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Gegen ein unmenschliches Gesetz

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Das Unterstützungsverfahren des Volksbegehrens der „Aktion Leben“ für ein Bundesgesetz zum Schutz des menschlichen Lebens läuft; nunmehr in allen Bundesländern auf Hochtouren. Zuletzt ist es ch in der Steiermark — dort erfreulicherweise unter Beteiligung datier *m Parlament vertretenen Parteien, ein Ausfluß des „steirischen Klimas“ — angelaufen. In den ersten Tagen und Wochen der Werbung für die Unterschriften auf den Unterstützungserklärungen konzentrierten sich die Anfragen und die öffentliche Diskussion auf formale Fragen, wie etwa darauf, wer in der Gemeinde zur Bestätigung der Unterschrift berechtigt ist —- der Bürgermeister kann selbständig im Rahmen seines Wirkungsbereiches auch andere Personen mit der Bestätigung beauftragen; ob der Bürgermeister berechtigt; ist, bei Bedarf auch andere als die normalen Amtsräume zu Räumen der Gemeindebehörde zu erklären. Er darf •—und anderes mehr.

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Das Unterstützungsverfahren des Volksbegehrens der „Aktion Leben“ für ein Bundesgesetz zum Schutz des menschlichen Lebens läuft; nunmehr in allen Bundesländern auf Hochtouren. Zuletzt ist es ch in der Steiermark — dort erfreulicherweise unter Beteiligung datier *m Parlament vertretenen Parteien, ein Ausfluß des „steirischen Klimas“ — angelaufen. In den ersten Tagen und Wochen der Werbung für die Unterschriften auf den Unterstützungserklärungen konzentrierten sich die Anfragen und die öffentliche Diskussion auf formale Fragen, wie etwa darauf, wer in der Gemeinde zur Bestätigung der Unterschrift berechtigt ist —- der Bürgermeister kann selbständig im Rahmen seines Wirkungsbereiches auch andere Personen mit der Bestätigung beauftragen; ob der Bürgermeister berechtigt; ist, bei Bedarf auch andere als die normalen Amtsräume zu Räumen der Gemeindebehörde zu erklären. Er darf •—und anderes mehr.

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Gelegentlich vorkommende Fälle ungeschickter Formulierungen in der Werbung für das Volksbegehren wurden von sozialistischer Seite teils so hoch gespielt, daß damit der sicherlich ungewollte Effekt eintrat, daß das Volksbegehren seit Beginn der Werbung aus den Spalten der Tages- und Wochenpresse nicht mehr verschwunden ist. Es wird allerdings zu gegebener Zeit noch zu prüfen sein, wer sieli hier stärker im Ton vergriffen hat, weil nicht zuletzt auch die Wertigkeit des einzelnen Falles eine Rolle spielt, und wie das mit dem Auf reißen von Gräben wirklich ist. Für das noch ausstehende Haupt- (Eintragungs-)verfahren des Volksbegehrens könnte es sich möglicherweise aber als nützlich erweisen, eine Art „Wahlkampf Übereinkommen“ zu schließen, das Auswüchse von vornherein hintanhält und es gar nicht erst notwendig macht, sich nachträglich den Schwarzen Peter zuzuschieben.

Inzwischen hat aber die Diskussion über die Sachkihalte des Volksbegehrens die formalen Fragen überlagert. Eine im Fernsehen ausgestrahlte Diskussion und die unmittelbar vorher ergangene Erklärung der Glaubenskongregation zur Abtreibungsfrage haben diese Diskussion entsprechend angereichert.

Das Volksbegehren stellt. auf ein Bundesgesetz zum Schutz , des menschlichen Lebens ab. Ziel des Volksbegehrens ist also der umfassende Schutz des menschlichen Lebens in jeder Phase seiner Existenz, wie es der Artikel 1 des Volksbegehrensentwurfes als Verfassungsbestimmung vorsieht. Jede Maßnahme, die im Zuge der weiteren Artikel vorgeschlagen wird, dient diesem Ziel;

seien es Erziehungs-, sozialpolitische oder strafrechtliche Maßnahmen.

Es ist daher falsch und eine Unterstellung, dem Volksbegehren vorzuwerfen, daß es grundsätzlich nur auf die Bestrafung der Frau aus ist. Das Volksbegehren verzichtet nicht auf eine Aussage zum Strafrecht, weil es dieses auch für eine Maßnahme zur Bildung eines richtigen Rechtsbewußtseins in der Bevölkerung hält, geht aber mit seinen Vorschlägen weit darüber hinaus. Unkenntnis oder böser Wille kann es nur sein, wenn dem Volksbegehren vorgeworfen wird, es zerre jede Frau wieder vor Gericht und treibe damit die Dunkelziffer hoch. Selbstverständlich kann nur ein objektives Gericht feststellen, ob die Frau und die Beteiligten zu bestrafen sind oder nicht, doch heißt dies keineswegs, daß damit eine öffentliche Hauptverhandlung stattfinden muß. Der Text spricht ausdrücklich, davon, daß das Verfahren „unabhängig von der Lage, in der es sich befindet, zu beenden ist“, wenn die im Gesetz genannten Voraussetzungen gegeben sind.

Die Vorwürfe gegen den Volksbegehrenstext kommen aber nicht nur von der Seite der Befürworter der Fristenlösung, sondern auch von der Seite jener, die den Volksbegehrenstext für zu weitgehend halten. Diese vermuten in dem bereits zitierten vatikanischen Dokument eine römische Absage an das Volksbegehren und leiten damit Wasser auf die Mühlen der Fristenlösungsbefürworter. Kardinal König nimmt in einem Interview zu den beiden Kernpunkten dieser Vorwürfe Stellung (siehe Seite 10).

Zur Frage, wieweit die medizinische Indikation gerechtfertigterweise im Volksbegehrenstext enthalten ist, heißt es zunächst im vatikanischen Dokument: „Das göttliche Gesetz und die natürliche Vernunft schließen also jedes Recht aus, einen unschuldigen Menschen zu töten. Wenn jedoch die vorgebrachten Gründe des Schwangerschaftsabbruches immer schlecht und wertlos wären, wäre das Problem nicht so dramatisch. Seine schwerwiegende Bedeutung rührt daher, daß in bestimmten Fällen die Verwicklung des Schwangerschaftsabbruches wichtige Güter verletzt, die man normalerweise schätzt und die selbst bisweilen vorrangig erscheinen mögen. Wir verkennen diese große Schwierigkeit nicht. Es kann sich vielleicht um eine schwerwiegende Frage der Gesundheit handeln, zuweilen von Leben und Tod der Mutter.“ Kardinal König führt dann selber weiter aus, daß man zwischen strafrechtlicher Beurteilung und ethischer Bewertung unterscheiden müsse und daß durch den Fortschritt der Wissenschaft die Fälle echter medizinischer Indikation überaus selten geworden seien. Schließlich müsse man bedenken, daß von der kirchlichen Auffassung immer ein Unterschied gemacht worden ist zwischen der objektiven Norm und der subjektiven Gewis- seneffiĮ’C’hfk’uns elnes Arzies* 5«r be-(. troffenen Frau, die in der löijsfcher» Gefahr schwebt.

Zu der im Volksbegehren enthaltenen Formulierung der allgemein begreiflichen, für die Schwangere nicht anders abwendbaren außergewöhnlich schweren Bedrängnis, bei der von Bestrafung abzusehen ist, handelt es sich um einen Strafausschließungsgrund und keinesfalls um eine moralische Billigung. Das ist ja der Kern des Volksbegehrens in strafrechtlicher Hinsicht, daß das Leben grundsätzlich und objektiv in jeder Phase geschützt bleibt, nicht aber in jedem Fall Strafe zur Anwendung kommt. Das anerkennt ausdrücklich auch das vatikanische Dokument. „Es ist, richtig, daß das staatsbürgerliche Gesetz nicht die Absicht haben kann, den ganzen Bereich der Ethik zu schützen oder alle Vergehen zu bestrafen, niemand verlangt das von ihm.“ Und: „Das menschliche Gesetz kann auf eine Bestrafung verzichten, es kann aber nicht für unschuldig erklären, was dem Naturgesetz widerstreitet.“

Diese eindeutigen Feststellungen lassen nur mehr für jene, die Zwietracht säen wollen, den Schluß zu, das Volksbegehren sei in seinem Kern mit dem vatikanischen Dokument unvereinbar und fordern geradezu jeden auf, der die Fristenlösung für eine schlechte Lösung hält, sich mit seiner Unterschrift für die bessere Lösung, die das Volksbegehren anbietet, zu entscheiden. Noch ist .es Zeit, sich bereits im Vorverfahren durch die Unterschrift auf der Unterstützungserklärung vor der zuständigen Gemeindebehörde (beim zuständigen Mag. Bezirksamt in Wien nur mehr bis zum 20. Dezember) oder vor einem Notar zu diesen Zielen zu bekennen. Die politische Situation wird die Entscheidung über den Zeitpunkt für die Durchführung des Eintragungsverfahrens zweifellos mit beeinflussen. Um so notwendiger ist es, daß möglichst viele Staatsbürger bereits im Vorverfahren die Unterstützungserklärung unterzeichnen und so schon im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Fristenlösung (1. Jänner 1975) ihre Ablehnung ‘ dieses unmenschlichen Gesetzes dokumentieren.

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