7003016-1987_32_08.jpg
Digital In Arbeit

Gerangel in den Kanalen

Werbung
Werbung
Werbung

Lrankreich privatisiert -J^Großindustrien werden verkauft, Großbanken und nun auch Fernsehkanäle, wobei es bei letzteren mehr um die Zulassung von neuen, privaten Kanälen geht. Doch während es dem einzelnen kaum auffällt, wenn ein Großunternehmen entstaatlicht wird, betrifft die völlige Umwälzung im Fernsehen jeden einzelnen Franzosen, und das mehrere Stunden täglich. Aber vorläufig sind die französischen Fernseher weder schockiert noch begeistert von der Wende in ihren Sehgewohnheiten. Sie sind erst einmal neugierig.

Bis vor drei Jahren gab es in Frankreich drei öffentliche FS-Anstalten: TF 1, der erste Kanal, mit einem Programm für die „breite Masse”. Danach kam „Antenne 2”, vom offiziellen Auftrag her mit einem etwas anspruchsvolleren Programm. Der jüngste im Bunde war France Regional 3, FR 3, mit Betreuung der lokalen, provinziellen Bedürfnisse im „Cahier des Charges”, im „Auftragsheft”, wie es so schön heißt.

Aber Frankreich war seit jeher viel zu zentralistisch, als daß es auch nur annähernd zu einer Befriedigung der lokalen Bedürfnisse von der Art gekommen wäre, wie sie in angelsächsischen Ländern üblich ist.

Seit 1968 gibt es Werbung im Fernsehen. TF 1 und A 2 deckten damit 1986 rund 60 Prozent ihrer Kosten, FR 3 nur 16,5 Prozent. TF 1 kassierte 1986 rund 1,5 Milliarden Francs an Werbeeinkünften, A 21,7 Milliarden. Nun wurde TF 1, das Flaggschiff des französischen Fernsehens, verkauft. Neu als private Kanäle dazu kamen der vierte Kanal oder „Canal Plus”, der fünfte Kanal „ La Cinq” und als sechster Kanal „Metropole 6”.

Noch können nicht alle Franzosen von Kanal zu Kanal schalten. „Canal Plus” ist ein werbefreier Kanal, den man gegen Gebühr einschalten kann. Die entsprechenden Entcoder benützen immerhin bereits über vier Prozent der Seher ständig. „La Cinq” erreicht nur 40 Prozent des französischen Staatsgebietes, und das nicht immer mit besten Ergebnissen. „Metropole 6” kann nur von etwa acht Prozent der Bevölkerung empfangen werden. Am besten bedient sind vorläufig die Einwohner der Region Paris. Aber das soll sich bald ändern.

Gewaltige Summen sind schließlich im Spiel. Francis Bouyges, Besitzer der größten' Baufirma der Welt, hat zusammen mit dem britischen, aus der Tschechoslowakei stammenden Medienmagnaten Robert Maxwell (13 Prozent) drei Milliarden Francs für 50 Prozent von TF 1 bezahlt. Die restlichen 50 Prozent werden demnächst ans breite Publikum verkauft.

Mit TF 1 bekamen Bouyges und Maxwell eine funktionierende, das gesamte Staatsgebiet decken-*de Anstalt. „Zu teuer funktionierend”, stellten die beiden gleich £est und begannen, überschüssiges Personal abzubauen. Konkurrent Süvio Berlusconi, der italienische Medienmagnat, zusammen mit Robert Hersant, dem französischen „Springer”, Betreiber von „La Cinq”, half ihnen mit seinen italienischen Methoden:

Er wirbt mit astronomischen Gagen die Publikumslieblinge von TF 1 ab. Ja, fast noch schlimmer: Auch allen Spitzentechnikern von TF 1 bietet er Traumgehälter, so daß TF1 in Gefahr kommt, nur mehr mit zweitklassigem Personal dazustehen. „La Cinq” kann sich da etliches leisten, denn zum Unterschied von Bouyges hatten Berlusconi und Hersant für ihre Lizenz nichts zu bezahlen.

Während das Publikum mehr oder weniger amüsiert die spektakuläre Seite der Kämpfe um seine Gunst verfolgt und sich daran zu gewöhnen versucht, daß hinter jedem Fümkuß ein Werbespot lauert, mobilisieren Film- und Fernsehproduzenten, um das nach italienischem Muster drohende Desaster abzuwenden. Sie wollen in gemeinsamer Aktion die Anstalten zwingen, die Vorschriften einzuhalten, nach denen diese einen bestimmten Prozentsatz der Programme selbst produzieren sollten, statt sie billigst aus Amerika zu importieren.

Die französischen Intellektuellen ihrerseits sehen das Zeitalter der absoluten Mittelmäßigkeit angebrochen. Bisher waren wenigstens, wie in allen öffentlichen Fernseh-Anstalten Europas, Werbespots vom Programm getrennt. Nun werden, wie in Italien und den USA, Programm und Werbung vermischt.

Durch die kürzere Dauer der Werbung wird ihr Abschalten reduziert, gleichzeitig aber auch das Programm völlig der Werbewirksamkeit untergeordnet. Der Werber sucht ein Programm mit hohen Einschaltquoten.

Experimente kann sich hier niemand leisten. Erfolge werden über endlose Variationen ausgeschlachtet, und erst wenn das Publikum endgültig dessen müde wird, kommt etwas anderes. Da aber wiederum der Programmierer gezwungen ist, einen Erfolg vorauszusagen, greift er nicht nach dem wirklich Neuen — und damit Riskanten -, sondern nach dem, was anderswo Erfolg hatte.

Die Intellektuellen sehen hier die schlimmste Seite einer Planwirtschaft, wenn auch privater Art, fröhliche Urständ feiern und damit Frankreichs traditionelle Rolle als Bahnbrecher in der Fümkunst in Gefahr.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung