6952649-1984_17_14.jpg
Digital In Arbeit

Gefahr für Kulturgüter

Werbung
Werbung
Werbung

Mag sein, der eine oder andere Archäologe träumt noch davon, daß ein Wunder geschieht. Die 16 österreichischen Ausgräber aber, die kürzlich im Semmeringer Hotel ihres Mäzens, Senator A. K. Prskawetz, Juniorchef der Bauunternehmung Kallinger, über wissenschaftliche Ergebnisse und anfallende Probleme referierten und diskutierten, gaben sich realistisch. Sie fürchten, daß die goldenen Jahre der Spatenforschung vorbei sind, weil es eben ohne Geld nicht nur keine „Musi", sondem auch nur wenige gezielte Grabungen, geschweige denn Rekonstruktionen kostbarsten Kulturguts, geben wird.

So wie etwa in Ephesos, dem internationalen Aushängeschild österreichischer Forschertätigkeit, wo die endgültige Restaurierung und Rekonstruierung der beiden wieder zutage gebrachten Hanghäuser finanziell nicht abgesichert ist. Denn die Kosten für die Umgestaltung der antiken Wohnhäuser in ein Freilichtmuseum belaufen sich laut Schätzung von Denkmalpfleger Friedmund Hueber auf runde 60 Millionen Schilling. Werden sie nicht aufgebracht, hat die Wissenschaft zwar wiederentdeckt, wie man in der drittgrößten Stadt des Imperium Romanum gebaut und gelebt hatte — die Nachwelt aber kann es nicht sehen. Denn unter der Einwirkung des Wetters werden die wertvollen Wandmalereien zugrunde gehen, und das Mauerwerk wird mehr und mehr seine Substanz verlieren.

Weit schlimmer ist es allerdings um Carnuntum in Niederösterreich, Flavia Solva in der Steiermark und Lauriacum in Oberösterreich bestellt. Dort arbeiten die Archäologen (Hofrat Herma Stiglitz, Manfred Kandier und Univ.-Doz. Werner Jobst vom österreichischen Archäologischen Institut, beziehungsweise Erich Hudeczek vom Landesmuseum Joanneum und Hansjörg Ubl vom Denkmalamt) seit langem auf Sparflamme und können — teilweise bedingt durch neue Bauvorhaben, die Rettungsgrabungen notwendig machen, teilweise durch chronischen Personalmangel - keine gezielten Plangrabungen durchführen. Von Ankäufen kleiner Areale, die man restauriert und konserviert der Öffentlichkeit zugänglich machen möchte, gar nicht zu reden (beispielsweise zweier Heiligtümer in Carnuntum).

Überdies sieht da wie dort die ansässige Bevölkerung im Archäologen den Feind: Als denjenigen, der die eigene Sammlertätigkeit (sprich Raubgrabung) einzudämmen versucht. Oder als jenen, der die Bautätigkeit diverser Siedlungsgenossenschaften einbremst. Oder ganz einfach als lästigen Zeitgenossen, der — sich auf Tradition und Können berufend -verhindern will, daß hier wie in einem Entwicklungsland ausländische Universitäten den Spaten ansetzen und den Ausverkauf Österreichs vorantreiben.

Weit besser ist die Grabungssituation in Kärnten. Dort steht nämlich „die Politik hinter dem Ausgräber" (Univ.-Doz. Gernot Piccotini vom Kärntner Landesmuseum). Und das bedeutet, daß nicht nur die wissenschaftlichen Untersuchungen auf dem Magda-lensberg zügig vorangehen, sondern daß man auch Geld für Konservierungen parat hat.

Unbelastet von Geldproblemen interessierten sich die Klausurteilnehmer an der Demonstration eines neuen, vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung gesponserten photo-grammetrischen Sofortvermes-sungsgerätes. Es war am Institut für Photogrammetrie der Technischen Universität Wien von dem Diplomanden Peter Platzer entwickelt und von den Archäologen Prof. Elmar Vonbank vom Vorarlberger Landesmuseum, Jobst und Kandier erprobt worden.

Wie Kandier ausführte, liefert dieses Gerät, das an eine handelsübliche Sofortbildkamera angeschlossen wird, maßstabgetreue Aufnahmen von Kleinfunden und Großflächen. Diese Bilder haben den Vorteil, daß sie, rasch hergestellt, menschliche Fehlerquellen ausschalten.

Für Carnuntum gibt es jedenfalls Bestrebungen, die photo-grammetrischen Errungenschaften noch effizienter als bislang einzusetzen. Anstelle eines Ballons, der mit teurem Helium gefüllt werden muß und Windstille voraussetzt, soll in Zukunft ein eigens entwickelter Helikopter für die Luftaufnahmen verwendet werden. Von ihm aus will man orten, wo die Archäologen ohne lange Suchaktionen fündig werden können. Wo also steinerne Dokumente aus einer Zeit liegen, als sich Europa anschickte, zu dem zu werden, was es heute ist.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung