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Geheim nur für Patienten

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Der Arzt, das Krankenhaus, das Pflegeheim, der Richter, der Beamte, die Sozialversicherung und die Privatversicherung kriegen sie, nur der, zu dem sie gehört, kriegt sich nicht: die Krankengeschichte.

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Der Arzt, das Krankenhaus, das Pflegeheim, der Richter, der Beamte, die Sozialversicherung und die Privatversicherung kriegen sie, nur der, zu dem sie gehört, kriegt sich nicht: die Krankengeschichte.

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Auch beim'Entwurf der Novelle zum niederösterreichischen Krankenanstaltengesetz wurde das Bedürfnis der Patienten nach umfassender und unbürokratischer Information „vergessen", dafür die „Verbesserung des Inhalts der Kankengeschichte und Ausweitung der Informationsweitergabe" vorgesehen.

Kostenlose Abschriften der Krankengeschichte und „ärztliche Äußerungen über den Gesundheitszustand von Patienten" sollen wie bisher Gerichte und Verwaltungsbehörden in „Angelegenheiten, in die Feststellung des Gesundheitszustandes für eine Entscheidung und Verfügung im öffentlichen Interesse von Bedeutung ist", sowie Sozialversicherungsträger erhalten - nur der Patient selbst nicht. Zwar kann der Patient Datenauskunft verlangen, aber nur, sofeme die Daten EDV-gespeichert sind.

Das wäre nicht EG-konform. Unter die Auskunftspflicht des EG-Entwurfs für eine Datenschutzrichtlinie fallen auch händisch geführte Karteien, medizinische Daten werden explizit angeführt: „Die Mitgliederstaaten können vorsehen, daß das Auskunftsrecht bei medizinischen Daten nur über einen Arzt wahrgenommen werden kann."

Patientendaten wandern Auch andere Krankenanstalten und Pflegeheime sollen die Krankengeschichte bekommen, ebenso private Versicherungsträger, „soweit dies für die Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten und die Antragsprüfung notwendig ist und dies mit dem Versicherten bei Abschluß des Versicherungsvertrages ausdrücklich schriftlich mit einer Widerrufungsmöglichkeit vereinbart wurde".

Im Kleingedruckten verzichten schon jetzt viele Versicherte de facto zwangsweise auf den Datenschutz. Auseinem Versicherungsvertrag: „Ich stimme im Sinne des Datenschutzgesetzes ausdrücklich zu, daß Ärzte, Krankenanstalten, Versicherungsträger, Behörden usw. dem Versicherer die zur Antragsprüfung oder zur Prüfung eines Leistungsanspruches erforderlichen Auskünfte übermitteln und entbinde diese von ihrer beruflichen Schweigepflicht." Von der Versicherung wandern dann die Daten fleißig weiter, denn: „Ich stimme ausdrücklich zu, daß der Versicherer Norbert Leser die im Zusammenhang mit diesem Vertrag stehenden Daten an andere Versicherungsunternehmungen, an Gemeinschaftseinrichtungen der Versicherungsunternehmen und an die betreuende Geschäftsstelle übermittelt."

Bedenklich wäre diese Datenweitergabe, weil die Krankengeschichte zusätzlich zu den bisher festgehaltenen Diagnosedaten auch die „ärztlichen Leistungen einschließlich Me-dikamentation und sonstige wesentliche Leistungen, insbesondere derpfle-gerischen und allfälligen psychotherapeutischen bzw. psychologischen Betreuung" aufzeichnen soll. Die neu geregelte psychotherapeutische und psychologische Betreuung könnte für den Patienten zum Bumerang werden, zumal die anderen Übermittlungen nicht auf gesetzlich vorgeschriebene Fälle und auf einen möglichst kleinen Umfang beschränkt werden. Die Versicherung könnte schon zur Prüfung des Antrages die umfangreichen Daten anfordern und vermeintliche Risikogruppen aufgrund schon verheilter Krankheiten oder wegen psychologischer Betreuung ausscheiden oder mit einer teureren Versicherungsprämien beglücken.

Läßt ein Krankenhaus die Krankengeschichte per Computer außer Haus bei einem „Dienstleister" verarbeiten, so soll diese Bestimmung von 1974 weitergelten, obwohl sie gegen das Datenschutzgesetz verstößt. Der Dienstleister soll weiterhin in Eigenregie Daten aus der Krankengeschichte an Ärzte, Krankenanstalten und Pflegeheime weitergeben dürfen. Laut Datenschutzgesetz darf dies nur der Auftraggeber (das Krankenhaus).

Testet ein Krankenhaus an Patienten neue Medikamente oder Geräte aus, so haben die Patienten kein Recht zu erfahren, was mit ihnen geschieht. Zwar sieht der Gesetzesentwurf eine kontrollierende „Ethikkommission" vor, doch könnte diese nur „Empfehlungen über die Form der Aufklärung und Einwilligung für bestimmte klinische Prüfungen" geben. Dazu die Erläuterung: „Die Kömmission hat sich auf die Aufgabe einer Beurteilung zu beschränken, es kommt ihr somit keinerlei Behördencharakter zu."

Vom Aufklären und Vermitteln durch den „Patientenanwalt" müssen Patienten in Niederösterreich weiter träumen, denn „hier sind... die Erfahrungen in einigen anderen Bundesländern noch abzuwarten, bevor eine brauchbare Lösung vorgeschlagen werden kann".

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