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Gegen Parteireform, für Politikreform

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Radikale Änderung der politischen Fragestellungen, Umbau der Partei in eine Mitarbeiterpartei, in der jeder nach dem Motto „laßt tausend bunte Blumen blühen...“ eine konkrete Aufgabe übernimmt, und mehr Mut zu Persönlichkeiten in der Kandidatenaufstellung: Das sind Erhard Buseks Vorschläge zur Genesung der Volkspartei. Die Therapie bezeichnet der Wiener Vizebürgermeister nicht als Parteireform, sondern als Politikreform. Das FURCHE-Gespräch mit ihm führte Alfred Grinschgl. Die beiden anderen Beiträge auf dieser Seite sind auch der ÖVP-Reform gewidmet: Der bekannte Wiener Psychologe Wilfried Daim sowie der frühere ÖVP-Abgeordnete Univ.-Prof. Josef Frühwirth geben darin ihre persönliche Meinung wieder.

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Radikale Änderung der politischen Fragestellungen, Umbau der Partei in eine Mitarbeiterpartei, in der jeder nach dem Motto „laßt tausend bunte Blumen blühen...“ eine konkrete Aufgabe übernimmt, und mehr Mut zu Persönlichkeiten in der Kandidatenaufstellung: Das sind Erhard Buseks Vorschläge zur Genesung der Volkspartei. Die Therapie bezeichnet der Wiener Vizebürgermeister nicht als Parteireform, sondern als Politikreform. Das FURCHE-Gespräch mit ihm führte Alfred Grinschgl. Die beiden anderen Beiträge auf dieser Seite sind auch der ÖVP-Reform gewidmet: Der bekannte Wiener Psychologe Wilfried Daim sowie der frühere ÖVP-Abgeordnete Univ.-Prof. Josef Frühwirth geben darin ihre persönliche Meinung wieder.

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FURCHE: Unmittelbar nach der Wahlniederlage vom 6. Mai hat die Volkspartei eine Parteireform angekündigt. Was spricht dafür, daß es dieser Parteireform besser ergeht als jenen nach den Mißerfolgen von 1970, 1971 und 1975?

BUSEK: Man muß zu jedem dieser Reformansätze sagen, daß etwas geschehen ist. 1971 hat es mit dem nach wie vor guten „Salzburger Programm“ sowie mit der Organisationsreform durch das Umstrukturieren von Bünden zu Teilorganisationen einen Teilfortschritt gegeben. 1976 hat es immerhin die Schaffung des Seniorenbundes gegeben, sodaß ich eher meine, daß wir 1979 nicht eine Parteireform, sondern eine Politikreform der Volkspartei zu leisten haben.

Unter Politikreform verstehe ich die Überlegungen und die Darstellung dessen, worum es der Volkspartei geht. Ich meine, daß der Weg dorthin führen muß, den Menschen bei der Bewältigung verschiedener Lebensbereiche zu helfen. Das sind etwa Ehe und Familie, Schule und Erziehung sowie das Verhältnis Bürger und Staat. Der Einsatz der Volkspartei und ihrer Mitarbeiter muß glaubwürdig die Dienstfunktion der Politik zur Bewältigung dieser Probleme darstellen.

FURCHE: Immer wieder ist zu hören, die Alternative für die Volkspartei laute: Entweder Rechtsruck frei nach Margaret Thatcher bzw. Franz Josef Strauß oder eine Art „Mittelinks-Kurs“.

BUSEK: Ich halte die Einteilung in „links“ und „rechts“ heute für überholt. Ich glaube, daß es vielmehr um radikale Änderungen der politischen Fragestellungen geht. Die Fragestellungen der achtziger Jahre sind für mich das Verhältnis der Menschen zur Natur, das Verhältnis der Menschen zueinander, das Verhältnis der Menschen zu Staat und Parteien.

FURCHE: Ihre Darstellung der politischen Fragestellungen der Zukunft legt den Schluß nahe, daß die Tage der sozialistischen Parteien gezählt sind.

BUSEK: Die sozialistischen Parteien sind heute Parteien, die die Politik konservieren und fortschreiben.

Das sieht man in der Kommunalpolitik, in der Energiepolitik, in der Wohnungspolitik und in der Wirtschaftspolitik. Sozialistische Politik ist heute quantitätsorientiert. Die Zukunft hegt aber in der Qualität des Lebens. Sozialistisch ist die Poütik der Regierung Kreisky in der Schaffung von mehr Abhängigkeiten vom Staat, um die das Mäntelchen der scheinbaren Schaffung von mehr Gerechtigkeit gehängt wird. Kreisky löst meines Erachtens seine eigene Partei zunehmend auf.

FURCHE: Die von Ihnen angesprochenen neuen Fragestellungen erfordern aber einen politischen Weitblick, der nicht beim nächsten Wahltermin endet.

BUSEK: Die Volkspartei muß einen längerfristigen Horizont bekommen. Dazu gehört sicher ein Erfolg 1983, mehr noch aber die Erkenntnis, welche Weichenstellungen zur Erreichung von mehr Menschlichkeit unseres Zusammenlebens in den neunziger Jahren notwendig sind.

Die Aufgabe der Volkspartei wird darin bestehen, diese neuen Aufgaben sprachlich zu besetzen und durch die Arbeit und durch konkrete Beispiele sichtbar zu machen, wie es „Pro Wien“ schon seit längerer Zeit tut: Hilfe für die Familie bedeutet Tagesmütter, Erziehung bedeutet ein durchschaubares Schulsystem und weniger Nachhilfestunden ...

FURCHE: Es hat sich gezeigt, daß die Volkspartei eine riesige Mitgliederpartei ist, die aber nicht imstande ist, mit ihren Mitgliedern etwas anzufangen. Ist es wirklich das höchste Ziel, Mitglieder zu horten, ohne mit ihnen etwas anfangen zu können?

BUSEK: Wir müssen den Weg zur Mitarbeiterpartei gehen: Nur der gehört zur Volkspartei, der auch eine konkrete Aufgabe in ihrem Sinne übernimmt. Damit haben wir in Wien die besten Erfahrungen gemacht.

FURCHE: Mit ihrer Politik und auch mit ihren Funktionären betreibt die Volkspartei fast ausschließlich ein Kernschichten-Programm. Wo sind die Kirchschlägers, die Lütgendorffs, die Pahrs der Volkspartei?

BUSEK: Ich glaube, daß eine politische Partei vor allem Mut zu Persönlichkeiten haben muß. Das gilt für die Kandidatenaufstellung genauso wie für die Schaffung von Gesprächssituationen mit den verschiedensten Bereichen. Ich glaube, daß Kultur und Wissenschaft hier viel zu geben haben. Die Volkspartei muß das Gespräch dazu suchen.

FURCHE: Ihre Vorschläge laufen darauf hinaus, daß die führenden Persönlichkeiten der Volkspartei noch stärker in den Vordergrund gerückt werden. Ist das beabsichtigt?

BUSEK: Vieles deutet darauf hin, daß die Persönlichkeit noch stärker durchkommt. Das ist auch ein Ergebnis der Medienlandschaft. Ich möchte dem dadurch entgegenkommen, daß mehr Funktionäre mit in den Vordergrund gerückt werden.

Daher werde ich auch weiter auf den Einer-Wahlkreisen herumtrampeln. Jeder Mandatar soll seinen Sprengel bekommen, für den er direkt verantwortlich ist.

FURCHE: So könnte das Leistungsprinzip in der Politik auch ein wenig zu Ehren gelangen.

BUSEK: Ich möchte mit einer klaren Leistungsvorgabe arbeiten. In Wien machen wir das schon so. Die Bezirksfunktionäre haben ihre genauen Aufgaben, die mit ihnen abgesprochen werden. So weiß man, die Partei hat in der und der Zeit das zu tun. Jeder Bezirk bekommt ein auf seine Besonderheiten abgestimmtes Programm.

FURCHE: Wie soll sich die Volkspartei Ihrer Meinung nach der Regierungspartei gegenüber verhalten? BUSEK: Die Sozialisten loben und durchaus anerkennen, wenn wo etwas geschehen ist; und neue Aufgaben noch entdecken. In Wien machen wir das so mit dem Zilk: Wir loben ihn und fordern: noch mehr! Ein weiterer Vorschlag ist, daß ich mich auf alles draufsetze, was unser Verdienst ist. Ein Beispiel in Wien: die Vorortelinie. Das ist mein Erfolg - die Volkspartei hat sie immer schon gefordert, jetzt kommt sie.

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