6904486-1980_39_18.jpg
Digital In Arbeit

Gefragt sind Wissen, Können und Reife

Werbung
Werbung
Werbung

Auch wirtschaftliches Tun ist eine Form kulturellen Ausdrucks: Wie der Mensch Arbeitsaufgaben anpackt und vollzieht, welchen Sinn und Nutzen er in seiner Tätigkeit erkennt und welchen Einsatz er seinem Beruf zuwendet, welche Ziele er sich setzt und wie er seine Arbeit und die Zusammenarbeit mit anderen gestaltet, wird von seiner umfassenden menschlichen Bildung, seiner Gesamtschau auf das Leben und die Welt und seine Stellung darin bestimmt - nicht nur von seinem Wissen und Können.

Erfahrungsgemäß wird der in seiner ganzen Persönlichkeit entfaltete Mensch auch im Beruf bessere, für sich und seine Umwelt befriedigendere Ergebnisse erzielen als der einseitg auf bestimmte Funktionen geprägte Spezialist.

Den homo faber, den konstruktiv tätigen Menschen zu entwickeln, der wirtschaftlich produktiv wirken kann, heißt nicht, den homo ludens zu vernachlässigen. Auch aus der Sicht der Wirtschaft ist die kulturelle Anregung und Entwicklung, einschließlich der Hinführung zu musisch-kreativem Tun, unverzichtbares Element des Bildungskanons. Vertrautheit mit Werten und Werken unserer Kultur wird auch die Einstellung und Haltung zu beruflichem Tun beeinflussen. Umfassende kulturelle Bildung kann die Gefahr einer Persönlichkeitsspaitung zwischen bloßem Funktionsträger bei Arbeit und Broterwerb und vollem Mensch-Sein nur in der Freizeit bannen.

Bildung, die zu einer ethisch fundierten Haltung zu Menschen und Umwelt, zu entsprechend überlegter Zielstrebigkeit, Entschluß- und Tatkraft bei Problemlösungen führt, ist für das Arbeitsverhalten entscheidend. Diese Bildung muß - oder sollte! - zum großen Teil in der Familie angelegt werden. Dennoch kommt dem Schul- und Hochschulwesen als Zubringer zur betrieblichen Berufsausbildung und laufenden Weiterbildung auch ein gerüttelt Maß an dieser umfassenden Bildungsaufgabe zu,deren bessere Erfüllung man sich wünschen möchte.

Nicht die Zahl der Schul- (oder Hochschul-)Jahre, nicht die Zahl und Art der Fächer entscheiden über die hier gemeinte Entfaltung junger Menschen nach ethisch-kulturellen Gesichtspunkten. Maßgeblich sind in erster Linie die Lehrerpersönlichkeiten. In der Wirtschaft ist die Qualität der Führungskräfte ein entscheidender Faktor für Leistungsfähigkeit und Erfolg - hohe menschliche Qualität der Lehrer ist ein Hauptkriterium dafür, ob Schul- und Hochschulbildung über die notwendige, fachlich hochwertige Wissensvermittlung hinaus auch die wünschenswerte Menschenbildung erzielt. Mut zur Erziehung tut not!

Das Gesagte gilt für den Pflichtschüler, der als Lehrling seinen Bildungsweg fortsetzt, wie für die Absolventen mittlerer und höherer berufsbildender Schulen, für AHS-Maturanten und Hochschulabsolventen. Ebenso gilt für alle Bildungswege ein Wort von Alfred N. Whitehead: „Ziel der Bildung ist es, die Kunst der Anwendung von Wissen zu erwerben!" Der Bezug der Theorie auf die Praxis ist zu fordern und zu fördern. Die Wirtschaft befürwortet daher immer wieder, daß Bildungswege durch Praktika angereichert werden.

Ebenso gilt für alle: Lernfähigkeit und -bereitschaft müssen angelegt und gefestigt werden. Keiner wird auf seinem Berufsweg ohne Weiterbildung auskommen. Jeder muß mit technischen, wirtschaftlichen und sozialen Neuentwicklungen rechnen, die Änderungen in bestehenden Berufen oder die Notwendigkeit des Umsteigens auf ganz neue Berufe bewirken. Man denke an die noch nicht ganz absehbaren Folgen der Mikroprozessortechnik. Aber Flexibilität und Mobilität können verhindern, daß Berufswege zur Sackgasse werden.

Abgesehen von den geschilderten notwendigen allgemeinen Dispositionen werden vom Berufsanfänger natürlich, je nach Schulabschluß und Berufsziel, bestimmte Qualifikationen erwartet. Hier sei vor allem vom Pflichtschulabgänger die Rede - je besser sein Bildungsergebnis, desto leichter auch der Erwerb von weiteren Qualifikationen! Daß die Beherrschung der Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen und vor allem eine gute mündliche Aus-drucksfähigkeit erwartet wird, sollte man gar nicht erwähnen müssen.

Man muß es aber leider tun, denn die Erwartung wird häufig enttäuscht. Berufsleben ist Kooperation und diese erfordert Kommunikation - wie soll sie erfolgreich sein ohne aktive und passive Sprachbeherrschung? Auch Zuhören und Verstehen gehören dazu! Mathematische Methoden sind die Problemlösungstechnik in weiten Bereichen der Arbeitswelt - wie kann ein Mensch hier bestehen ohne fundamentale Rechenfertigkeit und einem Minimum an mathematischem Verständnis? In zunehmendem Maß ist auch vom Pflichtschulabsolventen die Kenntnis einer Fremdsprache zu erwarten und für das Fortkommen im kaufmännischen wie technischen Bereich von Vorteil.

Manuelles Geschick sollte im Pflichtschulalter - auch an AHS-Un-terstufen! - zur Berufsvorbereitung wie auch Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden. Das kann mit der Entwicklung rationellen Arbeitsverhaltens - Aufgaben- und Problemanalyse, Arbeitsplanung, Informationssammlung und -Verwendung, Eigeninitiative und Kooperationsfähigkeit - gekoppelt werden. Aufmerksamkeit, Arbeitsgenauigkeit, Ausdauer und Verantwortungsbewußtsein sind gefragt. Interessant eine Meinungsumfrage, die zeigte, daß nicht nur die Wirtschaft, sondern breite Kreise der Bevölkerung als besonders wichtige Bildungsziele Wissensdurst und Ehrgeiz, aber auch Selbstdisziplin und Einsatzbereitschaft für andere ansehen.

In einer arbeitsteiligen Wirtschaft, in der alle auf alle angewiesen sind, sollten junge Menschen verstehen, daß solche Einsatzbereitschaft sich besonders auch in korrektem und verantwortungsbewußtem Arbeitsverhalten (etwa Einhaltung von Qualitätsstandards und Fristen) zu manifestie*-ren hat. Eine OECD-Studie über Anforderungen des Arbeitslebens an die Bildungsgänge vermerkt dies ausdrücklich - dazu auch die Forderung, daß junge Menschen gelernt haben müßten, Aufsicht und Kontrolle zu akzeptieren.

Unternehmen der Wirtschaft werden mehr und mehr zu Bildungsstätten -Lehrlingsausbildung, Einschulung von Maturanten und Akademikern, laufende berufliche Weiterbildung nehmen breiten Raum ein. Die Wirtschaft wünscht sich von den vorgelagerten Bildungsstufen, daß sie ein tragfähiges Fundament für Lern- und Bildungsprozesse im Arbeitsleben schaffen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung