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Geht Karajan?
Salzburgs Osterfestspiele sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen, von Karajan mit. G'walt um die Runden gebracht worden. Schlechte Stimmung, gefährliches Knacken im Osterfestspielgebälk, ein Hauch von Krise: Das bestimmte die Atmosphäre in der Festival-Walhalla. Sängerprominenz, wie Rene Kollo und Karl Ridderbusch, revoltierten gegen ihren künstlerischen Chef, Herbert von Karajan, und schieden aus dem Festivalbetrieb, aus der „Firma“ aus. Denn Karajan versuchte mit Gewaltleistungen nachzuholen, was er durch seine Krankheit an Zeit verloren hatte. Im Rekordtempo wurde „Lohengrin“ aus dem Boden gestampft. Ohne Rücksicht auf (menschliche) Verluste, ohne Rücksicht auf das Stimmaterial seiner Stars.
Aber das waren offenbar nur die Vorboten der größeren Krise: Denn auch die Berliner Philharmoniker, bisher eiserne Stütze im Karajanschen Osterimperium, machten aus ihrem Ärger kein Hehl. Denn schon für 1977 sehen sie einige Felle davonschwim-men. Große Neidgenossenschaft also? Ja und nein. Zumindest harte Front gegen die Wiener Kollegen, die da im nächsten Jahr den ' nun schon 15 Jahre alten Salzburger (und dann Wiener) „Troubadour“ nach Salzburg zurückbringen sollen. Aber nicht nur mit dieser Produktion kommen die Wiener den Salzburgern ins Festivalgehege. Auch daß Karajan sich seine Wiener nach langer Abstinenz wieder herzlicher angelacht hat, mit ihnen engere (sprich: Staatsopern-) Bindungen eingeht und mit ihnen auch wieder mehr Plattenaufnahmen machen wird, schürt die Verstimmung.
Die Berliner drohen jedenfalls ernsthaft mit ihrem* Ausstieg. Was schlicht und einfach eine Frage heraufbeschwört: Sind die Osterspiele am Ende? Werden sie überhaupt noch einmal stattfinden?
So schwarz hat man nun tatsächlich in Salzburg schon lange nicht gesehen. Denn daß zur 7,6-Millionen-Schilling-Subven-tion von Stadt und Land Salzburg sich auch der Bund mit einer kräftigen Geldspritze gesellen wird, war bloß eine Hoffnung. Nur gespielt werden wird's nicht. Und daß sich anderseits Salzburg zu einer gewaltigen Erhöhung der Subvention, also um wesentlich mehr als 10 Prozent, bereitfände und dazu noch die von Karajan vorgeschlagene Kartenpreiserhöhung akzeptierte, scheint auch recht ungewiß.
Schwierigkeiten über Schwierigkeiten also. Vor allem für Karajan, der nicht nur mit seinen „Lohengrin“-Platten durch den Ausstieg der Sänger in der Luft hängt, sondern jetzt auch noch sein Osterfestival durch die Auseinandersetzungen mit den Berlinern gefährdet sieht. Die Zeichen stehen also auf Sturm. Und eine Frage scheint aktueller, als es die meisten glauben mögen: Will Karajan aussteigen, wenn seine Wien-Pläne erst einmal richtig laufen? Oder will er zumindest einen „Helfer“ finden, der ihm die Arbeit abnimmt. Denn daß Wien im Moment sicherer scheint, d. h. ohne finanzielle Probleme, ohne künstlerische Schwierigkeiten, ohne Politikerforderungen, das ist allen klar. Und wenn Karajan seine Vorstellungen, sein künstlerisches. Konzept jährlich einen Monat lang in Wien verwirklichen kann, noch dazu — höchste Firmentreue! — mit Künstlern des ihm nahestehenden International Music Establishment ... mit genügend Zeit für Platten- und Film- und Kassettenproduktionen: Karajan-Herz, was willst du noch mehr? Braucht Karajan dann wirklich noch Salzburger Osterfestspiele?
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