6948614-1984_03_05.jpg
Digital In Arbeit

Gefahr gebannt?

Werbung
Werbung
Werbung

Gleichsam als Auftakt zur Aufarbeitung und Aktualisierung der Ereignisse des Jahres 1934 veranstaltete das Dr.-Karl-Kummer-Institut in Wien einen Diskussionsabend und präsentierte sich damit auch wieder öffentlichkeitswirksam. „Strategien der Krisenbewältigung" lautete das Thema, unter dem die Abgeordneten Josef Taus, Industriespreeher der OVP, und Ewald Nowotny; SPÖ-Wirtschaftsprofessor, den Versuch unternahmen, die ökonomischen Bedingungen dieser Zeit politisch-historisch zu analysieren. Moderiert von Peter Michael Lingens („profil") sollte im Vergleich der Jahre 1934 und 1984 die Frage erörtert werden, ob „wir ähnliche Erscheinungen mit ähnlichen Methoden bekämpfen".

Um es vorweg zu sagen: Es war eine produktive Kontroverse zweier Wirtschaftsstrategen. Auch wenn die Diskutanten in vielem unterschiedliche Positionen einnahmen, wurde wohltuend vermerkt, daß kein kleinlicher Streit darüber ausgetragen wurde, wem die Schuld über die damals katastrophal endende Situation zukam. Vielmehr wurde elo-quent-argumentativ nach den Ursachen der Krise gesucht und nach Querverbindungen zur Wirtschaftspolitik der Gegenwart gefragt.

Die damals herrschende Unfähigkeit, ein wirksames Programm zur Krisenbekämpfung zu entwickeln, war vor allem dadurch verursacht, daß keine der Parteien an dieses Österreich und damit an den Bestand der Republik glaubte — auch wenn „man so etwas heute gerne vergißt", wie Taus kritisch-erinnernd anfügte.

Weil jedoch das Funktionieren der politischen Ordnung Voraussetzung dafür ist, „daß die ökonomische Ordnung funktioniert", stellte Taus die Frage nach dem Primat einer verbindlichen politischen Wertordnung. Oder negativ ausgedrückt: Das Fehlen einer allgemein akzeptierten Wertordnung war signifikant für 1934, woraus letztlich die Unfähigkeit zur gemeinsamen Krisenbewältigung resultierte.

Heute sieht Taus wieder einen drohenden „Legitimitätsverlust der Institutionen": Auch heute werde die Krisenbewältigung nur gelingen, „wenn wir die Wertordnung erhalten". Konkret würde das Abgehen vom Wachstumssystem zu einer neuen ökonomischen Ordnung führen. Und „wenn wir glauben, daß wir keine neuen Techniken entwickeln (müssen), dann werden wir die Krise nicht bekämpfen können,weil das Instrumentarium nur bei bestimmter Wertordnung" tauge.

Auch für Nowotny lag es auf der Hand, daß die „ökonomische Entwicklung durch politische Defizite und Handlungsunfähigkeit verursacht" wurde. Gerade deshalb, weil wir in der Gegenwart vor ähnlichen Problemen stehen, bezeichnete er diese Diskussion als „spannend". Ein Eindruck, der durchaus bei den Zuhörern vorhanden war.

Die Ähnlichkeit der Problemlagen fand Nowotny besonders durch zwei Tatbestände gegeben:

#. Die hohe Auslandsverschuldung, für die hohe Zinsen aufgebracht werden müssen, und

#. die hohe Arbeitslosenrate.

Das erste zwinge zur Schlußfolgerung, daß es für ein kleines Land besonders wichtig sei, sich seinen autonomen Handlungsspielraum zu erhalten. Denn die notwendigen Strukturanpassungen müßten „durch eigene Kräfte und durch eigenen politischen Konsens erfolgen — und (dürfen) nicht von außen aufgezwungen" sein.

Die hohe Arbeitslosenrate meinte Nowotny mit einer Verkürzung der Arbeitszeit überwinden zu helfen. Und damit war die Gegenwart eingeholt, in der ebenfalls manche meinen, die Arbeitszeitverkürzung als Therapie für die Verbesserung der Wirtschaft einsetzen zu müssen.

Doch für Nowotny ist diese Therapie auch deshalb notwendig, weil wir uns auf eine Situation hinbewegen, die durch einen Konflikt zwischen Arbeitsbesitzern und Arbeitslosen bestimmt ist. Er habe „Angst vor dieser Trennung" zwischen jenen, die keine Arbeit haben, und jenen, die über Arbeit verfügen. Da sich diese Tendenz aber — wie es etwa die OECD-Prognose ausweist — noch weiter verschärfen wird, müsse wirksam nach einer Uberwindung der Arbeitslosigkeit gesucht werden.

Taus konzedierte ihm, daß die Nachkriegsgeschichte eine Geschichte der Arbeitszeitverkürzung war, die bei weiteren Produktivitätsfortschritten sicher noch nicht zum Stillstand gekommen ist, lehnte aber zum jetzigen Zeitpunkt eine generelle Arbeitszeitverkürzung ab.

Letztlich blieb aber die Frage offen, ob oder was wir aus der Vergangenheit gelernt haben. Und hinterher diskutierten Besucher die Frage, ob die heutigen Entscheidungsträger über die Fähigkeit zur gemeinsamen Problemlösung verfügen. Diese Frage klang ebenso besorgt wie hoffnungsvoll ...

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung