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Geheime Asylanten
Asylfragen sind ein Hauptthema der Schweizer Innenpolitik. Durch Umwelt-katastrophen aus den Schlagzeilen verdrängt, haben sie nicht an Aktualität und Brisanz verloren.
Asylfragen sind ein Hauptthema der Schweizer Innenpolitik. Durch Umwelt-katastrophen aus den Schlagzeilen verdrängt, haben sie nicht an Aktualität und Brisanz verloren.
Obwohl der Anteil der Asylwerber und der anerkannten Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung der Schweiz weniger als ein Prozent beträgt, haben Asylfragen zu Polarisierungen geführt.
Während bis weit in die siebziger Jahre jährlich weniger als tausend Flüchtlinge in der Schweiz um Asyl ansuchten und größtenteils auch erhielten, stieg die Zahl der Asylgesuche in den achtziger Jahren sprunghaft an (9.700 im Spitzenjahr 1985).
Eine Alarmstimmung verursachte allerdings weniger die ho-
he Zahl der Asylwerber als vielmehr die Tatsache, daß die meisten Flüchtlinge nicht mehr aus kommunistischen Ländern Europas stammten, sondern vorwiegend aus Ländern der Dritten Welt.
„Die irreale Vorstellung, die Armen der Dritten Welt tauchten nun, statt in ihrem Heimatland standesgemäß zu verhungern, plötzlich als Flüchtlinge in der guten Schweizer Stube auf, um sich hier ihr Stück vom Schokoladekuchen zu holen, mag manchen Zeitgenossen Alpträume bescheren“, heißt es in einem Dossier der Schweizer Sektion von Amnesty International.
Solche Ängste werden zusätzlich durch die Konzentration bestimmter Flüchtlingsgruppen auf einige Städte (Tamilen in Bern, Afrikaner in Genf und Freiburg, Türken in Basel) gefördert.
Viele Behörden und Bürger rufen nach Abwehrmaßnahmen. Und schon wird mehr und mehr zu Methoden der Abschreckung gegriffen: durch die zweite Revision des Asylgesetzes, durch eine härtere Entscheidpraxis der Behörden aufgrund einer engeren Auslegung des Flüchtlingsbegriffs oder durch die Abschiebung abgewiesener Asylwerber.
Viele Menschen in der Schweiz sind aber auch durch die öffentlichen Diskussionen auf das tragische Schicksal manch eines Asylwerbers aufmerksam geworden und nicht länger bereit, einen weiteren Abbau des Asylrechts widerstandslos hinzunehmen.
Die Kirchen, die von diesen Auseinandersetzungen nicht verschont geblieben sind, bezogen im Mai 1985 in einem ökumenischen Memorandum deutlich Stellung: „In der Nachfolge Christi kann unser Platz nur auf der Seite der Flüchtenden, auf der Seite der benachteiligten und verfolgten Menschen sein.“ Zur Uberwindung der Angst empfahlen sie die direkte Begegnung mit Flüchtlingen.
In einem zweiten Memorandum äußerten die Kirchen im Jänner dieses Jahres ihre Bedenken gegen die „härter als befürchtet“ ausgefallene zweite Revision des Asylgesetzes, über die am 5. April
abgestimmt wird.
Beispielhaft zeigt sich die Polarisierung in Asylfragen an der kürzlichen Verurteilung des Berner Arztehepaares Heide und Peter Zuber: Die Initiatoren der „Aktion für abgewiesene Asylanten“ (AAA) wurden zu bedingten Gefängnisstrafen von einem beziehungsweise zwei Monaten verurteilt, weil sie abgewiesene Asylsuchende bei sich aufgenommen hatten, bis eine andere Lösung gefunden worden war. Klage gegen das Ehepaar hatte Nationalrat Markus Ruf von der Nationalen Aktion eingebracht.
Die AAA zählt mehr als 10.000 Aktivisten, die sich aus allen Parteien (außer der extremen Rechten) und aus allen sozialen Schichten rekrutieren. Sie hält rund 2.000 geheime Privatplätze für Asylbewerber bereit, wovon zurzeit etwa 120 belegt sind.
Für die jüngste Anheizung der Emotionen sorgte der Streit um die Rückschaffung von 25 abgewiesenen Tamilen.
Nun kommt selbst nach Einschätzung des Justiz- und Polizeidepartements eine Rückschaffung (in den etwas sichereren Süden Sri Lankas) nur für drei Prozent der Tamilen in Frage, womit auch bei konsequentem Vollzug die Tamüenfrage keiner Lösung nähergebracht würde.
Diese Lösung hatte allerdings Bundesrätin Elisabeth Kopp, die sich durch außen- wie innenpolitische Motive in ihrer entschlossenen Haltung leiten ließ, weniger im Auge. Den Tamilen in Sri Lanka wie in Europa wollte sie signalisieren, daß es sich nicht lohnt, auf der Suche nach Asyl in der Schweiz anzuklopfen.
Zugleich sollte angesichts der im Herbst 1987 bevorstehenden Parlamentswahlen den potentiellen Wählern der Nationalen Aktion demonstriert werden, daß die Behörden Herren der Lage sind.
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