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Generöse Länderpraxis
Die Erwartungen in den Transitvertrag - zwischen EG und Österreich abgeschlossen - waren hoch gesteckt. Eindämmung der Verkehrslawine durch eine Plafondsregelung für Transitfahrten auf den Straßen, sowie Kontrolle der Emissionen des verbleibenden Straßengüterverkehrs durch ein Ökopunktesystem.
Die Erwartungen in den Transitvertrag - zwischen EG und Österreich abgeschlossen - waren hoch gesteckt. Eindämmung der Verkehrslawine durch eine Plafondsregelung für Transitfahrten auf den Straßen, sowie Kontrolle der Emissionen des verbleibenden Straßengüterverkehrs durch ein Ökopunktesystem.
Während der zwölf Jahre Laufzeit sollen die Frachter gezwungen werden, immer umweltfreundlichere Laster einzusetzen. Als weiteres Ziel nannte Günther Hanreich, Leiter der Sektion Verkehrspolitik und Straßenverkehr im Verkehrsministerium: „Die zwölf Jahre des Transitvertrags müssen zur Verbesserung des Bahnangebots und zur Herstellung der Kostenwahrheit auf der Straße genützt werden."
Die Kritiker sehen das freilich anders. Nicht nur, daß Österreich in die Verhandlungen mit einem Angebot von 1,1 Millionen Fahrten und die EG mit 1,3 Millionen gegangen ist, was zu einem Ergebnis von 1,263 Millionen Fahrten geführt hat, jetzt wird durch eine Fülle von Ausnahmebestimmungen der Transitvertrag ausgehöhlt.
Besonders schwer wiegt der Vorwurf an die einzelnen Bundesländer, die die Möglichkeit haben, Ausnahmeregelungen zu gewähren. Ausnahmen, die Größe, Länge, aber auch das Gewicht des Fahrzeugs betreffen. Diese durchaus sinnvolle Einrichtung erlaubt beispielsweise den Transport von Brückenteilen oder Turbinen. Doch die Verantwortlichen in den Bundesländern waren mit der Verteilung von Ausnahmeregelungen äußerst großzügig. So haben Holztransporteure die begehrte Ausnahmebestätigung erhalten, um mit schweren Fahrzeugen durchs Land zu fahren. Während sich also die Bundesregierung in Brüssel um die Beibehaltung der Tonnagenobergrenze pro LKW bei 38 Tonnen stark macht, unterlaufen Beamte in den Bundesländern die Bemühungen. Obwohl ein abschließender Bericht noch nicht vorliegt, bestätigt Günther Hanreich, daß es sich um „vierstellige Größenordnungen" handle.
Solche Erscheinungen sind Wasser auf die Mühlen der Kritiker, denen die Abfertigungspraxis an der Grenze ohnehin viel zu lasch erscheint. Es gibt Grenzübergänge, an denen Frachter kaum mehr zum Abwiegen auf die Waage fahren. Dem entgegnet Günther Hanreich, daß es überhaupt nicht möglich sei, die gesamte Menge an durch Österreich fahrenden LKWs zu prüfen. Wo Kontrolle fehlt, ist dem Mißbrauch Tür und Tor geöffnet, meint Friedrich Smola von den Grünen.
Angeblich sollen Zöllner an Grenzstationen von Vorgesetzten angehalten werden, besonders großzügig über festgesetzte Begrenzungen hinwegzusehen. Diese Entscheidung sei durch Gefälligkeiten der Frächterlobby herbeigeführt worden. Selbstverständlich läßt sich keiner der Informanten beim Namen nennen und versichert, im Emstfall alles abzustreiten. Hanreich, mit diesen Aussagen konfrontiert, meint: „Ausschließen kann ich Fehlverhalten von Beamten nicht", doch diese Vorwürfe werde er an die zuständige Sektion im Verkehrsministerium weiterleiten.
Verärgert sind die Kritiker des Transitvertrags auch über die Rechtsunsicherheit. Der Transitvertrag regelt nur den Verkehr von einem EG-Land durch Österreich in ein anderes EG-Land. Nicht betroffen sind jene Fahrten, die der Kontingentierung zwischen Österreich und dem betreffenden Land unterliegen, die den Verkehr zwischen EG und Nicht-EG-Länder (etwa Ungarn) betreffen und die in der europäischen Verkehrsministerkonferenz geregelt worden sind. Das sind 16 Fahrten für jedes der 28 europäischen Länder.
Vergegenwärtigt man sich den Wunsch der EG, daß Österreich auch unabhängig von einer EG-Mitgliedschaft seine Grenzen am Brenner, bei Kufstein und am Walserberg de facto zu EG-Binnengrenzen macht, was eine Vollmitgliedschaft in gewissem Sinn vorwegnehmen würde, wird klar, daß noch weniger Kontrolle erwünscht wird.
Daran ändert auch die im EWR fixierte Formel, daß Österreich Kontrollen in erforderlicher Dichte durchzuführen berechtigt ist, nichts. Wenn schon die Grenzen nicht absolute Sicherheit beim Einhalten der Bestimmungen geben, wie sollte dies später möglich sein, wenn die Stichproben irgendwo auf freier Strecke erfolgen?
Der Beschluß der Bundesregierung und des Parlaments, am Transitvertrag auch dann festzuhalten, wenn Österreich Vollmitglied in der EG ist, bleibt löblich. „Wir müssen das Transitabkommen mit Brüssel als EG-Primärrecht durchbringen", sagte Verkehrsminister Rudolf Streicher bereits am 26. November 1990. „Wenn wir das nicht schaffen, fahren alle ohne Einschränkung durch, sobald wir EG-Mitglied sind."
Reinhard Bü-
scher, Mitglied des Kabinetts von EG-Vizepräsident Martin Bangemann, lieferte am 20. Februar 1992 den ergänzenden Hinweis: „Schauen Sie doch einmal auf die Landkarte, und Sie werden sehen, daß Italien ohne eine Regelung mit Österreich am Binnenmarkt de facto nur am Luft- und Seeweg teilnehmen kann." Drohender formuliert Heinrich Mathis: „Österreich wird gut daran tun, die Demonstration der Machtverhältnisse in einem gemeinsamen europäischen Haus zur Kenntnis zu nehmen. Genauso wie jetzt in der Transitfrage, werden auch künftig die Entscheidungen in Brüssel getroffen."
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