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Geist und Ware

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Der Verleger steht im Verdacht, nicht an die Leser seiner Bücher sondern an die Käufer seiner Bücher zu denken. Er weiß ja gar nicht, ob seine Bücher auch gelesen werden: manchmal sind sie nur dekoratives Element in einer „Wohnlandschaft". Oft werden Bücher mit dem ernsten Vorsatz gekauft, sie gleich zu lesen, aber der Käufer wird erst zum Leser, wenn ihn eine Grippe, ein Gipsfuß oder ein verregneter Urlaub die Zeit zum Lesen seiner Bücher verschafft hat.

Daß der Verleger zunächst an die Käufer seiner Bücher denkt, ist ihm nicht übelzunehmen. Seine Funktion besteht ja darin, durch das „Verlegen" - ursprünglich „Vorlegen", das heißt Vorstrecken - von Geld den Druck des Manuskriptes und den Vertrieb des Buches zu ermöglichen, also die Brücke vom Autor zum Leser zu schlagen.

Den wahren Verleger wird aber dieser rein kaufmännische Vorgang nicht befriedigen. Für ihn ist er untrennbar mit seinem geistigen Interesse verbunden, das sich auf die Leser seiner Bücher bezieht. Das Buch ist nicht nur bedrucktes, gefalztes und gebundenes Papier, sondern es ist ein geistiges Gut: es vermittelt eine Information, die den Horizont des Lesers erweitert (auch das gute Sachbuch und das berufliche Fachbuch erfüllen diese Funktion!), es gibt eine Antwort auf eine Frage des Lesers, es bietet einen Wert an, den der Leser in sein Weltbild aufnimmt, es verschafft Freude, Trost, Entspannung oder Spannung, Wegweisung, Orientierung, es weckt Erinnerungen an Menschen, Länder und vergangene Zeiten.

Gewiß: diese hier genannten geistigen Werte in Büchern kommen letztlich vom Autor und nicht vom Verleger. Aber der Verleger entscheidet, ob die Botschaft eines Autors Empfänger finden kann oder ob das Manuskript des Autors in der Tischlade bleibt. Von der Entscheidung des Verlegers hängt es ab, ob ein Manuskript das Gespräch des Autors mit sich selbst bleibt oder zur „Mit-Teilung" an „Mit-Men-schen" wird. Der echte Verleger wird sich daher bei seiner Entscheidung über Annahme oder Zurückweisung eines Manuskriptes nicht nur vom Ereignis seiner unerläßlichen kaufmännischen Kalkulationen und von der Einschätzung der Marktchancen leiten lassen, sondern auch von der Beantwortung der Frage: dient das Buch in seiner inhaltlichen Dimension dem Leser durch Vermittlung geistiger Werte, wie sie oben aufgezählt wurden? Oder ist es, grob gesagt, ein „Schmarrn", der sich zwar gut verkaufen läßt und daher die Kosten samt Gewinn rasch hereinspielt, aber keine geistigen Werte vermittelt?

Die kulturelle Aufgabe des Verlegers bezieht sich auch auf das „Design" des Buches, also die Bilder, die den Text unterstützen oder den Schwerpunkt eines Buches bilden, auf die graphische Gestaltung, die Wahl von Schrift und Satzspiegel. All das muß ästhetischen Anforderungen genügen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Thema des Buches stehen.

Für den Verleger, der nur an die Käufer seiner Bücher denkt, ist das Buch eine Ware wie jede andere, durch deren Verkauf er Gewinn erzielt. Der Verleger, der an seine Leser denkt, bedient sich der ökonomischen Mittel, um seinen Lesern geistige Werte anzubieten.

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