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Gegen Mehrbelastung der Steuerzahler

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Es ist gar keine Frage, daß eine stärkere Betonung des Föderalismus im österreichischen Staatsgefüge im Interesse einer freiheitlichen, bürgernahen Ordnung steht, dem Subsi-diaritätsprinzip entspricht und von der österreichischen Volkspartei mit Recht immer wieder vertreten wird. Es ist auch keine Frage, daß eine Verlagerung von gewissen Kompetenzen vom Bund auf die Länder in manchen Bereichen der zu regelnden Materie dienen würde und eine solche Kompetenzübertragung mit der Übertragung der entsprechenden finanziellen Ressourcen verbunden sein muß.

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Es ist gar keine Frage, daß eine stärkere Betonung des Föderalismus im österreichischen Staatsgefüge im Interesse einer freiheitlichen, bürgernahen Ordnung steht, dem Subsi-diaritätsprinzip entspricht und von der österreichischen Volkspartei mit Recht immer wieder vertreten wird. Es ist auch keine Frage, daß eine Verlagerung von gewissen Kompetenzen vom Bund auf die Länder in manchen Bereichen der zu regelnden Materie dienen würde und eine solche Kompetenzübertragung mit der Übertragung der entsprechenden finanziellen Ressourcen verbunden sein muß.

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Was jedoch zur Sorge Anlaß gibt, ist die Forderung nach einem neuen Steuerfindungsrecht der Länder, wie es derzeit offenbar im Vordergrund dieser Debatte steht. Diese überrascht an sich nicht, betrifft doch die Uberforderung des Staates und die daraus resultierende Finanzkrise den Staat auf allen seinen Ebenen (auch die Bundesländer und Gemeinden) und sehen die Vertreter aller Gebietskörperschaften in erster Linie ihre budgetären Probleme.

So verständlich also eine solche Forderung vom Standpunkt der fiskalischen Interessen der Länder ist, so sehr aber muß diese Frage auch im Zusammenhang mit der Problematik der gesamten Steuerbelastung in Österreich gesehen werden. Mit

Recht spricht sich die ÖVP in ihrer großen politischen Linie gegen eine weitere Uberforderung des Staates und gegen die daraus resultierende rasche Zunahme der Steuerquote (Anteil aller Staatsabgaben am Sozialprodukt) aus. Die Steuerquote hat sich im letzten

Jahrzehnt von 36,5 Prozent (1971) auf 40,1 Prozent (1979) erhöht und wurde für 1980 mit 40,5 Prozent prognostiziert. Dabei ist die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge ab 1. Jänner 1980 noch nicht berücksichtigt, durch die eine weitere Erhöhung um 0,4 Prozentpunkte erwartet wird. Unter den an den Einnahmen beteiligten öffentlichen Körperschaften hat sich der Anteil der Länder an den gesamten öffentlichen Einnahmen mit einem Wachstum von 10,5 auf 13,3 Prozent (siehe nebenstehende Tabelle) am stärksten erhöht.

Ich glaube, daß die ÖVP, um mit ihren Zielsetzungen nicht selbst in Widerspruch zu geraten, auch in der Föderalismusdiskussion darauf achten sollte, daß eine Erweiterung der Steuerhoheit der Länder nicht zu einer zusätzlichen Erhöhung der gesamten Steuerbelastung der Staatsbürger führt.

Die Erkenntnis, daß die Besteuerung in Österreich die Grenzen der Belastbarkeit des Staatsbürgers erreicht hat, wird weit über die Opposition hinaus immer mehr erkannt. Mit Recht spricht sich die ÖVP daher gegen die Einführung neuer Steuern aus und bemüht sich, für die Senkung bestehender Steuern plausibel einzutreten. Das muß auch im Falle neuer Landessteuern gelten.

Die vielfach vertretene Meinung, daß mehr Föderalismus, d. h. größere Nähe zum Staatsbürger, auch eine höhere Steuerquote rechtfertigt, da es lediglich der Mangel an Transparenz der Mittelverwendung auf Bundesebene ist, der die Kritik des Steuerzahlers hervorruft, verkennt die Umstände vollständig, die einfach darin liegen, daß die Diskrepanz zwischen Brutto- und Nettoeinkommen eine Höhe erreicht hat, die die Lei-stungsbereitschaft der Steuerzahler spürbar beeinträchtigt.

Die Meinung ferner, daß sich jeder Staatsbürger nach Ubersiedlung in ein anderes Bundesland einer zu hohen Besteuerung entziehen kann und damit dem Steuerfindungsrecht der Länder enge Grenzen gesetzt sind, ist angesichts der in Österreich beson-

ders ausgeprägten Immobilität reine Theorie, wie schon jetzt die Wiener Verhältnisse zeigen. Angesichts der tristen Finanzlage Wiens als Stadt und Bundesland wäre eine maximale Ausschöpfung eines neuen Steuer-findungsrechts nicht zuletzt zu Lasten der Wirtschaft sehr wahrscheinlich.

In einem Interview mit der „Arbeiter-Zeitung" vom 12. Jänner 1980 hat der Wiener Stadtrat Hans Mayr aber nicht nur die Forderung nach mehr Steuerrechten für die Länder und Gemeinden vertreten, sondern gleichzeitig als „Grundbedingung" verlangt, daß die Stärkung der finanziellen Autonomie der Länder und Gemeinden die Steuererträge des Bundes nicht schmälern darf. Demnach ist zu befürchten, daß die Föderalismusdebatte unter den gegebenen Umständen zu Lasten des Steuerzahlers zu einer weiteren Expansion der Staatstätigkeit führen wird.

Ein neues Steuerfindungsrecht der

Länder müßte daher erstens mit einer Aufgabenübertragung von der Bundes- auf die Länderkompetenz und zweitens mit einer Übertragung von Besteuerungsrechten des Bundes auf die Länder bzw. Steuerverzichten des Bundes verbunden sein, so daß - bei einer zurückhaltenden Steuerpolitik in den Ländern - zumindest eine Chance besteht, daß eine Erhöhung der Belastungsquote durch die Länder durch einen entsprechenden Rückgang der Belastungsquote des Bundes (im weitesten Sinn) in etwa kompensiert wird.

Sehr ernste grundsätzliche Bedenken gegen eine Ausweitung der Kosten der staatlichen Verwaltung sprechen gegen die Forderung, zusätzlich zu den föderalistischen Ebenen der Gemeinden, der Bundeslän-

der, der bundesstaatlichen Zentralorgane und übernationaler regionaler Organisationseinheiten auch noch die Bezirksverwaltungen mit einer Autonomie auszustatten. Die Bezirksverwaltungsbehörden sind lediglich weisungsgebundene Vollzugsorgane.

Mit denselben Argumenten könnte man eine „Demokratisierung" der einzelnen Sektionen des Finanzministeriums oder der regionalen Finanzlandesdirektionen verlangen. Für den überkommunalen Selbstverwaltungsbedarf haben sich die Gemeindeverbände unter der Leitung gewählter Funktionäre bestens bewährt.

DDr. Karl Kehrer ist Generalsekretär der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft.

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