintergrund dieses Scheiterns parteipolitischer Konzepte erleben wir neuerdings eine wahrhafte Flut von sogenannten Modellen, insbesondere von Seiten des bürgerlichen Lagers: Modell Österreich, Modell Niederösterreich, Modell Steiermark. Krampfhafte Worthülsen für unterkühlt abstrakte Konzepte? Oder ein Aufbruch in lebendige Zukunft?

Versuchen wir, die Bedeutung dieses Wortes zu erspüren, es kritisch mit unserem Lebensgefühl in Beziehung zu setzen: Ein Modell als verkleinerte Taschenausgabe der Wirklichkeit reduziert diese einerseits in ihrer Vielschichtigkeit und Unüberschau-barkeit zu handhabbarem Spielzeug in unseren Händen.

Es muß wohl daran liegen (und im Verlust des Bedrohlichen), daß uns der Umgang mit einer Modelleisenbahn beispielsweise zu spielerischem Gestalten im trauten Heim bewegt, daß wir die Wirklichkeit auf diesem Wege einzuholen und uns gefügig zu machen vermögen.

Der damit verbundene Vorgang ist zweideutig: einmal birgt er die immense Gefahr technokratischer Selbstüberschätzung des

Menschen in sich; andrerseits bietet er eine Chance, optimistisch auf die Welt der Wirklichkeit zu vertrauen, sie zur überschaubaren Heimat zu nehmen. Gereichte uns ersteres häufig zum Unheil, brauchen wir zweiteres zum Leben.

Nur dieses Verständnis von Modellen als vorweggenommene Wirklichkeit im kleinen, wie sie sein könnte und sollte, kann dem tätigen Menschen gerecht werden. Hier ereignet sich bruchstückhaft die Sehnsucht nach menschlicher Zukunft, hier blüht

Phantasie, hier wird aus der Gegenwart Zukunft

Das ist immer nur möglich im Handfesten, Überschaubaren, in den Lebensbereichen, die am Maße des Menschen gemessen werden. In von einer Gruppe von Menschen modellhaft verwirklichter Phantasie zeigt sich das Bild wünschenswerter Zukunft, eine Summe vieler phantasievoller Tätigkeiten, ein ganzes Mosaik möglicher Lebensgestaltungen.

Wenn Menschen Gemeinsamkeit in ihrem Bestreben entdek-ken, ihre Umwelt schön zu erhalten, wenn sie also dafür etwa eine Bürgerinitiative bilden, dann realisieren sie modellhaft ihre Vorstellungen von Zukunft.

Wenn andrerseits andere Menschen zur Uberzeugung kommen, es wäre gerade jetzt besonders unmenschlich, die sich in Österreich aufhaltenden Flüchtlinge aus Polen zu diskriminieren und ihrem Schicksal zu überlassen, und diesen Menschen gegen den Strom der öffentlichen Meinung deshalb Hilfe anbieten, dann zeigen sie ganz real ihre Vorstellungen von Menschlichkeit.

Wenn drittens eine Gruppe junger Menschen vom Verfall bedrohte Wohnungen instand setzt und darin ihre schöpferischen Kräfte entfaltet, so demonstriert sie damit — ob zu Recht oder zu Unrecht sei hier dahingestellt — ihre Wünsche an eine menschlich gestaltete Zukunft.

Alle diese Bilder sind Ausdruck der Fülle des pulsierenden Lebens, sie ergeben in der. Summe eine neue Bewegung in Richtung Demokratie, eine Flutwelle von Engagement mit oder ohne politische Parteien, mit oder ohne Zustimmung derselben.

Das ist der Anfang von Zukunft, kein theoretisches Gesamtkonzept, das wie ein Stahlnetz über die Menschen geworfen wird, in dem sie dann hilflos zappeln, sondern der nicht immer rationale, dafür aber gefühlvolle Aufbruch nach vorne.

Das sind Bilder einer Zukunft, die möglichst bunt und farbig zu werden verspricht, die sich dem Zwang der technokratischen Rationalität zu entziehen und in die Wärmestuben der menschlichen Herzen einzunisten beginnt.

Das heißt in der Konsequenz nicht die Verteuf elung eines jeden Gesamtkonzeptes für einen gesellschaftspolitischen Zukunftsentwurf, das heißt nur: zuerst kommt das Leben, die bunte Fülle konkreten Handelns, daraus soll und kann in einer langandauernden und gewaltigen Anstrengung aller das lebendige Gesamtbild dessen entstehen, was werden soll. Das ist Demokratie, das ist die Wiederbelebung des Mythos vom Urvertrauen in das Leben. Wie weit es freilich den verschiedenen politischen Modellen gelingen wird, Meilensteine auf diesem Weg zu setzen?—Die Zukunft wird es weisen.

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