6825586-1974_10_09.jpg
Digital In Arbeit

Geprellte Afrikaner

19451960198020002020

Eine der zahlreichen weltpolitischen Veränderungen, welche die Nahostkrise mit sich brachte, war das Entstehen einer Art afro-arabischer Solidarität. Im Verlaufe des Oktoberkrieges brach ein schwarzafrikanisches Land nach dem anderen die diplomatischen Beziehungen mit Israel ab, darunter so gemäßigte und westlich orientierte Staaten wie Kenia, Senegal und Äthiopien, die bisher sehr gute Beziehungen zu Israel unterhalten hatten.

19451960198020002020

Eine der zahlreichen weltpolitischen Veränderungen, welche die Nahostkrise mit sich brachte, war das Entstehen einer Art afro-arabischer Solidarität. Im Verlaufe des Oktoberkrieges brach ein schwarzafrikanisches Land nach dem anderen die diplomatischen Beziehungen mit Israel ab, darunter so gemäßigte und westlich orientierte Staaten wie Kenia, Senegal und Äthiopien, die bisher sehr gute Beziehungen zu Israel unterhalten hatten.

Werbung
Werbung
Werbung

Noch im Juni des Vorjahres hatte es auf der Gipfelkonferenz der Organisation für die Einheit Afrikas (OAU) von einem Großteil der schwarzafrikanischen Staaten heftigen Widerstand gegen einen zu großen Einfluß der Araber in dieser Organisation gegeben. Aber der Gesinnungswandel Afrikas hatte einleuchtende Gründe. Die Araber hatten — als Gegenleistung für den Bruch Afrikas mit Israel — versprochen, aktiver in den Kampf gegen die. Weißen im südlichen Afrika einzuigreifen und wahrscheinlich große Geldsummen zum Ankauf von Kriegsmaterial für die Guerilleros in Aussicht gestellt. Das totale ölembargo, das die Araber dann auf der arabischen Gipfelkonferenz in Algier über Südafrika, Rhodesien und Portugal verhängten, sollte wohl eine Belohnung für Afrikas solidarische Haltung in der Nahostfrage darstellen.

Hat sich dieser Handel für Schwarzafrika gelohnt? Noch vor einigen Monaten mag es so ausgesehen haben, daß sich die afrikanischen Staaten gegen die negativen Folgen der Ölkrise abgesichert hätten, als sie von den arabischen öl-staaten Versprechungen auf bevorzugte Behandlung erhielten. Die Entscheidung der arabischen Staaten, ein totales ölembargo gegen das südliche Afrika zu verhängen, erschien ebenso politisch lukrativ wie die Errichtung einer arabischen Entwicklungsbank für Afrika wirtschaftlich vielversprechend aussah.

Sehr bald jedoch stellte sich heraus, daß die drastischen ölpreis-erhöhungen weit ernstere Folgen für Schwarzafrika haben als der Lieferboykott für das hochindustrialisierte reiche Südafrika.

Abgesehen von Nigeria, Gabon und Kongo, die ihren Rohölbedarf aus den eigenen Vorkommen decken können, ist das übrige Schwarzafrika zur Deckung seines Rohölbedarfs von Importen abhängig. Darunter verfügen elf Staaten über eigene Raffinerien, aber siebzehn andere besitzen weder eigene Erdölvorkommen noch eigene Raffinerien und sind zur Gänze von den internationalen ölgesellschaften abhängig.

Die ölpreiserhöhungen treffen die Volkswirtschaften dieser Entwicklungsländer in mehrfacher Form und deshalb wesentlich härter als die Industrienationen.

Die enorm gestiegenen Kosten werden zweifellos den Energieverbrauch der betroffenen Länder beschränken, was zu einer beträchtlichen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führen dürfte. Dazu kommen die Auswirkungen auf die Zahlungsbilanzen.

Darüber hinaus werden die afrikanischen Staaten nicht nur das Doppelte für ihre ölimporte zu zahlen, sondern auch ein fühlbares Steigen der Ausgaben für Einfuhren von Investitions- und Konsumgütern aus den Industriestaaten zu tragen haben. Das wird die afrikanischen Staaten zwingen, Luxusgüterimporte einzuschränken. Die Einfuhr von Maschinen und anderen Kapitalgütern kann jedoch nicht eingeschränkt werden, wenn Afrika seine Entwicklungspläne einhalten will.

Europa seinerseits könnte sich gezwungen sehen, den Import von Primärgütern aus Afrika einzuschränken, was eine empfindliche Einbuße an Deviseneinnahmen bedeutet, und das zu einer Zeit, in der die höheren Importkosten Afrikas Devisenreserven in gesteigertem Maße beanspruchen. Es ist auch anzunehmen, daß Europa bei Anhalten der eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Ausgaben für Entwicklungshilfe und Auslandsinvestitionen kürzen wird.

Die Ölkrise wird ferner die internationalen Fluglinien, insbesondere die Charterorganisationen, dazu zwingen, die Zahl ihrer Flüge zu reduzieren. Auf der anderen Seite werden infolge höherer Flugpreise viele europäische Touristen in Zukunft wahrscheinlich Urlaub im eigenen Land machen. Dadurch werden vor allem die nord- und ostafrikanischen Länder spürbare Einbußen ihrer Deviseneinnahmen erleiden. Daneben werden die Auswirkungen der Ölkrise auch auf die Frachtkosten von und nach Afrika fühlbar werden.

Demgegenüber werden Südafrika, Portugal und Rhodesien unter dem arabischen ölembargo wenig zu leiden haben. Nur 25 Prozent des südafrikanischen Energiebedarfs werden durch Erdöl gedeckt, und davon kommt die Hälfte aus, Persien, das sich dem Boykott nicht angeschlossen hat. Südafrika hat einen schier unerschöpflichen Vorrat an Kohle und Rohölreserven für mindestens drei Jahre.

Daß Portugal durch das arabische Embargo getroffen wird, ist mehr als zweifelhaft. Zeitungsberichte, die behaupteten, daß neue ölfunde Angola zu einem zweiten Kuwait machen könnten, wurden zwar in Lissabon offiziell dementiert, aber Angola und Cabinda können heute schon einen Teil des portugiesischen ölbedarfs decken. Angesichts des totalen ölembargos wurden eben die portugiesischen ölexporte in nichtportugiesische Gebiete eingestellt.

Rhodesien wird von Südafrika mit öl versorgt. In Salisbury wird behauptet, daß man auch bei nur siebzig Prozent der bisherigen Liefermenge das ständige siebenprozentige Wirtschaftswachstum beibehalten könne.

Es stellt sich also bereits heraus, daß die arabischen Gegenleistungen für die uneingeschränkte Parteinahme Afrikas gegen Israel keineswegs die erwarteten Vorteile für Schwarzafrika gebracht haben. Die Gründung einer Entwicklungsbank für Afrika wird angesichts der enormen Erhöhung der ölpreise und der damit verbundenen negativen Kettenreaktion auf die Volkswirtschaften zu einem bloßen Feigenblatt der neuen afro-asiatischen Solidarität, und der politische Erfolg, den man sich von der Parteinahme der Araber gegen die Weißen im südlichen Afrika erwartet hatte, blieb ein bloß propagandistischer.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung