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Gerechtigkeit — ein leeres Schlagwort

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Seinen Steuerbescheid hat der Autor - Selbständiger und Alleinerhalter von drei Kindern - zum Anlaß einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof genommen. Er erläutert seine Argumente.

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Seinen Steuerbescheid hat der Autor - Selbständiger und Alleinerhalter von drei Kindern - zum Anlaß einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof genommen. Er erläutert seine Argumente.

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Der Weg der Kinder von quellenreichen Gefilden in die trockene Steuerwüste wurde vom Gesetzgeber in drei Etappen vollzogen.

Bis 1967 wurde kinderreichen Familien eine Ermäßigung der Progression gewährt. Während also der Junggeselle etwa 40 Prozent Steuer zahlte, mußte der Versorger von etwa drei Kindern eben nur 25 oder 20 Prozent von seinem Einkommen an den Staat abführen.

Hernach (Einkommensteuergesetz 1967 und Novelle 1972) gab

man Steuerpflichtigen, welche Kinder zu versorgen hatten, nur mehr das Recht, von der Jahres-steuer einen Betrag von etwa 4000 Schilling abzusetzen. Der Dank des Staates an kinderreiche Familien bedeutete also, daß sich der steuerzahlende Familienvater von dem, was er dem Staat abführte, pro Kind und Monat einen Betrag von etwas mehr als 300 Schilling, oder pro Kind und Tag einen Betrag von etwas mehr als 10 Schilling einbehalten durfte.

Von da bis zur Abschaffung des Kindes als steuermildernder Tatbestand war es nicht mehr weit. Hier wurde wieder eine bewährte Methode des Steuerrechtes angewendet. Abgabenzugeständnisse aus Gerechtigkeitserwägungen werden zunächst grundsätzlich

beibehalten, aber im Betrag so weit reduziert, bis die gänzliche Abschaffung niemand mehr auffällt. So kann man ja bereits hören, daß die zur bloßen Farce, herabgesunkene, steuerfreie Wohnungsbeihilfe von monatlich J30 Schilling, ist gleich täglich 1 Schilling, keine Uberlebenschancen hat.

Die Abschaffung des Kindes im Steuerrecht wurde vom Staat

überdies damit begründet, daß ohnehin ein Kinderbeihilfenfonds bestehe und der nunmehr verlorengegangene Steuereinbehalt von etwa 300 Schilling pro Kind und Monat dadurch wettgemacht würde, daß die Kinderbeihilfe in ungefähr gleicher Höhe aufstockt wurde (von rund 700 Schilling auf rund 1000 Schilling).

Diese Regelung bedeutet zwar eine Verarmung kinderreicher

Famüien, weil dem Staat weit mehr an Steuern abgeliefert werden muß als man von ihm im Umweg über die Kinderbeihilfe zurückerhält (jedermann weiß, daß ein Kind mehr kostet als 1000 Schilling monatlich), hat aber fürs erste doch die Blendwirkung, daß nun gleiches Recht für alle geschaffen wurde, das heißt, daß das vom Staat für die durstigen Kinder bereitgestellte Quellenwasser auf alle Schichten gleichmäßig verteilt wird.

Mit diesem Argument der sogenannten Chancengleichheit der Kinder wurde nun die Steuerreform 1977 begründet, die das Kind nicht mehr als Tatbestand des Steuerrechtes, sondern nur mehr als Tatbestand eines Unterstützungsrechtes ansah.

Zunächst muß man wissen, daß sämtliche Kinderbeihilfen aus der Sektion A des Kinderbeihilfenfonds stammen (die Sektion B ist im wesentlichen für die Geburtenbeihilfe geschaffen). Diese Sektion A wird aber einzig und allein von den Selbständigen gespeist, welche für jeden Dienst-

nehmer eine Abgabe von 4,5 Prozent an den Kinderbeihilfenfonds abführen müssen.

Während die Unterstützungsaktion des Staates, so dürftig sie sein mag, für die Unselbständigen ein Plus bedeutet, gehen die Selb-ständigen-Kinder leer aus, weil deren Väter gezwungen werden, das staatliche Familienbecken vorerst mit Kammern zu füllen, auf daß sie dann mit Bechern für ihre Kinder Wasser zugeteilt bekommen.

Verfassungsrechtlich bedenklich scheint aber zu sein, wenn Unselbständige noch auf andere Weise bei der derzeitigen Regelung der Kinderfrage begünstigt sind.

Die Eliminierung des Kindes aus dem Steuerrecht erfolgte nämlich nicht total. Ein Rest der alten Regelung blieb bei der Sonderbesteuerung des 13. und 14. Monatsgehaltes übrig. Diese Sonderzahlungen werden nämlich mit sogenannten fixen Steuersätzen, nämlich bei drei Kindern mit 0 Prozent, bei zwei Kindern mit 1 Prozent, bei einem Kind mit 2 Prozent und bei Kinderlosen mit 6 Prozent erfaßt. Ein Angestellter in gehobener Position, der etwa 30.000 Schilling verdient, kann daher, wenn er für drei Kinder sorgepflichtig ist, den gesamten 13. und 14. Monatsgehalt, sohin 60.000 Schilling, steuerfrei in die Tasche stecken.

Das ist eine durch nichts zu rechtfertigende Differenzierung zwischen selbständigen und unselbständigen Familienvätern.

Dr. Ernst Bollenberger ist Rechtsanwalt in Wr. Neustadt.

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