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Gemetzel oder echter Friede?
Thatchers Außenminister Lord Carrington hat seiner Chefin eine meisterhafte Lektion in Sachen Diplomatie erteilt. Auf dem Gipfeltreffen der Europäischen Gemeinschaft in Dublin sprang Frau Thatcher mit Staats- und Ministerpräsidenten Europas um, als hätte sie es mit „Geistesgestörten" (Oppositionsführer Callaghan) zu tun. Die starre Haltung der Britin provozierte den Bruch.
Thatchers Außenminister Lord Carrington hat seiner Chefin eine meisterhafte Lektion in Sachen Diplomatie erteilt. Auf dem Gipfeltreffen der Europäischen Gemeinschaft in Dublin sprang Frau Thatcher mit Staats- und Ministerpräsidenten Europas um, als hätte sie es mit „Geistesgestörten" (Oppositionsführer Callaghan) zu tun. Die starre Haltung der Britin provozierte den Bruch.
Ganz anders Lord Carrington im Lancaster House, wo er es mit unberechenbaren Gegenspielern zu tun hatte. In einer Mammutkonferenz hat der britische Außenminister für seine Regierung, sein Land, zum Segen des Friedens in der Welt und nicht zuletzt zum Nutzen des persönlichen Prestiges einen glänzenden diplomatischen Erfolg errungen.
Zumindest auf dem Papier ist der Friede in Rhodesien gesichert, eine neue Konstitution unter Dach und Fach, die Ubergangsphase zwischen Waffenstillstand und freien Wahlen geregelt. Die Waffen sollen schweigen, seit auch die Führer der Patriotischen Front endlich unterschrieben haben.
Wie stets auf dieser Tagung, zeigten Nkomo und Mugabe kaum einen Hang zur Eile. Zeit ist für sie ein unschätzbarer Faktor. Es kümmert sie
wenig, daß täglich dreißig Menschen ihr Leben lassen mußten, seit die Konferenz im Gange war. Je länger die Verhandlungen dauern, um so mehr Guerillas" können von der Basis in den Frontstaaten aus in rhodesisches Gebiet geschleust werden, desto mehr Zeit bleibt, um die Wahlkampagne vorzubereiten: Das war ihr Motto.
Carrington fand Mittel und Wege, die Störrigkeit der Frontkämpfer zu brechen, ihrer Verschleppungstaktik einen Riegel vorzuschieben: Festigkeit, die auch vor ultimativen Forderungen und der Drohung nicht zurückschreckte, mit Bischof Muzo-rewa allein zu paktieren; Flexibilität, verbunden mit der Fähigkeit, in bedrängenden Augenblicken zu warten; und Autorität, die den bluffenden Guerillas die Schneid abkaufte.
Die Höhen und Tiefen der Konferenz, das Feilschen der Front um strategische Positionen, alles das bot einen Vorgeschmack jener Schwierigkeiten, die Großbritanniens Gouverneur Soames, der Rhodesien für kurz unter die Krone zurückführt, zu gewärtigen hat. Der friedliche Verlauf der Wahlkampagne steht und fällt mit der Auffassung von Frieden und Verträgstreue durch Insurgenten! Die Unsicherheit bleibt bestehen, wieweit sich Guerillas durch eine kodifizierte Verpflichtung gebunden
fühlen, wo bei ihnen Ideologie und Taktik endet, echter Friedenswille beginnt.
Für die Weißen in Rhodesien, und nicht nur für sie, ist Mugabe nicht allein ein dogmatischer Marxist, sondern auch ein blutrünstiger Wilder, der den Sieg über alles stellt, ob er nun mit Weißen Stimmzetteln oder durch den roten Hahn errungen worden ist. Nkomo, der sympathischere Fettberg, unterscheidet sich von seinem kollegialen Mitstreiter nur graduell, nicht im Prinzip.
Der friedliche Verlauf in Zim-babwe hängt an dem berühmten dünnen Faden, dessen Bruchstelle im Lancaster House weder abgesichert noch vorausberechnet werden
konnte. Den Uberwachungsorganen unter dem weißen Kreuz, 1200 Mann aus Großbritannien und fünf Ländern des Commonwealth, mangelt jegliche Sanktionsgewalt, ihnen ist nur die Aufsicht darüber geboten, ob alles mit rechten Dingen zugeht, im Rahmen von Recht und Ordnung abläuft. Bricht die Waffenruhe, dann geraten sie selbst ins tödliche Schußfeld.
Noch steht nicht einmal fest, daß sich die 15.000 Guerillas wider - Spruchs- und widerstandslos in jene 16 Freigehege zurückziehen, die ihnen bereitgestellt sind.
Wenn die Wahlen vorüber sind, dann wird Soames das in die Unabhängigkeit entlassene Land ebenso schnell verlassen, wie er gekommen ist. Albion hat dann seine Schuldigkeit getan. Hat es wirklich? Oder kommt erst dann die Sintflut? Wer verhindert, daß die Freischärler im Falle einer Niederlage mit Waffengewalt versuchen, ihre Schlappe zu revidieren?
Und wenn die Patriotische Front den Urnengang gewinnt, könnte Südafrika versuchen, das Wahlergebnis zu korrigieren. Wieder mit Gewalt In beiden Fällen wären 13 Wochen Verhandlungen am Konferenztisch mit einem Mal null und nichtig.
Der Ausgang der Wahlen: Nur in der Theorie scheint Bischof Muzo-rewa seinen Sieg vom vergangenen Frühjahr zu wiederholen. Im Bewußtsein des endgültigen Erfolges hat er in London auf alles verzichtet: auf eine Konstitution und auf sein legitim erworbenes Amt. Die Prognose
dieser Art, durch die panische Angst der Bevölkerung vor den wütenden Guerillas untermauert, läßt das ethnische Moment in einem afrikanischen Land außer Betracht.
Stammeszugehörigkeit setzt unerwartete Reaktionen, zumindest in europäischen Augen. Ein Beispiel zeigt, wie kompliziert die Situation ist: Der Stamm Karanga stellt nicht nur das Hauptkontingent von Muzo-rewas regulären Truppen unter weißen Offizieren, aus ihm rekrutieren sich auch die engsten Mitkämpfer Mugabes im Buschkrieg.
Selbst die Witterungsbedingungen haben ihren Platz, zumindest in der Strategie der Patriotischen Front. Die rhodesischen Wahlen fallen mit der stärksten Regenzeit zusammen. Das begünstigt die Freischärler, durchwegs Fußtruppen, während die Fahrzeuge der regulären Armee in Schlamm und Morast steckenbleiben.
Der Friedensschluß nach dreimonatiger Konferenz entbehrte jeden Sinns, bestünde nicht die Aussicht, daß sich eine grundsätzliche Überlegung durchsetzt, und zwar bei allen Beteiligten, das heißt neben Muzo-rewa, Nkomo und Mugabe bei den Frontstaaten und den sympathisierenden Anrainern: freie Wahlen sind das letzte und einzige Mittel, um das Land einer friedlichen Zukunft entgegenzuführen. Dieses Argument wäre einsichtig und stark genug, um ideologische Scheuklappen und nacktes Machtstreben zu überwinden.
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