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Gefährdete Bundesbrüderlichkeit ?

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Kryptisch meinte jüngst die Kommunistische Partei Österreichs, daß sie unter Umständen an die Aufstellung eines eigenen Kandidaten denken könnte, denn „wir suchen einen Arbeiter, der sowohl bei unseren als auch -bei SP-Wählern, die nicht zwischen zwei CVern entscheiden wollen, ankommt.“

Im „Kurier“ vom 24. 4. 1974 räsonierte Helga Stadler über die Tatsache, daß beide (damaligen) „Kandidaten“ Kirchschläger und Withalm MKVer seien und meinte, „die CV-Brüder der Wiener ÖVP ... hätten Withalm Schleinzer ans Herz gedrückt“.

In der Zwischenzeit wurde Bürgermeister Lugger als ÖVP-Kandidat gekürt, wobei Eingeweihte sich eines leichten Schmunizelns nicht erwehren konnten: auch Luglger ist MKVer. Somit steht dem österreichischen Volke nicht nur ein Titanenkampf zweier kandidatenaufstellender Parteien, sondern auch ein pikantes persönliches Duell zweier Farbstudenten bevor. Wie die Dinge derzeit liegen, steht jetzt bereits fest, daß ein MKVer in die Hofburg einziehen wird, und es bleibt nur die Frage, ob „Waldmark-Horn“ (Kirchschläger) oder „Cimbria-Kufstein“ (Lugger) das Rennen macht.

Wenn man auch CV (Cartellver-band der katholischen, farbentragenden Studentenverbindungen öster-reichts) und MKV (Mittelschüler-Kartellverband) nicht — wie es oft geschieht — als Kongolomerat behandeln sollte, da sich jeder Verband an eine spezifische Zielgruppe richtet (Studenten einerseits und Mittelschüler anderseits), so muß doch festgehalten werden, daß beide Verbände dieselben Prinzipien haben und sich mehr als nur nahestehen.

Der derzeitige Präsidentschaftswahlgang dokumentiert augenfällig, was auch bei früheren Wahlen bereits auffallen mußte: das katholische Farbstudententum verfügt offensichtlich über ein nach wie vor großes Reservoir an präsentablen Persönlichkeiten, ein Reservoir aus dem nicht nur in der Vergangenheit eine Reihe bedeutender Politiker hervorgegangen ist. Vom politischen Gegner oftmals totgesagt oder mit Gründung ähnlicher Organisationen (z. B. BSA) zu bekämpfen gesucht, zeigt sich heute, daß die SPÖ, die noch gegen den MKVer Waldheim nicht zuletzt auch aus dieser seiner Mitgliedschaft Wahlkapital geschlagen hat, heute mit einer überraschenden Selbstverständlichkeit auf die MKV-Mitgliedschaft Kirchschlägers hinweist. Dadurch wird dieser an Pikanterien ohnehin nicht arme Wahlkampf, durch eine weitere bereichert.

Die Tatsache, daß beide Kandidaten demselben Verband angehören, bringt es zwangsläufig auch mit sich daß sie sich zu den Grundsätzen dieses Verbandes — mehr oder weniger stark — bekennen. Insbesondere hinsichtlich der katholischen Weltanschauung hat sich Lugger bereits deklariert und gleichzeitig erklärt, daß das Wort „Katholik“ im Wahlkampf gar keine Rolle spielen sollte. Kirchschläger, obzwar praktizierender Katholik, hat in der Frage der Fristenlösung immer noch nicht Farbe bekannt, er „führte am Dienstagabend im Fernsehen rund um das Thema Fristenlösung einen Eiertanz auf, wie er einer Persönlichkeit seines Kalibers unwürdig war. Die Katholiken sollten offenbar heraushören, er sei ein Gegner der Lösung. Für die Sozialisten, die da aufmerksam lauschten, war vermutlich die sprachliche Vernebelung gedacht, darin sich die Stellungnahme gefiel“ („Kurier“).

Immerhin kann vorhergesagt werden, daß — was die beiden Kandidaten betrifft — der Wahlkampf wohl der fairste der Zweiten Republik werden dürfte, da insbesondere auch die gemeinsame Verbandszugehörigkeit dafür sorgen wird, daß persönliche Spitzen vermieden werden. Im Falle eines ehrenrührigen Angriffs hätte — rein verbandsrechtlich gesprochen — sich der „Beleidiger“ vor einem Ehrengericht zu verantworten.

Wenn sozialistischerseits immer wieder darauf hingewiesen wurde (und von einigen Unbelehrbaren auch heute noch behauptet wird), daß „man halt zum CV oder MKV gehe, weil man wegen der dort praktizierten Protektionspolitik

rasch und mühelos etwas werden könne“, dann erhebt sich erstens die Frage, ob denn Präsidentschaftskandidaten wie Raab, Gorbach, Waldheim oder Lugger ihre Karriere nur dem CV zu verdanken halben und zweitens, wieso denn dann ausgerechnet ein Minister Kirchschläger vom ersten sozialistischen Bundeskanzler der Zweiten Republik als Kandidat für das höchste Amt im Staate ausgewählt wurde?

Die Protektion allein — im übrigen eine von zahlreichen Lobbies, Pressure-groups, Interessenverbänden und Parteien mit mehr oder weniger Virtuosität praktizierte Methode interner Personenauslese — kann es wohl nicht sein, vielleicht aber die spezifische Ausbildung und Persönlichkeitsbildung, die ein Mittelschüler oder Student in einem der beiden Verbände erhält. Eine Bildung, die kraft der typischen — Gegner würden sagen: anachronistischen — Struktur dieser Verbände wirksam wird.

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