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Geistige Mozartkugeln

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Zehn Minuten Mozart-Musik steigert markant die Intelligenz...

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Zehn Minuten Mozart-Musik steigert markant die Intelligenz...

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Daß Kühe mehr Milch geben, wenn sie mit Musik berieselt werden, ist mittlerweile eine längst bekannte Theorie. Praktische Erfahrungen liegen nur deshalb spärlich vor, weil eine erhöhte Milchleistung angesichts der Kontingent-und Absatzschwierigkeiten gar nicht erwünscht ist.

Das wäre ja noch schlimmer, wenn wir musikalisch in der Milchschwemme der EG ertrinken, weil in jedem Kuhstall eine Stereo-Anlage installiert wurde oder gar der 0-3-Wecker sommers über die Almen schallte! Die praktische Konsequenz wurde da schon eher in den Kaufhäusern und Supermärkten gezogen, in denen die musikalische Beschallung der Zweibeiner die Melk-Vorgänge optimiert. Seltsamerweise wurde bisher noch kein Kompositions-Wettbewerb für umsatzfördernde Supermarktmusik ausgeschrieben. Ein solcher wäre dringlich, denn dem Vernehmen nach wirkt ausgerechnet die zeitgenössische E-

Musik eher melkleistungshemmend und daher für den Umsatz kontraproduktiv. Wir sind auf die provisorischen U-Musik-Arrangements angewiesen, die zu bestimmten Zeiten (zum Beispiel Advent) durch volks-und kirchenmusikalische Elemente angereichert und ergänzt werden.

Unbeeinflußt von solchen Profa-nitäten schreiten die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Musiktherapie in die Zukunft fort. Aus den für empirisch untermauerte Hypothesen stets sehr aufgeschlossenen USA, nämlich diesmal der Universität von Irvine in Kalifornien, kommt eine in der Zeitschrift „Nature" publizierte Untersuchung. Zehn Minuten Mozart-Musik (Sonate D-Dur für zwei Pianos) bewirkte bei den damit berieselten Probanden eine markante Intelligenz-Steigerung bei logischen und abstrakten Denkaufgaben. Wer hingegen die Mozart-Droge nicht

konsumiert hatte oder gar nur eine der durchschnittlichen Musikkonserven genossen hatte, dessen Intelligenz blieb im oder unterm Durchschnitt. Die Komplexität Mozarts, so folgerten die IQ-Wissenschaftler messerscharf, versetze die Neuro-Transmitter gewissermaßen in un-

feheuren Schwung. Da staunt der Volfgang Amade wohl aus dem Elysium, an allerlei Schwung aus seinen Takten mittlerweile gewöhnt, vor allem den beschleunigten Umlauf der Gagen und Gelder. „Mon eher Papa", wird er schreiben, „das könnt ihr Euch itzo nit vorstelln, mit dero Musica werdn die Leut immer gescheiter!"

Doch ehe der österreichische Nationalstolz auf die geistige Mozartkugel im Kopfschuß als Beifall aus dem Alpenlanae über den Atlantik brandet, sind zwei Ernüchterungen anzumerken. Die Intelligenz-Promotoren aus Irvine führten nämlich ihr bestaunenswertes Experiment mit 36 Personen durch, die sie in drei Gruppen teilten. Nur ein Dutzend also wars, bei dem der MI-Effekt (Mozart-Intelligenz-Effekt) so nachweislich zutage trat. Doch was kann un-

ser Mozart dafür? Er hätte viel intensiver komponieren und penetranter instrumentieren müssen. Denn -o Schreck! - die beobachtete Intelligenzleistung läßt bereits - laut US-Studie - nach 15 Minuten wieder nach. Irgendwie ist das doch in den künftigen Denkfabriken aufwendig: Alle Viertelstunden wieder zehn Minuten Mozart in D-Dur, um den Standard zu halten. Und am Ende tritt da doch ein Gewöhnungseffekt ein, oder der MI-Effekt potenziert sich zu einer Super-Intelligenz, von der niemand garantieren kann, was ihr alles einfällt.

Und wie ist das eigentlich mit den anderen Mozart-Werken? Wann wird das ganze Kochel-Verzeichnis durchgetestet? Und wie wirken verschiedene Interpreten? Und schließlich die gesamte Musikliteratur? Der Haydn-Effekt, der Beethoven-Effekt steigert sich das oder fällt das

ab?

Große Forschungsaufgaben. Der Seitenblick auf die musikalischen Milchkühe ist da ja wohl unangebracht. Die angeregte Milchproduktion hat nämlich trotz Musik ihre Grenzen.

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