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General Zia sitzt auf einem Vulkan

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Pakistans Militärjunta unter General Zia ul-Haq ist durch eine aufmüpfige Opposition und Wirtschaftsprobleme unter Druck geraten. Mit einer Wahlankündigung trat Zia die Flucht nach vorn an.

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Pakistans Militärjunta unter General Zia ul-Haq ist durch eine aufmüpfige Opposition und Wirtschaftsprobleme unter Druck geraten. Mit einer Wahlankündigung trat Zia die Flucht nach vorn an.

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Die pakistanische Nordwest-Grenzprovinz war Ende März Schauplatz des lange erwarteten politischen Frühlings in der westasiatischen Wetter-Ecke. Präsident und Kriegsrechtsverwalter, General Zia ul-Haq, wählte die hiesige Provinzstadt Peshawar und die Grenzregion hin zum kriegsgeschüttelten Afghanistan, um dem pakistanischen Volk seine Vorstellungen von der bevorstehenden Demokratisierung des Landes mitzuteilen.

Es ist dies Zias dritte Wahlankündigung, die beiden früheren für die Jahre 1977 und 79 blieben unerfüllt. Doch nun steht auch Pakistans MilitärJunta unter Zeitdruck: politische Unrast unter Intellektuellen und Studenten, aber auch in den Dörfern der oppositionellen Sind-Provinz und eine fallende Wirtschaftsbilanz haben die pakistanische Öffentlichkeit in den letzten Wochen und Monaten verunsichert und zwingen die Militärs, ihren repressiven Regierungsstil aufzugeben.

Bereits am 12. August vergangenen Jahres, dem pakistanischen Unabhängigkeitstag, hatte Präsident Zia das Ende des Kriegsrechts im Land und den Ubergang zu einer Zivilregierung bis spätestens im März 1985 versprochen. Zum Beweis dafür ließ er im Herbst darauf Wahlen auf Dorf- und Distriktebene abhalten, allerdings ohne daß das mit Amtsantritt der Militärjunta 1977 in Kraft getretene Parteienverbot aufgehoben wurde. Politiker, die in irgendeiner Verbindung zu einer der oppositionellen Gruppierungen standen, wurden auch nicht als Einzelkandidaten zugelassen.

So entschlossen sich die bedeutendste der pakistanischen Oppositionsparteien, die von Begum und Benazir Bhutto, der Witwe und Tochter des hingerichteten früheren Regierungschefs Zulfi-kar Ali Bhutto, präsidierte Volkspartei und mit ihr die Koalitionsbewegung „zur Wiederherstellung der Demokratie", den Urnengang zu boykottieren. Genaue Wahlresultate wurden nie bekanntgegeben, da die Armee-Loyalisten unbestritten waren.

Nach dieser Wahlfarce auf Distriktebene hat der pakistanische Herrscher für einen noch unbestimmten Zeitpunkt im kommenden Herbst oder Winter die Neubestellung der Provinzparlamente und die Volkswahl der suspendierten Nationalversammlung angeordnet. Nach fünfjähriger Alleinherrschaft ließ Zia seine Regierungsentscheide während der letzten zwei Jahre von einer Handvoll von ihm selbst nominierten Volksvertretern absegnen. Ob sich diese Machtkonzentrierung trotz aller Demokratie-Versprechen künftig wesentlich ändern wird, steht auf einem andern Blatt.

Wie schon in den letzten Wochen hat Zia auch beim Beginn seiner Wahlkampagne in Peshawar wiederum deutlich gemacht, daß jede Rückkehr zu einem zivilen System in Pakistan von den Gesetzen des Islam diktiert sein wird (siehe Kasten).

Der Kriegsrechtsverwalter weiß nur zu gut, daß die durch verschiedene Umstände begünstige wirtschaftliche und innenpolitische Stabilität im Land abzubröckeln beginnt. Die Militärjunta und Zia selbst konnten nie viel Sympathie für sich in Anspruch nehmen, weder beim Volk auf dem Land und schon gar nicht bei der städtischen Elite.

Dies stellt Zia im Hinblick auf die kommenden nationalen Wahlen in Rechnung und kommt zum Schluß, daß ein Urnengang auf Parteiebene nach wie vor von der Volkspartei (PPP) seines Vorgängers Zulfikar Bhutto gewonnen würde. Und so sind sich trotz aller Unsicherheit über den Weg, auf den Zia von der Militärherrschaft zu einer zivilen Regierungsform hinüberwechseln wird, alle Gesprächspartner in Pakistan im Moment einig darüber, daß der Präsident zunächst ein Mittel suchen muß, um das Ruder selbst in den Händen zu behalten.

Der jüngste Beweis für diese These scheint die Ersetzung von zwei von Zias höchsten Armeekommandanten durch zwei enge Vertraute, die bisher nicht zur obersten Führung gehörten. Zia hatte allerdings innerhalb seines Offizierstabes nie ernste Rivalität zu fürchten, obwohl vor wenigen Wochen von einem mißglückten Putschversuch die Rede war, hinter dem ungestüme Armee-Karrieristen gestanden sein sollen. Doch in der eigentlichen Regierungs-Junta schien Zia immer unbestritten Priorität eingeräumt worden zu sein.

Ausländische Diplomaten in der Hauptstadt Islamabad sind überzeugt, daß Zia ul-Haq mit der Bekanntgabe des genauen Datums für die Parlamentswahlen so lange zuwarten wird, als der Urnengang für ihn das geringste Risiko enthält, seine Vormachtstellung zu verlieren.

Pakistan, seit dem Einmarsch der Sowjets am Hindukusch der „Polizist" am ölreichen arabischen Golf, ist vom Westen in den letzten fünf Jahren gehegt und gepflegt worden. Die moderne Militärrüstung, die fast wöchentlich aus Washington hier eintrifft, aber auch die wirtschaftlichen Kredite und die Weltbankdarlehen gaben Zias Militärdiktatur seit 1979 soliden Rückhalt.

Alle die Integrationsprobleme, mit denen der frühere Premierminister Bhutto zu kämpfen hatte — die Autonomiebewegung in den Stammesgebieten von Belutschi-stan, die Rivalitäten zwischen den Bauern von Sind und Punjab und die unsichere Grenzlage mit Indien im nordöstlichen Kaschmir — diese Sorgen scheinen mit Pakistans Frontstaatenrolle unter den Teppich gewischt.

Als Gastland von über zwei Millionen afghanischen Flüchtlingen genießt Zia nochmals Sonderrechte. Doch, so glauben die kritischen Beobachter der hiesigen Szene, sitzt Zia ul-Haq auf einem Vulkan. Das Volk ist vielleicht noch nicht ganz so verunsichert wie zu Bhuttos Zeiten, wo zwar eine demokratische Staatsform galt, jedoch totale Mißwirtschaft herrschte.

Zias Militärherrschaft wird selbst von seinen Gegnern als relativ milde beurteilt, sie ist dennoch repressiv und hat keines der wichtigen nationalen Probleme zu lösen vermocht. Die Ernten der letzten Jahre waren gut, doch dies ist — so Zias Opposition — ebensowenig wie die Devisen der zigtau-send emigrierten Golfarbeiter, die die Handelsbilanz ausgleichen helfen, des Präsidenten Verdienst.

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