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Gefahr für die Pressefreiheit?"

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Die Dritte Welt ruft mit immer größerer Vehemenz nach einer neuen Weltwirtschaftsordnung. Gleichzeitig fordern die Entwicklungsländer im Rahmen des Nord-SUd-Dialoges eine neue Weltinformationsordnung, die da3 Nachrichtendeftzit der Dritten Welt beseitigen soll. Sie wollen bei der diesen Monat in Belgrad beginnenden Generalkonferenz der UNESCO die Grundlagen einer solchen Ordnung schaffen, die die Medien entwicklungspolitischen Zielen sozialer, wirtschaftlicher und politischer Natur unterordnen soll und damit zwangsläufig mit staatlichen Kontrollen und Regelungen verbunden wäre.

Was hier auf der Grundlage des MacBride-Berichtes beabsichtigt ist, hat bei der Generalversammlung des Internationalen Presseinstitutes (IPI) in Florenz der italienische Senator und Historiker Leo Valiani deutlich ausgesprochen: „Die Ungleichheiten, Benachteiligungen und Freiheitsdefizite im Informationswesen der Entwicklungsländer sollen durch Freiheitsreduktionen in den Industriestaaten ausgeglichen werden. Daß es so nicht geht, liegt auf der Hand.

Zur Vorbereitung der gewünschten neuen Weltinformationsordnung hat der Generaldirektor der UNESCO, Amadou Mahtar M'Bow, im November 1977 eine „Internationale Kommission zum Studium der Kommunika-tionsprobleme"eingesetzt,deren Vorsitz dem früheren irischen Außenminister Sean MacBride Ubertragen wurde. Er ist interessanterweise zugleich Nobel-(1947) und Leninpreisträger (1976).

Im Frühsommer 1980 hat die Kommission ihren Bericht fertiggestellt. Er umfaßt nicht weniger als 600 Seiten und erhebt den Anspuch, die Kommunikationsvorgänge in ihrer Gesamtheit auszuleuchten.

Bedauerlicherweise wurde im Mai 1980 nur der fünfte Teil des Berichtes veröffentlicht, der meist an die Regierungen gerichtete Empfehlungen enthält. Das ist überaus bedenklich, da der Bericht nun bereits in Belgrad bei der UNESCO-Generalkonferenz behandelt werden soll.

Den am meisten betroffenen - Journalisten und Verlegern - wurde durch die Kürze der Zeit die Möglichkeit genommen, dazu ausführlich und gründlich Stellung zu nehmen.

Tatsächlich hat der MacBride-Be-richt in der europäischen Öffentlichkeit bisher kaum Widerhall ausgelöst. Nur das IPI hat sich damit eingehend befaßt und ernste Besorgnisse geäußert.

Gerechterweise muß man feststellen, daß manche überaus problematische Vorstellungen, die im Zwischenbericht 1979 enthalten waren (etwa die Idee einer staatlichen Lizenzierung des Journalistenberufes), in der endgültigen Fassung des Berichtes nicht mehr aufscheinen. Sie statuiert ausdrücklich den freien Zugang zu allen staatlichen und nichtstaatlichen Informationsquellen und fordert die Abschaffung von Zensurmaßnahmen.

Problematisch dabei: Der Bericht behandelt zwar die Nord-Süd-Beziehungen, blendet aber die Ost-West-Dimensionen völlig aus. Sie kommen im Mac-Bride-Bericht nur in Fußnoten zum Ausdruck, wie z. B. in der Fußnote des sowjetrussischen Kommissionsmitgliedes N. S. Losew zu den Ausführungen über freie Information, in der er Vorbehalte zugunsten nationaler Souveränität und totalitärer Informationspraktiken anmeldet.

Die Tendenz der Empfehlungen läuft auf eine gewisse inhaltliche Fixierung und Funktionalisierung der internationalen und der innerstaatlichen Kommunikationsflüsse hinaus. Sie Ubersehen, bewußt oder unbewußt, daß das Informationsdefizit von Millionen Menschen nicht nur technologisch, wirtschaftlich und bildungsmäßig bedingt ist, sondern weitgehend politisch bestimmt wird.

Auffallend ist die fast durchwegs negative Beurteilung kommerzieller Medien. Die Annahme des Berichtes, an der „Unausgewogenheit" der Nach-lichtenströme sei vor allem die kommerzielle Struktur westlicher Informationsmedien schuldtragend, ist durch nichts gerechtfertigt. Trotzdem fordert der Bericht ziemlich kategorisch, das Informationswesen zu „entkommerzialisieren" und eine entwicklungspolitische Steuer auf Inserate einzuheben.

Bei der IPI-Diskussion in Florenz wies MacBride darauf hin, daß nur etwa 45 von 155 Ländern wirkliche Pressefreiheit kennen. Ihm erwiderte daraufhin scharf Rosmarie Righter (Sunday Times), daß „grosso modo" eben diese 45 Staaten eine marktwirtschaftlich organisierte Presse haben. MacBride verzichtete auf eine Erklärung für die Kommerzfeindlichkeit der Kommission.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der MacBride-Bericht staatlichen und behördlichen Interventionen im öffentlichen Meinungsbildungsprozeß das Wort redet. Es geht hier primär um das Recht auf freie, individuelle Meinungsäußerung und damit um die ordnungspolitische Grundlage der pluralistischen Gesellschaft. Man kann nur hoffen, daß die Diplomaten des Westens auf der Belgrader Konferenz sich auf keinen Kompromiß einlassen und gegen alle Versuche, die Pressefreiheit - hier im Interesse der Entwicklungsländer - einzuschränken, energisch Stellung nehmen.

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