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Geheim ist nicht geheim

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Jüngste konkrete Bemühungen des Ballhausplatzes gehen dahin, die Spannung zwischen Wien und Belgrad abzuschwächen. Es ist nur zu begrüßen, wenn dies gelingt. Ob das aber mit der Spraeheimittlung besonderer Art erreicht werden kann, muß füglich bezweifelt werden.

Auf Grund von Arbeiten, die der Bundeskanzler der Studienikommis-sion für Probleme der slowenischen Volksgruppe in Kärnten aufgetragen hat, hat sich diese auch mit einer Variante der Durchführung des Artikels 7 Abs. 3 des Staatsivertrages (Zulassung des Slowenischen als Amtssprache und Sprache topographischer Aufschriften zusätzlich zum Deutschen) befaßt, bei welcher zur Ermittlung des Territoriums in. Kärnten, auf welchem diese Zweisprachigkeit gelten soll, eine Sprachzählung besonderer Art durchgeführt wird. Da es keinen Zweifel darüber geben konnte, daß die Slowenen eine (geheime) Minderheitenfeststellung, die einer Bekenntnisprinziplösung gleichkam, niemals akzeptieren würden und auch die Experten der „Ortstafelkommission“ eine Ermittlung des fraglichen Territoriums nur auf der Grundlage objektiver Merkmale in Erwägung gezogen haben, kam man auf die geheime Sprach-zählung deshalb, weil der Gebrauch einer Sprache als Umgangssprache oder der Muttersprache als Hausund Familiensprache noch am ehesten ein objektives Kriterium darstellen. Daß Familiennamen, Abstammung usw. das nicht sind, lag auf der Hand. Die Kommission hat die Sprachzählung, und zwar eine Sprachzählung besonderer Art — abweichend von den Ermittlungen bei Volkszählungen nach dem bisherigen Usus — nur als ein mögliches Modell angesehen und sich niemals nur für dieses Modell ausgesprochen. Sie hat aber, unter wertvoller Mithülfe des Statistischen Zentralamtes, für den Fall, daß es zu einer solchen Sprachzählung käme, die Modalitäten einschließlich der au stellenden Fragen und der möglichen Fragevarianten ausgearbeitet.

Es mußte logischerweise dem Bun-deskanialer überlassen bleiben, wozu er sich entscheiden würde, wobei ihm kein Zweifel daran .gelassen war, daß eine starke Gruppe innerhalb der Experten der Kommission eine Sprachzählung besonderer Art als ein für eine Lösung der Kärntner Minderheitenfrage unigeeignetes Mittel ansieht, weil alle Kärntener Slowenen, die dies sein und bleiben wollen, aus welchen Gründen auch immer eine solche Zählung ablehnen und es doch keinen Sinn hat, der Minderheit etwas aufzwingen zu wollen, was sie als exustenzbedrohend ansieht.

Nun hat aber das Bundeskanzleramt den Entwurf eines Bundesgesetzes, ,^mitt dem das Volkszählungsgesetz geändert wird“, ausgearbeitet und einem auserwählten Empfängerkreis zugeleitet. Die Mitglieder der Kommission erhielten den Entwurf nicht und es wurde ausdrücklich abgelehnt, ihnen derzeit den Entwurf zugänglich zu machen. Das ist ein sehr verwunderlicher Vorgang, um so verwunderlicher, als die Kommission, die ihre Arbeiten beendet hat, auf den 8. Juli zu einer Art von formeller kurzer Abschlußsitzung einberufen ist, an welche sich ein Heurigen-Empfang des Bundeskanzlers anschließt.

Nun, wenn man den Gesetzentwurf ansieht, der anzudeuten scheint, daß man sich entschlossen hat, eine Sprachzählung besonderer Art durchzuführen, so erheben sich gewichtige Bedenken. An sich ist dem neuen Absatz 3 des Paragraphen 1 des Volkszählungsgesetzes, sofern man überhaupt eine Sondersprachzählung durchführen will, nichts entgegenzuhalten, wenn es dort heißt „Mit einer Volkszählung kann auch eine geheime Sprachermittlung verbunden werden“. Aber: Volkszählungen finden auf Grund internationaler Abmachungen auch in Österreich alle zehn Jahre statt. Die Verbindung der geheimen Sprachermittliung, die ursprünglich nach Meinung vieler Kommission'smitglieder gesondert durchgeführt werden sollte, wobei auch von Regierungsseite vom Jahr 1976 gesprochen worden ist, bringt einen automatischen Völkstuimskarrapf in Kärnten alle zehn Jahre mit sich. Das dürfte dem Frieden im Lande nicht dienlich sein.

Die Volkszählung soll ferner den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich obliegen. Dazu heißt es aber überdies, daß die Zählung gemeindeweise, wo Ortschaften bestehen, auch ortschaftsweise durchzuführen sei. Innerhalb von Gemeindein sind Erhebungen gegebenenfalls nach Gemeindebezirtken, Straßen, Gassen und Plätzen anzuordnen. Diese Bestimmung wird eine geheime Ermittlung von vorneherein zu-nicMemachen. Denn manche Ortschaften bestehen nur aus wenigen Häusern, manche Gassen und Plätze in Dörfern ebenfalls und vielfach wird kein Angehöriger schwebenden Volkstums, der eigentlich Slowenisch angeben müßte, es wagen, das zu tun, sondern „Deutsch“ angeben, weil man in kleinsten Orten ja genau weiß, wer was angegeben hat und so jemand mit gesellschaftlichen Repressalien aller Art au rechnen hat. Natürlich wird nicht <zia befürchten sein, daß die versiegelten Kuverts mit den ausgefüllten Drucksorten widerrechtlich geöffnet werden, es genügt aber, daß überhaupt auf kleinstem Raum gezählt wird, um eine Geheimhaltung auszuschließen.

Der Bundeskanzler hat geäußert — falls die Pressenachrichten zutreffen —, daß die geheime Sprachzählung im ganzen Bundesgebiet durchzuführen sei. Aus dem Gesetzentwurf geht das nicht hervor, denn dort ist in Paragraph 10 bestimmt, daß diese Zählung auf Teile des Bundesgebietes durch Verordnung beschränkt werden kann. Es wird also wohl nichts aus der — vielleicht Hecht wünschenswerten — Ermittlung der Sprachtschechen in Wien und der alemannisch sprechenden Vorarlberger werden, denn eine Sprachzählung in ganz Österreich würde wohl nur mit Kopfschütteln begleitet werden. Es ist schon sehr die Frage, ob es simiwoH äst, in ganz Kärnten eine solche Zählung durchzuführen. Man weiß ja, auf welchem Territorium überhaupt Slowenen siedeln und bodenständig sind. Dazu würde es genügen, das Territorium zu nehmen, für welches das gewiß nicht slowenenfreundliche Deutsche Reich 1939 eine Zählung der Umgangssprache durchführte. (Die Ergebnisse dieser Zählung wurden 1945 in Wien von dem kommunistischen Innenminister als nationalsoGeheim ist nicht geheim zialistisches Gedankengut vernichtet, ein kompletter Satz der Zählboigen, der in Klagenüurt war, ist dort „verschwunden“; dem Verfasser dieser Zeilen gelang es, den dritten Satz dn Marburg/Lahn ausfindig zu machen und die Zahlen zu publizieren.)

Entgegen den Modeiiivorschlägen der Studienikomamssion — wozu wurde diese eigentlich bestellt? — ist nur nach der Umgangssprache au fragen, wie das bisher bei Volkszählungen auch schon der FaE war. Die Kommission war aber der Meinung, daß die Fragestellung nach der Haus- und Fatniiienispraehe au lauten habe. Wenn es im Entwurf heißt, „Als Umgangssprache ist jene Sprache zu verstehen, der sich eine Person ohne äußere Einflüsse bedient“, so ist das zwar gewiß ein beachtliches neues Element, das in der Kommission nicht zur Diskussion stand, führt aber zu keinem greifbaren Ergebnis und dürfte eher die Zahl der Sprachslowenen reduzieren. Ob nun auch die Mundart (das Win-dische) mit einbezogen wenden soll, bleibt noch offen. Nach ihr zu fragen, wäre slowenenfreundddcher und würde auch etwa für das Alemannische von größter Wichtigkeit in Vorarlberg sein.

Der Gesetzentwurf behandelt nur Teilausschnitte aus der Problematik, um die es geht. Es müßte den zu Befragenden auch [gesagt werden, welche Bedeutung die Ergebnisse der Zählung haben werden, so daß vor Erfassung der — entscheidenden — Durchfü'hrnngsverordnung der für die Durchführung des Staatsverira-ges maßgebende Prozentsatz festzulegen wäre (5 Prozent oder darunter? 10 Prozent, 20 Prozent oder — das wollen die Deutschnationalen — 25 bis 30 Prozent, in welch letzterem Falle Kärnten über Nacht gar keine geschützte Volksgruppe mehr hätte).

Der Gesetzentwurf ist legistisch mangelhaft, er öffnet neuen Volks-tamskämpfen Tür und Tor, er hält sich nicht an das, was in der Studienkommission gemeinsam erarbeitet wurde und er führt zu dem, was die Slowenen ablehnen: einer geheimen Minderheitenfeststellung, die nicht geheim sein wird.

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