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Gegen die Ideologie

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Frankreichs „Neue Philosophen“, nach fulminantem Start in den siebziger Jahren bald wieder totgesagt, geben neue Lebenszeichen von sich.

Hatte Andrė Glucksmanns Plädoyer für die Abschrek- kung iftid für die nukleare Aufrüstung in Europa das Weltbild der deutschen Pazifisten bereits gründlich durcheinandergewirbelt, so bleibt auch seine Abrechnung mit der „deutschen Ideologie“ des 19. Jahrhunderts weiterhin aktuell.

Die in Neuausgabe erschienenen .Meisterdenker“ zeichnen den Diskurs der Macht- nach und entlarven das deutsche Denken des 19. Jahrhunderts als theoretische Rechtfertigung des totalitären Terrors der Gegenwart. Ob Fichte, Hegel, Marx oder Nietzsche — sie alle haben den Kult des Staates und der Revolution vorbereitet und damit dem Terror die entscheidenden theoretischen Waffen geliefert. Unter dem Zeichen der Freiheit hebt hier die allgemeine Unterdrückung des einzelnen durch den Staat an. Die sowjetischen Straflager sind kein Betriebsunfall, entstanden durch eine Verunreinigung der reinen Lehre von Marx, sondern deren logische Konsequenz.

Die Totalitarismuskritik, die der ehemalige ultraradikale Glucksmann, Galionsfigur der 1968er-Bewegung, hier vollzieht, hat beträchtlichen Staube auf gewirbelt. Das theoretische Fundament seines Antimarxismus, das Glucksmann in den „Meisterdenkern“ darlegt, kann als einzigen Ausweg nur den .Dissidenten“ nahelegen: denjenigen, der ohne Programm, ohne Gegenideologie, ohne Macht Widerstand leistet, so wie der Jude, der ewige „Störenfried“ der abendländischen Geschichte. Glucksmanns Credo: Es gilt dem Totalitarismus und Absolutismus gegenüber auf das Individuum und seine Freiheit zu setzen.

DIE MEISTERDENKER. Von Andrė Glucksmann. DVA, Stuttgart 1987, 317 Seiten, öS 296,-.

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