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Gelassen die Zeit nutzen

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Die Beitrittsverhandlungen mit Österreich, Finnland und Schweden werden am 1. und 2. Februar im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz der EG-Außenminister und Vertretern der Beitrittskandidaten unter dänischem Vorsitz offiziell aufgenommen. Im folgenden ein Überblick über Österreichs „Knackpunkte”.

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Die Beitrittsverhandlungen mit Österreich, Finnland und Schweden werden am 1. und 2. Februar im Rahmen einer gemeinsamen Konferenz der EG-Außenminister und Vertretern der Beitrittskandidaten unter dänischem Vorsitz offiziell aufgenommen. Im folgenden ein Überblick über Österreichs „Knackpunkte”.

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Die Verhandlungen werden zunächst relativ undramatisch mit Themen beginnen, die bereits im Rahmen der Vereinbarungen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) besprochen wurden oder noch besprochen werden. Es sind das unter anderem der freie Waren-, Dienstleistungsund Kapitalverkehr im allgemeinen, sowie Konsumentenschutz, Forschung, Ausbildung und Transportwesen.

□ Einiger Anpassungsbedarf könnte hier noch im Bereich der Wettbewerbsordnung auf Österreich zukommen, wo einige Monopole (Tabak, Salz) auf wackeligen Beinen stehen und kaum zu halten sein werden. Auch im Verkehrs- und Telekommunikationswesen werden mehr wettbewerbsfördernde Maßnahmen erforderlich sein.

Ob die kürzlich in Kraft getretene Gewerberechtsnovelle (Zutrittserleichterungen) und die demnächst in Kraft tretende Kartellrechtsnovelle (verstärkte Fusionskontrolle) in Brüssel genügen werden, wird sich zeigen. Vor allem werden die Lösungen in diesem Bereich entscheidend dafür sein, ob die heimischen EG-Befürworter mit ihren Hoffnungen auf niedrigere Preise als Folge des Beitrittsrecht behalten werden oder nicht. Im weiteren Sinn gehört auch der weitgehende Abbau von Subventionen und Beihilfen - beispielsweise durch die Umstellung der Regionalförderung - zu diesem Fragenkomplex.

Schwenk in der Agrarpolitik

□ Bereits im Februar sollen auch die Verhandlungen in der Landwirtschaft auf Expertenebene beginnen, die heiße Phase wird vermutlich erst im Herbst anlaufen. Dann geht es beinhart um die Höhe der Einkommenseinbußen, die die österreichischen Landwirte zu tragen haben werden. Weiters, welche Übergangsfristen es bis zur Anpassung an die EG-Agrarpolitik und an die niedrigeren Preise geben wird (österreichischerseits wünscht man sich fünf bis sieben Jahre) und welche finanziellen Unterstützungen - sofern überhaupt -man zur Bewältigung dieser Aufgaben aus der EG-Kasse bekommen kann.

Der vor kurzem vollzogene leichte Schwenk in der EG-Agrarpolitik, der den Bauern auch finanzielle Abgeltung für die Aufgaben im Landschaftsschutz zugesteht, gibt uns Anlaß zu gewissen Hoffnungen. Generell ist aber mit nationalen Produktionsquoten für eine Reihe von Erzeugnissen zu rechnen, die zumeist niedriger sein werden als die derzeitige inländische Produktion.

□ Weniger bekannt, aber umso brisanter sind Fragen, die sich auf längere Sicht im Sozialbereich abzeichnen. Kurzfristig wird es hier zwar sogar zu einigen Verbesserungen kommen, zum Beispiel bei der betriebsärztlichen Versorgung und bei der Gleichstellung von Mann und Frau im Produktionsprozeß. Da sind die EG-Richtlinien besser. Allerdings wird das auch den Fall des Nachtarbeitsverbots für Frauen zur Folge haben. Ansonsten bleiben die sozialpolitischen Normen dem Buchstaben nach nationale Angelegenheit und können durchaus auch weiterreichend sein als der EG-Durchschnitt.

Welchen Wert dieser Grundsatz hat, wird sich auf dem weiteren Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion gemäß dem Maastrichter Vertrag zeigen. Die zur Erreichung der Währungsunion erforderliche Konvergenz wird die Spielräume für die nationale Fiskalpolitik zwangsläufig einschränken, und die Sozialpolitik war immer schon ein beliebtes Gebiet, wenn es galt, Einsparungen herauszuschlagen.

Selbst die Länder, die sich höhere Standards dann noch leisten könnten, werden die Soziallasten nach unten anpassen müssen, wollen sie nicht von denen, die aus Wettbewerbsgründen darauf verzichten, überrollt werden. Hier darf man besonders gespannt sein, welche Ergebnisse die österreichischen Unterhändler nach Hause bringen können.

□ Ähnlich ist die Lage im Umweltbereich. Auch hier ist jedem Mitglied unbenommen, beliebig weit über die EG-Mindestnormen hinauszugehen, sofern die EG die strengeren Vorschriften nicht als Handelshemmnis darstellen kann, was allerdings sehr oft und leicht möglich sein wird. Wenn strengere Normen - und Österreich hat in einigen Bereichen solche aufzuweisen wie etwa beim Abfallwirtschaftsgesetz - aber mit höheren Kosten verbunden sind, wird sich auch das auf Dauer niemand leisten können. Der Umweltschutz wird sich europaweit wohl auf die Mindestnorm einpendeln.

□ Schwierig könnte es auch werden, wenn der Transitvertrag wieder auf die Tagesordnung kommt: Dieser wurde zwar auf die Dauer von zwölf Jahren zwischen Österreich und der EG abgeschlossen und sieht die schrittweise Reduktion des Schadstoffausstoßes von LKWs auf Österreichs Transitrouten vor, doch wird befürchtet, daß die EG eine Neuverhandlung anstreben wird.

□ Für den im Augenblick nicht gerade günstig positionierten Bankensektor Österreichs kommt glücklicherweise nicht allzu viel Neues oder Unangenehmes dazu, was nicht ohnehin schon Gegenstand der EWR-Verträge wäre. Wenig Probleme dürften den Banken die höheren Eigenmittelvorschriften der EG machen. Sie erscheinen den meisten Instituten als erfüllbar. Die Niederlassungs-freiheit ausländischer Banken wird die heimische Kreditwirtschaft allerdings unter Konkurrenzdruck setzen und weitere Strukturreformen bewirken. Schließlich gehört zu diesem Kapitel auch die Frage der Anonymität, von der nach wie vor nicht klar ist, ob sie gehalten werden kann oder nicht.

Umgekehrt haben von den zwölf EG-Ländem erst drei die einschlägigen Richtlinien in nationales Recht umgesetzt, sodaß man in diesem Bereich vorläufig zwar relativ gelassen bleiben kann, die Zeit aber auch nützen sollte.

Unklarheit über Anonymität

Gelassenheit wird auch ansonsten angezeigt sein. Schließlich wird Österreich, wie auch die anderen EFTA-Länder, die sich um Mitgliedschaft bewerben, Nettozahler in die EG-Kasse sein und kann daher wohl auch ein gewisses Maß an Entgegenkommen voraussetzen.

Wie rasch die Verhandlungen vorankommen werden, ist ohnehin ungewiß: Hat doch erst dieser Tage das EG-Parlament quergeschossen und verlangt, daß vor einer Erweiterung wegen der großen Schwerfälligkeit des Apparats eine Reform der EG-Institutionen zu erfolgen habe. Und das kann Jahre dauern...

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