6885364-1979_25_07.jpg
Digital In Arbeit

Gefahr für Thailand

Werbung
Werbung
Werbung

Am 24. Mai formte der thailändische Ministerpräsident Kriangsak Chamanand das größte Kabinett in der Geschichte seines Landes mit 44 Mitgliedern, vor allem Technokraten und Militärs. Zehn Minister, eingeschlossen fünf höhere Militärs, verbleiben ohne Verantwortung für ein bestimmtes Ministerium; dafür versieht der Premier gleichzeitig das Finanz- und Landwirtschaftsministerium, obwohl er als Berufsmilitär auf keinem dieser Gebiete Erfahrung besitzt.

Das Kabinett wurde 32 Tage nach den Parlamentswahlen gebildet. Das Parlament mit 526 Mitgliedern, von denen 222 vom Premier ernannt wurden, soll dem aus einem Militärputsch hervorgegangenen Regime eine Art Legalität verleihen und die Rückkehr zur Demokratie vorbereiten.

Ob man von diesem Parlament mehr erwarten kann als den üblichen Zyklus von Parteiengezänk, Korruption und Militärputsch, bleibt abzuwarten. Nicht sehr verheißungsvoll ist die Tatsache, daß die vier größten Parteien die Eröffnungssession boykottierten.

Dabei bedürfte Thailand dringend der inneren Stabilität und einer starken Regierung, denn es ist von den fünf ASEAN-Staaten am unmittelbarsten gefährdet. Von innen ist die Sicherheit bedroht durch die kommunistischen Guerilleros, die im armen Nordosten und im äußersten Süden operieren. Der Nordosten, mit seiner unterentwickelten Landwirtschaft auf wenig fruchtbarem Boden, ist von Vietnamesen und Chinesen durchsetzt, unter denen kommunistische Agenten seit Jahrzehnten operieren.

Von außen droht seit einigen Tagen ein direkter Angriff vietnamesischer Divisionen, die in den fünf Grenzprovinzen die geflüchteten Pol-Pot-Truppen verfolgen und die Thai für Verletzung der Neutralität bestrafen wollen. Nur die Regenfälle, die die schlechten Straßen für Panzer unpassierbar machen, verhinderten bis jetzt den Vorstoß von 200 Tanks aus dem Raum Poipet gegen die Grenzstadt Aranyapathet.

Vorausgegangen waren außerordentliche Szenen. Wiederholt waren große Gruppen der Roten Khmer, scharf verfolgt von Vietnamesen,

über die Grenze geflüchtet, wobei sie Zehntausende von Zivilisten, mit Frauen und Kindern, zwangen, sie zu begleiten. Die Thai ließen sie unbehelligt passieren und weiter im Süden nach Kambodscha zurückkehren.

Der allzeit gesprächige Prinz Siha-nouk hatte in Peking unbekümmert erklärt, daß China nicht nur die Roten Khmers, sondern auch eine rechtsgerichtete Guerillaorganisation, die Khmer Serei, mit Nachschub versorgt, was in Bangkok natürlich bestritten wird. Der von Hanoi installierte neue Präsident Heng Samrin erklärte einem westlichen Journalisten, der Widerstand der Roten Khmer sei im Land gebrochen, mit Ausnahme jener Kräfte, die von thailändischen Basen aus operierten.

Bangkok befürchtet, solche Äußerungen dienten der Rechtfertigung eines geplanten Angriffs. Seine Haltung ist allerdings reichlich undurchsichtig. UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim war nicht wenig entsetzt, als ihm Flüchtlinge einen Protest überreichten, worin sie berichteten, wie kurz zuvor 1700 Flüchtlinge chinesischer Abstammung von Thaitruppen über die Grenze nach Kambodscha zurückgetrieben worden waren.

Spätere Flüchtlinge berichteten, daß sie die Leichen dieser Unglücklichen, mit durchschnittenen Kehlen, am Straßenrand gesehen hätten.

Kriangsak besuchte vor einigen Wochen Moskau, in der Absicht, von dort aus die Angriffsgelüste Hanois 'zügeln zu lassen. Indonesien versprach seinem Partner militärische Hilfe gegen einen solchen Angriff, obwohl ASEAN (Verband südostasiatischer Nationen) nicht als Militärpakt geplant war.

Eine Ausdehnung des Vietnamkrieges auf die ASEAN-Staaten ist die seit langem befürchtete schlimmstmögliche Wendung. Dabei droht in Kambodscha eine Hungersnot von unvorstellbaren Ausmaßen; auch Vietnams Wirtschaft steckt in einer schweren Krise. Die Befriedung der Halbinsel wäre die unabdingbare Voraussetzung für eine internationale Hilfeleistung. Dazu paßt aber schlecht, daß gerade jetzt in Hanoi eine „Verjüngung“ der Führung angekündigt wurde, die lauter prorussische Falken an die Spitze der Staatsmacht brachte.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung