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Geht es niemanden an, wenn man Priester ist?

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Prof. Roegeles Beitrag zur Frage der Priesterkleidung hat, wie erwartet, ein so lebhaftes Echo erweckt, daß wir nur einen Teil der zahlreichen Zuschriften, und auch die nur gekürzt, in drei Folgen wiedergeben konnten. Wir schließen nun die Diskussion mit einem Beitrag des früheren Ordinarius für Kirchenrecht an der Universität Wien.

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Prof. Roegeles Beitrag zur Frage der Priesterkleidung hat, wie erwartet, ein so lebhaftes Echo erweckt, daß wir nur einen Teil der zahlreichen Zuschriften, und auch die nur gekürzt, in drei Folgen wiedergeben konnten. Wir schließen nun die Diskussion mit einem Beitrag des früheren Ordinarius für Kirchenrecht an der Universität Wien.

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Schon im 4. Jahrhundert gab es Klagen über die Prunksucht von Bischöfen und höheren Klerikern, aber noch kein eigentliches Klerikalgewand. Bis in das 5. Jahrhundert galt der Grundsatz, daß Kleriker nicht auffällig, aber deutlich sich in der Kleidung von den Laien unterscheiden sollten. Nur die Mönche trugen ein eigenes Gewand, das aber weder Bischöfe noch Weltpriester tragen durften, wie schon Papst Cölestin I. 428 ausdrücklich verbot. Damals standen Mönche in besonders hohem Ansehen, und es galt als vornehm, sich wie ein Mönch zu kleiden. Also auch eine Modefrage. Selbst unter dem Vorzeichen der Demut war dies unzulässig.

Kleiderluxus, Nachahmung weltlicher Kleidung und ähnliches wurde immer wieder angeprangert. 1314 schrieben die Clementinen, eine päpstliche Gesetzessammlung, den Bischöfen ausdrücklich vor, darauf zu achten, daß die Domherren zum täglichen Chorgebet in der Kathedrale nicht in Jagdkleidung in Begleitung ihrer Hunde und Falken erscheinen sollten.

Schon Pius XII., der angeblich so reaktionäre Papst, schrieb die Vereinfachung der Gewandung der Kardinäle, Bischöfe und höheren Kleriker vor und legte den Frauenorden dringend - damals aber noch sehr opponiert - nahe, eine zeitgemäße und körperlich gesunde Kleidung anzulegen.

Die Idee blieb immer wieder: Wer im Dienste der Kirche steht, muß sich gerade wegen seiner Beziehungen zu Gott auch in der Kleidung unterscheiden. Er soll bekennen und das Kirchenvölk soll ihn erkennen. Daher auch war der kanonische und der staatliche Schutz des Klerikers nur jenen vorbehalten, die sich tatsäch-

lieh als Kleriker oder als Ordensleute durch ihre Kleidung auswiesen.

Auf einem Kongreß für Kirchenrecht in Mailand hielt Kardinal Felici, die Eröffnungsansprache. Er freue sich, meinte er, daß diesmal so viele Laien am Kongreß teilnähmen und dadurch die Verbundenheit mit der Wissenschaft des Kirchenrechts zum Ausdruck brächten. Er wisse allerdings nicht, ob seine Freude gerechtfertigt sei angesichts der Tatsache, daß heute vielfach Priester im Kleide der Laien auftreten ...

Es ist nicht lange her, daß ich einen Professor kennenlernte, von dem ich nicht wußte, daß er Priester sei. Dann wurde ich zu seiner Antrittsvorlesung an einer theologischen Fakultät eingeladen. Ich sagte zu einem seiner nunmehrigen Kollegen: „Ich wußte gar nicht, daß Professor S. Priester ist.“ Antwort: „Wen geht das auch etwas an?“, worauf ich nur sagen konnte: „Jeden Katholiken.“

Vor längerer Zeit schrieb eine amerikanische Freundin, die führend in der Absolventinnenorganisation eines bekannten Mädchen-College tätig war, sehr verärgert, daß sie einen Brief von den dort tätigen Schwestern erhalten hätte. Sie baten um eine größere Spende, damit diesmal zum Collegeball die Schwestern auch in Abendkleidern erscheinen könnten ...

Bei einem feierlichen Hochamt in einet österreichischen Abtei erschien einer der Patres in einem kurzärmeligen schwarzen Hemd mit offenem Kragen, um am Chorgebet teilzunehmen.

Bei einem festlichen Empfang traf ich zwei österreichische Bischöfe vollkommen schwarz gekleidet ohne irgendein Abzeichen bischöflicher Würde, was um so mehr ins Auge fiel, als einzig der evangelische Bischof korrekt gekleidet an der Feier teilnahm.

Ich gebe diese Beispiele hier, weil sie wirklich vor Augen stehen, genau so wie wenn im Fernsehen einzelne Priester als Laien verkleidet ethische Kurzvorträge halten. Während solche „Laien“ früher zumeist daran zu erkennen waren, daß sie schlecht sitzende Anzüge und die falschen Krawatten trugen, sind sie heute sehr modebewußt. Nur als Priester wollen sie nicht in Erscheinung treten.

Das alles trifft nur auf katholische Priester zu. Orthodoxe Kleriker werden immer und überall, wo sie als Geistliche wirken, in ihrer Amtstracht erscheinen.

In einem Seminar kam die Frage Amtstracht, Schutz'der Amtstracht zur Sprache. Ich fragte die Studentinnen, was sie tun würden, wenn sie abends auf der Straße zwei Männer sähen und sie eine Auskunft brauchten. Der eine in Zivil, sie glaubten aber, ihn schon einmal als Priester gekleidet gesehen zu haben. Der andere im Kolar. Wen würden sie fragen? Ohne Zögern kam die Antwort, den im Kolar. Auf meine Gegenfrage, ob sie nicht besorgt wären, daß dieser Mann sich vielleicht nur als Priester verkleidet habe, kam die leicht resignierte Antwort: „Wer wird sich heute schon als Priester verkleiden, wenn nicht einmal die Priester ihr Kolar umnehmen?“

Angesichts dieser Lage müssen wir Laien Papst Johannes Paul II. dankbar sein, daß er auf diesen Zustand hin seine eindringliche Mahnung für Männer und Frauen im geistlichen Beruf ausgesprochen hat. Es mag Situationen geben, wo es nötig erscheint, daß der Kleriker oder die Ordensfrau laikal gekleidet auftreten.

Im Habit kann man nicht Ski fahren, auch ein Papst nicht im Talar, aber weder Bischöfe noch alle übrigen Mitglieder dieses Standes sollten einer förmlichen Zivilmode huldigen.

Niemand erwartet heute Bischöfe im blauen Brokattalar, wie dies noch auf den Gemälden in Stiften und bischöflichen Residenzen zu sehen ist. Das war übrigens auch schon Mode, der Talar war damals grün vorgeschrieben.

Aber man muß als Katholik erwarten können, daß die dem geistlichen Stande angehörenden Männer und Frauen auch zu erkennen sind. Es geht uns sehr viel an, ob man sie erkennt. Es dreht sich nicht nur um das Erkennen, sondern auch um das Bekennen. Es gibt nun einmal keine Teilzeitkleriker, auch wenn dies durch längere Zeit propagiert wurde. Mich interessiert auch kein ethisches Geplauder eines im vornehmen Maßanzug auftretenden Fernsehklerikers, sondern ich will ihn als Priester erkennen, weil er auch von mir verlangt, daß ich mich bekenne.

Ich bin überzeugt, daß für viele dieser Herren das Auftreten als „Fast“-Laien eine Modeerscheinung ist. Man ahmt nach, was andere vormachen. Die laxen Vorschriften und die mehr als nachsichtige Haltung kirchlicher Oberer tragen dazu bei, daß viele eben auch im kirchlichen Bereich den „Zivildienst“— aber nicht aus Gewissensgründen, sondern1 weil r bequemer ist - vorziehen. Es geht eben niemand an, ob man Priester ist...

In der französischen Widerstandsbewegung während des Zweiten Weltkrieges haben die Kommunisten von den Priestern verlangt, die Soutane abzulegen. Gilt das heute noch?

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