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Gefahr, Unrecht, Irrtum, Wahnsinn"

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Für die katholische Kirche läßt sich feststellen, daß die spätestens seit Beginn der sechziger Jahre, eigentlich aber bereits in einzelnen Aussagen von Pius XII. und seinen Vorgängern, sich anbahnende Tendenz zu vermehrten Äußerungen in Sachen „Frieden" vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse eine kontinuierliche Steigerung erfahren hat…

Johannes’ XXIII. Friedensenzyklika „Pacem in terris" war nicht zuletzt deshalb wegweisend, weil es eine vorher nie so differenzierte Lehre vom Frieden im Sinne des auf der Schöpfungsordnung basierenden menschlicTien Zusammenlebens enthält…

Ausgehend von der Ordnung unter den Menschen, ruft Johannes XXIII. „alle Menschen guten Willens" auf, das Gefüge der staatlich-gesellschaftlichen Ordnung an den Prinzipien der Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit zu orientieren.

Im Anschluß an eine Beschreibung der rüstungspolitischen und technischen Möglichkeiten fordert er die Beendigung des allgemeinen Rüstungswettlaufs, Verminderung des Waffen-potentiais, Verbot der Atomwaffen und wirksame gegenseitige Kontrolle aufgrund entsprechender Vereinbarungen („Pacem in terris", Nr. 112).

Die Sorge um den Frieden stellte Papst Paul VI.-von Anfang an in den Mittelpunkt seines Denkens und Handelns.

‘ Während des Zweiten Vatikanischen Konzils gab es eine lebhafte Diskussion zu Fragen der „Vermeidung des Krieges" und „Förderung des Friedens".

Nicht in allem konnten sich die Konzilsväter einigen, und die diesbezüglichen Aussagen blieben „mindestens in einem Punkt zweideutig" (vgl. Raymund Schwager, Der Vatikan und die Rüstung, hrSlg. von der Katholischen Sozialakademie Österreichs, Wien 1979, S. 48).

Denn einerseits wurde zwar ,jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder weiter Gebiete

und ihrer Bevölicerung unterschiedslos abstellt", als ein Verbrechen gegen Gott und die Menschen verurteilt, das „fest und entschieden zu verwerfen" sei („Gaudium et spes", Nr. 80); der Rüstungswettlauf wurde als eine der „schrecklichsten Wunden der Menschheit" bezeichnet, der ,vunerträglich die Armen" schädige („Gaudium et spes", Nr. 81).

Daneben aber wurde den Regierungen „das Recht auf sittlich erlaubte Verteidigung" nicht abgesprochen, „solange die Gefahr von Krieg besteht und solange es noch keine zuständige internationale Autorität gibt, die mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet ist" und „wenn alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung erschöpft sind" („Gaudium et spes", Nr. 79).

Ein für die Friedensbemühungen Pauls VI. zentrales Jahr war 1967, als er im Rahmen der Enzyklika „Populo-rum progressio" die Einsetzung einer Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax" bekanntgab …

Daß Paul VI. sich aber auch der Gefahren des Wortgeklingels und der Alibifunktion leerformelhafter Zugeständnisse sowie eines naiven Pazifismus bewußt war, zeigen die in der Rede von 1967 breit ausgeführten Passagen, in denen vom „hohlen Wortschwall" gesprochen wird, „der zwar Anklang finden kann, weil er ein tiefes und echtes Sehnen der Menschen anspricht, der aber auch dazu dienen kann …, das Fehlen eines echten Friedensgeistes und wahrer Friedensabsichten zu verbergen."

Aufsehen erregte die Päpstliche Kommission „Justitia et Pax", die am 6. Jänner 1967 ad experimentum eingc-

richtet und im Dezember 1976 durch Motu Proprio in den Rang eines ordentlichen Kurienorgans erhoben wurde. Sie veröffentlichte 1976 das Dokument „Der Heilige Stuhl und die Abrüstung", worin in äußerst dezidierter Form Abrüstung und das Ersetzen des Krieges durch andere Methoden der Konfliktbewältigung gefordert werden. Hier wird der gewaltfreie Widerstand propagiert: „Wenn der verursachte Schaden in keinem Verhältnis mehr steht zu den Werten, die man zu wahren sieht, ist es besser, Unrecht zu leiden, anstatt sich zu verteidigen" (Herder-Korrespondenz, Juni 1977, S. 303).

Außerdem wird nicht nur der Krieg, sondern auch die „systematische Vorbereitung" dazu, nämlich der Rüstungswettlauf, als „Gefahr, Unrecht, Irrtum, Vergehen und Wahnsinn" scharf verurteilt (S. 302).

Die Kontinuität päpstlicher Friedensbemühungen Führt Johannes Paul II. fort, indem er vor dem Hintergrund seiner persönlichen Erfahrung und dem Schicksal seines Heimatlandes neue Akzente setzt…

Johannes Paul II. geht zwar mit Warnungen vor dem Rüstungswettlauf bzw. Aufforderungen zur Abrüstung s[iarsamer um als Paul VI., setzt sie aber gezielter und sachkundiger ein …

Es ist nicht zu bestreiten, daß alle kirchlichen Verlautbarungen, ob amtlich, halbamtlich oder „von unten", in ihrem Bemühen um aktive Friedenspolitik und vertrauensbildende Maßnahmen verdienstvoll sind. Oft allerdings wird übersehen, wie eng Spielraum und Möglichkeiten der Politiker tatsächlich sind und daß man nicht beliebig aus internationalen Verpflichtungen aussteigen kann …

Moralische Urteile ohneden hinlänglich deutlich gemachten Willen, die politische Konstellation ernst zu nehmen, ohne Nachweis von Sachverstand, sind der notwendigen Gemeinsamkeit derer nicht Rirderlich, die sich unermüdlich für die Friedenssicherung einsetzen.

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