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Digital In Arbeit

Gegen Systemzwänge

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Anläßlich einer von der Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialismus (AC US, siehe auch Stichwort, S. 2) kürzlich in Wien veranstalteten Tagung hielt der Leiter der Katholischen Sozialakademie Bücheleein Referat. Obwohl einige Feststellungen zum Widerspruch herausfordern mögen, schien eine auszugsweise Wiedergabe wegen der grundsätzlichen Bedeutung der gemachten A ussagen wertvoll. Bücheies Ausführungen werden durch die Eindrücke zweier Teilnehmer der Tagung ergänzt.

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Anläßlich einer von der Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialismus (AC US, siehe auch Stichwort, S. 2) kürzlich in Wien veranstalteten Tagung hielt der Leiter der Katholischen Sozialakademie Bücheleein Referat. Obwohl einige Feststellungen zum Widerspruch herausfordern mögen, schien eine auszugsweise Wiedergabe wegen der grundsätzlichen Bedeutung der gemachten A ussagen wertvoll. Bücheies Ausführungen werden durch die Eindrücke zweier Teilnehmer der Tagung ergänzt.

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Die nuklearen und bakteriologischen Waffensysteme und Waffenarsenale, die wachsende Zerstörung unseres ökologischen Systems auf Grund des expo-nentiellen Wirtschaftswachstums, und die gegenseitige Aufschaukelung von Rüstung und Gen-Manipulation, bedrohen die Menschheit mit dem kollektiven Tod.

Und der Tod der seelischen Verstümmelung, der Tod des seelischen Erstik-kens wird er nicht mehr und mehr -mitten im materiellen Uberfluß - zu einem allgegenwärtigen, schrecklichen Tod, dieser Tod der Beziehungslosig-keit, dieses Totsein mitten im Leben?

Die Menschheit baut im Götzendienst ihren Tempel, d. h. in der Weise, wie sie ihn baut, beschwört sie seine Zerstörung herauf, weil sie Gott nicht im Haus der Menschheit wohnen läßt. Die Zerstörung macht offenbar, daß im Tempel nicht das Leben wohnt, sondern der Tod.

Diese pervertierte Allmächtigkeit des Menschen bündelt sich in Macht-und Interessengruppen, die zur Selbsterhaltung ihrer Macht diese ökonomischen und technischen Entwürfe forcieren. Wie weit zählen nicht auch gewisse Eliten in der SPÖ dazu?

Und diese Selbsterhaltung der Macht ist auch der Grund, warum sich die Ökonomie und Technik als absolute Mächte in dieser Welt gebärden und sich in den negativen Eigengesetzlichkeiten etablieren. Diese Mächte wehren sich dagegen, sowohl die eigene als auch die Freiheit des anderen als unverfügbare, weil von Gott her empfangene Freiheit, anzunehmen und zu bejahen.

Deshalb präsentieren sich diese Machtzentren unter dem Schein der Lebensförderung, des Glücks und des Fortschritts, und begegnen jeder Kritik, die sie in Frage stellt, mit der Gegenfrage: Was tut ihr ohne uns?

Ohne uns könnt ihr nicht sein. Wir bewahren euch ja vor Hunger, vor Arbeitslosigkeit und Krieg., Wir rüsten doch nur, um euch den Frieden zu erhalten. Warum seid ihr uns gegenüber nur so undankbar?

Sie drohen uns mit dem Tod: Wenn wir weg sind, stirbt alles. Und sie ver-schleierngleichzeitig den Tod, den sie produzieren. Sie warnen vor dem Untergang, indem sie diesen Untergang produzieren: das sind die Götzen.

Aber wenn ich so rede, verfalle ich dann nicht dem Freund-Feind-Denken? Dieser Versuchung gilt es von Anfang an zu wehren. Geben nicht die meisten, die sich „unten” befinden, den etablierten Mächten Recht? Zittern wir nicht um unser Leben und haben Angst? Lassen wir uns nicht einreden, daß wir sie brauchen, um leben zu können, sind sie nicht für uns oft auch geheime Sinnorientierung?

Ist nicht das schlimmste, daß man sagen kann: Nicht vom Brot allein lebt der Mensch; vom Brot schon, aber nicht allein?

Aber eines bleibt wahr: Die Todesdrohung der etablierten Mächte gilt nur unter der Voraussetzung ihres eigenen Systems.

Aber sie stimmt nicht unter der Voraussetzung einer Struktur auf einer anderen Ebene. Was wir alle bekämpfen müssen, ist diese Macht, mit der sie ihr System zur Realität schlechthin erklären.

Das System der etablierten Mächte ist nicht die wirkliche Wirklichkeit! Deswegen ist es notwendig, daß diese andere Wirklichkeit sichtbar gemacht wird, und sie wird nur dort sichtbar, wo sie gelebt wird. Das ist das einzige Argument gegen die Drohrede.

Dies ist ein Grund der Hoffnung: Viele haben schon begonnen, anders zu leben. Dieses neue Leben bricht nur dort auf, wo wir gemeinsame Freiheit leben: miteinander frei sein: Sich gegenseitig schöpferisch zu einer gemeinsamen Freiheit befreien. Gegenseitiges Befreien als ein Mehr-Werden im füreinander und durch-einander. Gemeinsame Freiheit ist kommunkative Freigabe. Dort, wo wir nicht Herrschaftsfreiheit und Gewaltfreiheit leben, herrscht notwendig Ausbeutung und Gewalt. Gerade auch Papst Johannes Paul II. betont immer wiederden Vorrang der Ethik vor der Ökonomie, den Vorrang der Ethik vor der Technik ...

Wenn dies wahr ist, dann ist es nur ein Wortgeräusch, wenn wir sagen, wir benötigen eine Wirtschaftsordnung, die umweltgerecht ist, in der der Mensch im Mittelpunkt steht. Was wir vielmehr sagen und anstreben müssen, ist, daß wir das auf der Kapitalrentabilität aufgebaute Steuerungssystem unserer Wirtschaftsordnung ersetzen müssen durch eine in Kommunikation gewonnene Rationalität.

Es ist nur ein Wortgeräusch, wenn wir sagen, wir wollen keine Plutoniumgesellschaft. Was not tut, ist vielmehr, daß wir diese Politik überwinden, die zuerst immer nach der den Zwecken vorausliegenden Steigerung der Mittel fragt, die also zuerst das Energiepotential schafft, und erst danach die Frage nach den Energiezwecken stellt.

Bei aller Schwierigkeit im Hinblick auf die strafrechtliche Regelung der Abtreibung Einigung zu erzielen, dürfen wir nicht die Wahrheit verdrängen, daß die Tötung keimenden menschlichen Lebens zu den großen Dekadenzerscheinungen des Menschen der Gegenwart zählt.

Was die katholische Kirche betrifft, so halte ich den Einsatz für den Ausbau der kollegialen und konziliaren Strukturen für vordringlich, u. a. die. Bischofswahl durch die Vertreter aus den Diözesen und bei den wichtigsten Fragen, die das gesamt Volk Gottes betreffen, eine möglichst weitgehende Beteiligung des Volkes Gottes am Wahrheitsfindungsprozeß.

Wenn ich so rede, mache ich mich da nicht der Agitation schuldig? Ist dies, was ich da so sage, nicht auch alles nur

Wortgeräusch? Ich glaube, wir entgehen dieser Gefahr in dem Maße, wie wir zwei grundlegende Faktoren beachten:

1. Dieser Anspruch hat sich zuvor an uns selbst zu richten und nicht an die anderen. Gerade auch in unserem Fall an die SPÖ zuerst. Kriterien: Die Parteipolitik hat im Dienste des Menschen und der Gemeinwohlgerechtigkeit zu stehen und nicht der Mensch im Dienst der Macht der Partei bzw. der Parteieliten.

Dies wird überall dort sichtbar, wo die SPÖ gerade in ihrem Machtbereich soziale Demokratie ernsthaft zu verwirklichen beginnt: in der Partei, in der Verstaatlichten Industrie, in den Verbänden, einschließlich des ÖGB, der Banken, der Konsumgenossenschaft, in den von der SPÖ beherrschten Ländern und Gemeinden usw.,...

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2. Wir machen mit unseren Forderungen uns auch dort nicht der Agitation schuldig, wo wir die Konflikte und die notwendige Auseinandersetzung mit den etablierten Mächten auf der Basis der Spiritualität und der Methoden der Gewaltfreiheit im Sinne Jesu, M. Gandhis und M. Luther King austragen.

Darin sehe ich heute eine der wichtigsten Aufgaben, die Sie als Christen in der SPÖ zu verwirklichen haben: der Spiritualität und den Methoden der Gewaltfreiheit in Ihrer Partei zum Durchbruch zu verhelfen.

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