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Gemolkene heilige Kuh

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Ein Vierteljahrhundert lang war das Automobil die heilige Kuh, welche man sorgfältig hochpäppelte. Jetzt soll sie ausgehungert und gleichzeitig kräftig gemolken werden.

Auf die Autofahrer geht in nächster Zeit bekanntlich eine noch nie dagewesene Belastungslawine nieder: Die Mineralölsteuer soll bekanntlich um 50 g pro Liter erhöht werden, was dem Finanzminister — welcher zunächst verschämt von einer Milliarde mehr sprach — gleich 1,9 Milliarden pro Jahr zusätzlich bringen soll. Darüber hinaus wird auch noch die Kfz-Steuer empfindlich angehoben werden, was eine weitere Milliarde bringen soll. Des weiteren ist die Autobahnmaut wieder im Gespräch und dürfte, allen Protesten zum Trotz, für die Südautobahn realisiert werden.

Neben der öffentlichen Hand sind auch andere zu Fischzügen im Karpfenteich der Motorisierung angetreten. Beispielsweise stellen die Haftpflichtversicherer Prämienerhöhungsforderungen, welche die Autofahrer zumindest 360 Millionen pro Jahr kosten werden, und nunmehr haben sich auch die Autoproduzen-ten, beziehungsweise deren österreichische Repräsentanten zu Wort gemeldet, indem sie verkünden, mit der „normalen“ Preiserhöhung von ungefähr sechs Prozent pro Jahr nicht mehr ihr Auslangen zu finden.

Natürlich darf man den geplanten Fischzug nicht nur aus der Kirchturmperspektive der Kraftfahrorganisation sehen und auf alle Fälle Kontra geben. Das Problem ist ein wenig komplizierter: Jahrzehntelang hat man im Auto den Wohlstandsindikator gesehen, weshalb die Motorisierung von Staats wegen kräftig gefördert wurde. Dazu gehört unter

anderem, daß für Straßenbau und -erhaltung immer wieder allgemeine Budgetmittel zugeschossen wurden.

Die nunmehr gestellte Forderung, das Verursacherprinzip auch auf den Verkehr anzuwenden und von den Straßenbenützern zu verlangen, daß sie für sämtliche Kosten auch selbst aufkommen, hat zweifellos ihre Berechtigung. Eine andere Frage ist, ob man deswegen gleich eine Drehung um 180 Grad unternehmen soll und — wie tatsächlich schon gefordert wurde — die Zweckbindung für die Mineralölsteuer aufgeben, um den Massentransport im Nahverkehr und das Defizit der Bundesbahnen mit Autofahrer-Geldern zu decken. Damit wird jetzt in die Gegenrichtung übers Ziel geschossen.

Ebenso ist die Idee der Autobahnmaut mit Recht kontroversiell: Allein bereits die vorgesehene Regelung, wonach die künftige Südautobahn mautpflichtig werden soll, während die Westautobahn mautfrei bleibt, stellt eine Diskriminierung dar, zu deren Ablehnung man noch lange kein steirischer Lakaipatriot sein muß. Den Landeshauptleuten nun den Schwarzen Peter zustecken zu wollen, indem man sie vor die Wahl stellt, entweder für die unpopuläre Maut zu plädieren oder die „Schuld“ für das Nichtbauen der Autobahn auf sich zu laden, ist reichlich unfair.

Dies um so mehr, als die Autobahnmaut überhaupt eine sehr dubiose Institution ist, und die italienischen Erfahrungen mit diesem Straßenbau-Finanzierungsinstrument alles andere als ermutigend sind. Die wichtigsten Einwände sind: • Die Kosten der Mauteinhebung sind in den meisten Fällen so hoch, daß sie — setzt man die Gebühren nicht in prohibitiver Höhe fest —

den Großteil des eingehobenen Obu-lus verschlingen.

• Zweitens: An den Mautstellen entsteht — speziell bei- starkem Verkehrsaufkommen — ein Rückstau, oft mit langen Wartezeiten, daß die ganze Autobahn ad absurdum geführt werden kann.

• Drittens — und dies ist der entscheidende Punkt: Die Maut macht die Autobahn zur Luxusstraße für den Luxusverkehr und drängt gerade jenen Verkehr, welcher in erster Linie auf die Autobahn soll — nämlich den Massen- und Schwerverkehr — auf die normalen Straßen ab. Resultat: Die Straßen, welche dem Lokalverkehr dienen sollen, sind weiterhin vom Fernverkehr verstopft, die Autobahnen weisen hingegen eine ungenügende Frequenz

auf und amortisieren sich durch die Maut erst recht nicht. Man erkundige sich nur nach den italienischen Erfahrungen, speziell nach den letzten Mauterhöhungen.

Die Idee, daß der Verkehr auch zur Gänze die Kosten tragen soll, ist richtig. Dies aber kann nur durch generelle Verkehrssteuern, nicht durch SpezialSteuern auf neu zu errichtende Autobahnen erfolgen. Im übrigen werden wir uns damit abfinden müssen, daß in Hinkunft Autofahren überproportional teuer wird. Dies darf allerdings nicht zum Freibrief für unbeschränkte Erhöhungen werden — weder für den Staat, noch für Versicherungen, Reparaturwerkstätten usw. Sie alle sind der Pflicht zur Sparsamkeit und Rationalisierung nicht enthoben.

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