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Gegen den Geist der Lehre Christi

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Der Beitrag von Prof. Wolfgang Waldstein (FURCHE 15/1987) darf um der Lehre Christi willen, auf die sich der Autor beruft, nicht unwidersprochen bleiben. Zuerst sei betont, daß ich von ihm annehme, daß er im guten Glauben gehandelt hat, was er bei den Bischöfen zumindest offenläßt. Eine zweite Vorbemerkung wird ihm vielleicht noch wichtiger sein: Ich bin wie er überzeugt, daß die Kirche keine bloße Demokratie ist, in der die Menschen, die ihr durch Geburt oder durch Erwerb der Staatsbürgerschaft unter minimalen Voraussetzungen angehören, bestimmen, was die geistigen Grundlagen der Gemeinschaft sind und ob es überhaupt solche gibt, die für alle verbindlich sind. Eine Kirche, in der Platz für alle sein muß, die unter unge - nügenden Voraussetzungen (Kindertaufe und -firmung) in sie aufgenommen wurden und — jeder einzelne oder jede Gruppe — für sich selbst bestimmen wollen, was für das Christsein wesentlich sein soll, ist nicht die Kirche Christi Doch um so wichtiger sind die Fragen: Was ist diese gemeinsame verbindliche Basis des Glaubens und wie wird sie gefunden? Im Bereich der zweiten, auf die wir hier allein eingeheri können, liegt nun bei Prof. Waldstein offensichtlich ein fundamentaler theologischer Irrtum vor: Er behandelt päpstliche Schreiben wie „Humanae vitae“ oder „Familia- ris consortio“ so, als ob sie Dogmen oder feierliche Konzilsbeschlüsse wären, die eine gegenteilige Auffassung bzw. ihre Vertreter aus der Kirche ausschließen. Jene Äußerungen des päpstlichen Lehramts sind zwar gewissenhaft ernst zu nehmen und die angege- . bene Begründung ist gründlichst zu überlegen. Aber wenn diese entkräftet werden kann (oder hinfällig wird) und gewichtige Gegengründe vorliegen, kann (und muß) jeder Christ seinem persönlichen Gewissen folgen und darf sich dennoch zur Kirche zählen. Was für einzelne Christen gilt, gilt auch für Bischöfe und Bischofskonferenzen. Nichtdogmatische Lehräußerungen disziplinär so einzufordern, als ob sie Grundlagen des Christseins betreffen, verstößt gegen die Lehre Christi (vgl. Markusevang. 2/27). Die Kirche hat das bereits beim Apostelkonzil erkannt (vgl. Apo- stelgesch. 15,1-35). Daher gilt es auch heute (selbst wenn es sich heute wie damals nur so verwirk lichen ließe, daß Gemeinden mit verschiedenen Auffassungen nebeneinander bestehen).

Es würde den Rahmen eines Briefes sprengen, die Gründe anzuführen, warum die Mehrheit (etwa 80 Prozent) der Fachleute, die den Papst vor der Entscheidung in der Frage der Empfängnisregelung berieten, der gegenteiligen Auffassung waren als jene, die in der Enzyklika „Humanae vitae“ vertreten wird. Auf alle Fälle muß festgestellt werden, daß mit der von der Kirche erlaubten und propagierten Methode der Zeitwahl jedenfalls die Absicht zulässig ist, in der Ehe geschlechtlich zusammenzukommen mit dem Willen, dabei kein Kind zu zeugen. Damit reduziert sich das Problem auf die Erlaubt- heit der Mittel. Ähnlich vertreten auch in der Frage des Umgangs mit den wiederverheirateten Geschiedenen viele Exegeten und Moraltheologen die gut begründete Ansicht, daß die Kirche diese unter entsprechenden Voraussetzungen zu den Sakramenten zulassen kann, ohne damit die Unauflöslichkeit der Ehe preiszugeben.

DDr. Paul Weß 1020 Wien, Machstr. 8-10

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