7215342-1992_46_20.jpg
Digital In Arbeit

Gefährdet der Urlaub die Ehe?

Werbung
Werbung
Werbung

Ein verhältnismäßig junges Ehepaar hatte eine neue Wohnung gemietet. Der Mann war in der Stadt geblieben, um die Wohnung zu renovieren und einzurichten, die Frau war mit dem Kind in den Urlaub gefahren. Als sie zurückkam, teilte sie ihrem Mann mit, sie hätte da am Strand einen anderen Mann kennengelernt und wolle sich scheiden lassen.

Das ganze ist eine banale Alltagsgeschichte, man kann aber aus ihr viele Schlüsse ziehen, richtige und falsche. Tante Hannelore meinte zum Beispiel, daß dies alles die Schuld des Mannes sei, er hätte die Frau nicht allein verreisen lassen sollen. (Bei Tante Hannelore sind immer an allem die Männer schuld, obwohl sie nie verheiratet war - oder vielleicht eben deshalb.)

In einem hat die Tante recht: Am Scheitern der Ehe war der Mann mit Sicherheit mitschuldig - einseitige Schuld gibt es in solchen Fällen nicht - und sei es nur dadurch, daß er geheiratet hat. Der Urlaub dagegen hat keine Schuld - er bot der Frau nur die Gelegenheit wegzugehen, nicht den Grund.

Wäre diese Ehe in Ordnung gewesen (ja, wer weiß schon, was das bedeutet?), hätte sie ein Dritter nicht gefährden können. Die Frau hätte - je nach Lebenseinstellung und Temperament - eine intime Beziehung im Urlaub abgelehnt, oder aber mit dem anderen Mann alle Freuden des Urlaubs ausgekostet, um dann frohen Mutes, erholt und in ihrer Liebe bestärkt zu ihrem Gatten zurückzukehren.

Die Tatsache, daß die Frau wegging, beweist, daß die Ehe schon vor dem Urlaub kaputt war - vielleicht war das den Beteiligten nur nicht bewußt. Und es ist besser, von einem Partner verlassen zu werden, so schmerzlich es auch sein kann, als mit einem zu leben, der nur deshalb nicht weggeht, weil er keine Gelegenheit hat. Eine Partnerschaft, in der man auf seinen Partner aufpassen muß, ist keine Partnerschaft.

Warum sollen Eheleute nicht getrennt Urlaub machen, wenn sie es wollen? Auch bei größter Liebe hat man ab und zu das Bedürfnis, sich voneinander zu erholen.

Ein gemeinsamer Urlaub kann sogar mitunter für die Ehe viel gefährlicher werden als ein getrennter. Fahren zwei Menschen, die das Jahr über eng zusammen sind, auch gemeinsam in den Urlaub, versetzen sie nur ihr alltägliches Leben in eine andere geographische Umgebung. Wenn sie sich lieben, werden sie sich auch im Urlaub lieben, wenn sie sich gleichgültig sind, werden sie es bleiben, wenn sie sich hassen und zanken, werden sie sich weiter zanken und hassen. Das einzige, was sich dabei ändert, sind die Unkosten.

Die Hoffnung, daß eine sich auflösende Partnerschaft im Urlaub repariert werden kann, erfüllt sich selten.

Der Urlaub bietet freilich die Gelegenheit, unbehelligt von dem Alltagstrott, sich mehr von der Sonntagsseite zu zeigen, ganz Kavalier und ganz Dame, ganz Frau und ganz Mann, ganz ein liebendes Paar zu sein.

Andererseits aber ist man im Urlaub dauernd zusammen. Man weiß in der Fremde nicht, wo und bei wem man Zuflucht suchen kann, wenn man sich kurz aus dem Weg gehen möchte. Auch arbeitet die Zeit, die man hat, um sich genauer zu beobachten und über die eigene Beziehung nachzudenken, die Zeit, die man gemeinsam füllen muß, nicht immer für die Beziehung.

Es kann schon passieren, daß zwei Menschen, die bisher glaubten, miteinander eine intakte Ehe zu führen, jetzt, wenn die rettenden Stützen fehlen - die gewohnten alltäglichen Sorgen, die beruhigende alte Umgebung, die ablenkenden gesellschaftlichen Verpflichtungen, die Freunde, die Wohltat des Fernsehens, das sie der

Pflicht entbindet, miteinander zu reden - plötzlich merken, daß sie sich nichts mehr zu sagen haben.

Und dann, wenn eine ihrer Stützen beraubte Beziehung wie ein Kartenhäuschen zusammenfällt, schiebt man die Schuld einem fatalen Mann oder einer fatalen Frau in die Schuhe, die der andere irgendwo unter der Sonne kennengelernt hat.

Diese Dritten sind unschuldig wie der Urlaub selbst, denn auch sie sind nur die Gelegenheit, nicht der Grund.

Man kann getrost in den Urlaub fahren, zusammen oder getrennt. Er wird die Verhältnisse nicht verändern. Er kann sie mitunter nur klären.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung