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Gefragt ist ein starkes Amerika

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Kissinger unterzog sich mit der Durchführung seiner Afrika-Mission einer sehr undankbaren Aufgabe. Im Jahr der amerikanischen Präsidentschaftswahl kann er als Minister eines Präsidenten, dessen Bestätigung durch das \Vählervolk fragwürdig ist, keine bindenden Erklärungen abgeben und keine Wechsel auf die Zukunft ausstellen. Die Differenzen zwischen dem Weißen Haus und dem Kongreß sind allgemein bekannt, und im gegenwärtigen Stadium der Vorwahlen ist niemand in der Lage, mit Sicherheit vorauszusagen, welcher Kandidat schließlich das Rennen machen wird.

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Kissinger unterzog sich mit der Durchführung seiner Afrika-Mission einer sehr undankbaren Aufgabe. Im Jahr der amerikanischen Präsidentschaftswahl kann er als Minister eines Präsidenten, dessen Bestätigung durch das \Vählervolk fragwürdig ist, keine bindenden Erklärungen abgeben und keine Wechsel auf die Zukunft ausstellen. Die Differenzen zwischen dem Weißen Haus und dem Kongreß sind allgemein bekannt, und im gegenwärtigen Stadium der Vorwahlen ist niemand in der Lage, mit Sicherheit vorauszusagen, welcher Kandidat schließlich das Rennen machen wird.

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Dennoch ist die Frage, ob die Reise nicht besser unterblieben wäre, zu verneinen. Eine Weltmacht vom Format der Vereinigten Staaten kann es sich nicht leisten, dem Brennpunkt der Politik ein ganzes Wahljahr lang fernzubleiben. Die Absenz zum Zeitpunkt der Entscheidung im Angolakonflikt war schon kritisch genug. Hätten die Amerikaner weiterhin mangelndes Interesse an den Ereignissen in Afrika zur Schau getragen, so wäre ein doppelter Schaden die Folge: ihre Sympathisanten würden sich im Stich gelassen sehen und ihre Haltung überprüfen; die schwarzen Nationalisten aber würden in der jetzt schon weit verbreiteten Meinung bestärkt, daß sie ihre

Ziele am sichersten in Anlehnung an die dynamischere Sowjetunion erreichen könnten.

Verschiedene afrikanische Staatsmänner attestieren den Amerikanern, daß Afrika zur westlichen Einflußsphäre gehört. Das Auftreten Kissingers wurde nicht als Einmischung in fremde Angelegenheiten abqualifiziert. Eher zu verneinen ist allerdings die Frage, ob er die hier und dort genährten Hoffnungen erfüllen konnte.

Da es in Washington seit vielen Jahren kein befriedigendes Afrikakonzept gibt, muß ein solches erst erarbeitet werden. Angesichts der weltpolitischen sowie der regionalen Schwierigkeiten können Ford und

Kissinger in der derzeitigen Situation nur tastende Versuche in dieser Richtung unternehmen. Es geht ja nicht nur um die Theorie, sondern mehr noch um die Praxis; nicht nur um die Grundsätze, sondern auch um ihre Verwirklichung, um ihre Durchsetzung und um das Durchstehen aller Konflikte, die sich ergeben. Erst eine neue Regierung, die ihre Linie mit dem Kongreß abstimmen muß, wird dazu in der Lage sein.

Die zukünftige Afrikapolitik der USA wird zwangsläufig in der Spannung zwischen der engen Bindung an die von Weißen beherrschte Republik Südafrika und dem nicht wegzudiskutierenden, elementaren Drängen der Schwarzen nach Selbstbestimmung und Selbstregierung entwickelt werden müssen. Sie wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie diesen Interessengegensatz meistert

und den Betroffenen hilft, ihn selber zu verkraften.

Die Erkenntnis, daß die Interessen der Vereinigten Staaten und der Republik an der Südspitze Afrikas eng verflochten sind, gewinnt in maßgebenden politischen Kreisen der Neuen Welt wieder an Boden. 25 US-Senatoren richteten an Präsident Ford ein Schreiben, in dem sie für die Beendigung der Benachteiligung Südafrikas hinsichtlich der Lieferung von Waffen sowie der Finanz-und Wirtschaftspolitik eintraten. Es handelte sich nicht um eine Randgruppe, der Brief wurde auch vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Senator John Sparkman aus Alabama, unterzeichnet.

In der Tat ist die Wächterrolle Südafrikas am Kap der Guten Hoffnung für die westliche Welt lebenswichtig. Rund 26.000 Handelsschiffe

umfahren jährlich das Kap, und 57 Prozent der ölimporte Westeuropas gelangen auf diesem Wege zu ihren Zielhäfen, da Tanker über 60.000 Tonnen den Suezkanal nicht benutzen können. Der Kriegshafen Simons-town ist der einzige westliche Stützpunkt zwischen Gibraltar und Singapur. Nicht weit davon entfernt ist die „Silbermine“, das atombombensichere Befehlszentrum der südafrikanischen Streitkräfte. Dort wird der gesamte Schiffsverkehr rund um das Kap überwacht und einem Computer eingespeist. Die Kontrolle reicht weit in den Indischen Ozean sowie in den Südatlantik hinein. Nicht allein die Präsenz sowjetrussischer Marineeinheiten wird registriert, auch ihre Tätigkeit wird beobachtet und festgehalten.

Einen so wichtigen natürlichen Verbündeten kann Amerika nicht

aus doktrinären Gründen fallen lassen. Daher konnte Kissinger den schwarzen Staatsmännern, die er besuchte, nicht das sagen, was sie gerne gehört hätten. Er beschränkte sich vielmehr auf allgemein gehaltene Erklärungen, schlug vor, „afrikanische Lösungen in afrikanischem Rahmen“ zu suchen, und malte die Gefahren des Kommunismus in grellen Farben.

Die Reaktion war unterschiedlich. Während einige Gesprächspartner des US-Außenministers unmutig bemerkten, die Moralpredigt hätte er lieber an die Adresse Südafrikas richten sollen, zeigten sich andere relativ befriedigt.

In der Rhodesienfrage besteht bereits ein ausreichender Konsens in Amerika. Die Unhaltbarkeit der weißen Vorherrschaft liegt auf der Hand. Freilich ist die Zersplitterung

unter den ambitionierten Schwarzen so groß, daß man heute nicht einmal mehr weiß, mit wem am besten Verhandlungen geführt werden sollten. Die Gefahr einer ausländischen Einmischung nach dem Muster Angolas besteht latent. Nota bene sind die 15.000 Kubaner nicht abgezogen worden.

Das Fazit aller Überlegungen ist: nur ein starkes Amerika kann eine sinnvolle Afrikapolitik treiben.

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