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Gehässigkeit -kleinkariert ?

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Einer der klügsten jüngeren Nationalökonomen unseres Lan-des charakterisierte kürzlich in einem geschlossenen Kreis die Situation in Österreich wie folgt: „Die Institutionen der Sozialpartnerschaft ^eVtehen noch, die Pioniere von damals sind aber schon müde, zum Teil in anderen Positionen. Die Nachdrängenden wissen nichts mehr von der Zeit vor der Partnerschaft, das englische Beispiel warnt sie nicht... Man kämpft heute weniger um die zugrunde liegenden Probleme, man kämpft um die Macht*“ Dieser harten Analyse Wäre hinzuzufügen, daß ja die Sozialpartnerschaft trotz allem immer noch funktioniert, denn täte sie das nicht, müßte einem um die Zukunft unseres Landes ehrlich bange werden. Durch die österreichische Innenpolitik geht ein deutlicher Zug der kleinkarierten Gehässigkeit, wie schon lange nicht mehr in den über dreißig Jahren der Zweiten Republik. Die Regierungspartei wird immer mehr zum Opfer der Arroganz der Macht, manche ihrer Spitzenexponenten halten sich für sakrosankt, reagieren auf Kritik allergisch oder würden, wenn sie könnten, diese überhaupt abwürgen.

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Einer der klügsten jüngeren Nationalökonomen unseres Lan-des charakterisierte kürzlich in einem geschlossenen Kreis die Situation in Österreich wie folgt: „Die Institutionen der Sozialpartnerschaft ^eVtehen noch, die Pioniere von damals sind aber schon müde, zum Teil in anderen Positionen. Die Nachdrängenden wissen nichts mehr von der Zeit vor der Partnerschaft, das englische Beispiel warnt sie nicht... Man kämpft heute weniger um die zugrunde liegenden Probleme, man kämpft um die Macht*“ Dieser harten Analyse Wäre hinzuzufügen, daß ja die Sozialpartnerschaft trotz allem immer noch funktioniert, denn täte sie das nicht, müßte einem um die Zukunft unseres Landes ehrlich bange werden. Durch die österreichische Innenpolitik geht ein deutlicher Zug der kleinkarierten Gehässigkeit, wie schon lange nicht mehr in den über dreißig Jahren der Zweiten Republik. Die Regierungspartei wird immer mehr zum Opfer der Arroganz der Macht, manche ihrer Spitzenexponenten halten sich für sakrosankt, reagieren auf Kritik allergisch oder würden, wenn sie könnten, diese überhaupt abwürgen.

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Daß dann auf der anderen Seite ein „Back-lash“ von Konfrontaitions-bereitschaft entsteht, kann nicht wundernehmen, nur hat diese Partei leider ihren Standort noch nicht gefunden. Beiden Seiten ist nur eines gemeinsam: man spricht nicht von den wirklichen Sachproblemen^ deren Diskussion und Behandlung überläßt man, soweit nur irgend möglich, den Sozialpartnern. Dazu kommt, daß Teile der Publizistik, insbesondere jene mit Massenausstrahlung, als Korrektive versagen, nicht zuletzt, weil sie zum Tummelplatz von Menschen geworden sind, denen das abgewogene Urteil fehlt, die aber auch nicht journalistisch geführt werden. Der Zug zur „Verma-gazinisierung“ in Stil und Aufmachung tut ein übriges dazu, daß der Politik kein publizistisches Gleichgewicht entstanden ist.

Was unserer Politik und Publizistik derzeit abgeht, das ist die Dimension des „Erwachsenseins“. Man registriert vielmehr eine erschrek-kende Unreife, denn schwierige Sachprobleme, an denen wahrlich kein Mangel wäre, lassen sich nicht im Stil von Auseinandersetzungen zwischen Gruppen von Schulbuben lösen. „Gestandene Männer“ würden gebraucht. Aber leider ist „Jugend“ große Mode geworden, offensichtlich ist der Jahrgang vielfach wichtiger als Persönlichkeit, Wissen und Erfahrung. Wer wollte übrigens behaupten, daß die jungen Menschen, denen zuliebe man so gerne junge Politiker präsentiert, solches würdigen? Ist es nicht vielmehr so, daß gerade bei jungen Menschen ein oft allerdings nicht artikuliertes Verlangen nach Autorität, im besten Sinne des Wortes, nach geistiger Führung zu beobachten ist? Dies um so mehr, als große Teile der nachdrängenden Generation völlig voraussetzungslos aufwachsen und — bewußt? — in einem „nachgeschichtlichen“ Zustand gehalten werden. Denn mit der jungen Generation beschäftigt man sich zu wenig. Man erzählt jenen, bei denen die Namen wie Figl, Raab, Böhm, Helmer und anderer Baumeister der Zweiten Republik, kaum noch Assoziationen hervorrufen, ja auch nicht, wie alles gekommen ist und auf welchen Voraussetzungen dieses „österreichische Modell“ aufbaut.

Ein führender Wirtschaftspolitiker (der Gewerkschaftsbewegung entstammend und ihr heute noch auch in seiner Funktion an einem Schalthebel des öffentlichen Lebens verbunden), Angehöriger des Jahrganges 1922, meinte bei einer Diskussion mit einem Schuß Selbstironie, sein Jahrgang empfinde sich zuweilen als „Tote auf Urlaub“. Aber sollte nicht gerade die Stimme dieser Jahrgänge, die bewußt die Schicksals jähre der Ersten Republik, des Zweiten Weltkrieges und der ersten inspirierenden Wiederaufbauphase der Zweiten Republik erlebt haben, mehr Gehör

Standesinteresse der Ärzte 5 gegen Volksgesundheit?

^Politischer Katholizismus“ 9 ist ein fragwürdiger Begriff

Ein Dorf für den Baron Ochs 12 finden, besser gesagt, sich lauter vernehmlich machen? Denn zuweilen vermeint man, wir seien heute auf dem besten Wege, die Fehler der Väter und Großväter zu wiederholen und die Konfrontation derart eskalieren zu lassen, daß ein sachliches Gespräch zwischen den politischen Gruppen unmöglich wird. Wie gesagt, noch gibt es die Sozialpartner, aber auch bei ihnen kommt langsam die Ablöse der Generationen in Gang. Aber auf sie allein kann man die politische Zukunft eines Landes nicht aufbauen, da wären sie, trotz ihren überragenden Leistungen, auch überfordert.

Man möchte den Akteuren aller Parteien raten, das Vorwort zu dem Buch über „Sozialdemokratie und kritischer Rationalismus“ zu lesen, das Helmut Schmidt zum Verfasser hat und einen tiefen Einblick in die politische Grundkonzeption dieses Mannes bietet. Darin findet sich unter anderem auch der Satz man solle nicht nur Marx und Karl Popper studieren, sondern auch Immanuel Kant, um vor allem dessen Ethos der Pflicht sich in Erinnerung zu rufen. Es gehe nicht darum, so Schmidt, immer nur nach dem Glück zu suchen, sondern primär die Wurzeln des Unglücks zu beseitigen.

Also wieder ein Plädoyer für „schandbaren Pragmatismus“, eine Absage an geheiligte „Grundsätze“? Aber werden diese nicht oft nur vorgetäuscht, das „Soziale“ auf der einen, die „persönliche Freiheit“ auf der anderen Seite, wird nicht hier oft mit Worthülsen operiert, ohne daß man die Realität einer komplizierten, durchtechnisierten Gesellschaft berücksichtigt?

Das Spiel mit der Konfrontation ist ein frivoles Spiel: von denen, die es provozieren, ebenso wie von jenen, die, dazu gedrängt, die Konfrontation als Rettungsanker benützen, um von der eigenen Unsicherheit abzulenken. Jetzt brauchten wir vor allem das, was vor Jahren in einer kritischen Phase der Innenpolitik als „Allianz der Einsichtigen“ bezeichnet worden ist, jener, die, zwar als „Tote auf Urlaub“ bezeichnet, mit mehr Ernst an die Sache gehen als die Berufs-Ünruhestifter und Produzenten billiger politischer Gags, weil sie den Mut haben, nicht nur erwachsen zu sein, sondern auch wie Erwachsene zu argumentieren. Es kann darum gar nicht genug Intimkontakte zwischen solchen Verantwortungsträgern in beiden großen Parteien geben, die sich nicht vor die Kamera oder das Mikrophon drängen, sondern die mit den Jahren gelernt haben, daß wirkungsvolle, bleibende Früchte tragende Arbeit in der Stille reifen muß, daß „Gebrüll“ wohl zur Politik gehört, aber nicht ihr einziger Zweck sein kann. Auch wenn einem Jüngere entgegenhalten, das Jahr 1934 oder 1938 sage ihnen nichts mehr, man kann und soll diese Jahre nicht verdrängen, man soll aus ihnen lernen, damit nicht jede Generation die Fehler der vorangegangen wiederholt.

Und noch eines: Diejenigen, die so forsch und „medienbewußt“ agieren, übersehen zumeist eines, daß die Glaubwürdigkeitslücke zwischen „denen oben“ und „dem Volk“, von dem sich die selbsternannten Eliten immer weiter entfernen, immer größer wird. So sehr, wie die Polit-Spie-ler meinen, gefällt das frivole Getue den breiten Massen nämlich gar nicht.

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