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GESAMMELTES VERTRAUEN

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Die großen kirchlichen Spenden-, sammler haben sich eine „Selbstverpflichtung" auferlegt. Ihre Devise: Vertrauen durch Transparenz.

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Die großen kirchlichen Spenden-, sammler haben sich eine „Selbstverpflichtung" auferlegt. Ihre Devise: Vertrauen durch Transparenz.

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Es geht um große Summen. Helmut Ornauer von der „Koordinierungsstel-le der österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission" schätzt, daß in Österreich jährlich etwa zwei Milliarden Schilling für wohltätige Zwecke gesammelt werden. Allein seine Institution - im Branchenj argon zeitsparend „KOO" genannt - hat im Vorjahr 677 Millionen Schilling an Leistungen ihrer Mitgliedsorganisationen registriert. Rechnet man noch 160 Millionen an öffentlichen Mitteln dazu, die in von KOO-Mitgliedern unterstützte Projekte flössen, sowie den durchschnittlichen Verwaltungsaufwand von 7,5 Prozent, so ergibt das als Summe etwa 900 Millionen Schilling, die von kirchlicher Entwicklungsförderung umgesetzt wurde.

Aber die großen kirchlichen Sammlungen sind längst keine unangefochtenen Platzhirschen mehr. In den achtziger Jahren haben sich viele neue Spendenorganisationen etabliert und betreiben ihr „fund raising" nach allen Regeln der Kunst. Durch die große Zahl der Spendenwerber wächst die Unübersichtlichkeit und damit -so Helmut Ornauer in einem Positionspapier - „die Unsicherheit, ob die eingesetzten Mittel tatsächlich und in jedem Fall den guten Zweck erfüllen". Wo aber einmal der Zweifel nistet, ist er nur schwer auszuräumen. Allzu schnell werden Untaten einzelner schwarzer Schafe der ganzen Branche angelastet. Und das Sündenregister mancher Spendensammler ist bereits von beträchtlicher Länge. Es reicht von exorbitanten „Verwaltungskosten" über schlampige Abrechnungen bis hin zu einzelnen Fällen manifester Veruntreuung.

Nach dem Kadi zu rufen und mit Gesetzen die Sammlerflut einzudämmen, wäre der eine Weg. Die großen kirchlichen Spendenorganisationen haben sich für einen anderen entschieden: Sie beschlossen eine bis ins Detail gehende „Selbstverpflichtung", die in 31 Punkten Fragen wie Spenden Werbung, finanzielle Gebarung oder die Information der Öffentlichkeit regelt (siehe Kasten). Auch neue „Verrechnungsrichtlinien" wurden verabschiedet. In Zukunft werden die Ausgaben vier Kategorien zugeordnet:

1. Projektmittel (jene Mittel, die der Projektpartner erhält); 2. Projektvorbereitung und Durchführung; 3. Bildung, Informationsarbeit und Anwaltschaft*' sowie 4. Werbung, Selbstdarstellung und Spendensammlung. Bis zuletzt umstritten war, ob die Organisationen ihren „allgemeinen Verwaltungsaufwand" wie Personal-, Telefon- und Bürokosten et cetera getrennt ausweisen sollten. Die Regelung, wonach diese Kosten den Kategorien zwei bis vier anteilmäßig angerechnet werden, soll nach einjähriger Probezeit neu diskutiert werden.

Da sich kirchliche Organisationen im In- und Ausland auf kirchliche Strukturen stützen, können sie ihren Verwaltungsaufwand sehr niedrig halten. Trotzdem wollen sie ihre Arbeit nicht allein nach der Geringfügigkeit der in Österreich entstehenden Kosten bewertet wissen. Die Päpstlichen Missionswerke zum Beispiel sehen Bildungs- und Informationsarbeit als eine ihrer zentralen Aufgaben.

Folgerichtig haben sie 1992 9,6 Prozent ihres Budgets für diesen Posten verwendet. Auch Caritas-Pressesprecher Wolfgang Bergmann ist überzeugt, daß der in Österreich sinn-

voll ausgegebene Schilling letztlich den Spendenempfängern zugute kommt. Man solle, so Bergmann, „nicht so tun, als würde die Verwaltung nichts kosten".

Männerbewegungs-Generalsekre-tär Georg Kopetzky schlägt in dieselbe Kerbe. Der äußerst geringe Aufwand der Sammlung „Bruder in Not" kommt vor allem durch minimale Personalkösten zustande. Ein Großteil der anfallenden Arbeit wird nämlich neben den sonstigen Aufgaben von den Diözesansekretariaten der KMB erledigt, was für Kopetzky auf Dauer nicht tragbar ist. Fazit: Man werde in Zukunft „deutlicher über die Kosten der Aktion reden müssen".

Die „Verrechnungsrichtlinien" bieten ein Instrument dazu. Man hofft, die Handhabung der neuen Kategorien werde sich bald so einspielen, daß aufgrund der Finanzberichte ein wirklicher Vergleich der einzelnen Organisationen möglich wird.

So wichtig die Vergleichbarkeit ist, so schwer ist sie zu erzielen. Denn jede Sammlung ist in gewisser Weise ein Unikat - mit ihrer Geschichte und ihren Eigenheiten.

In den ersten Jännertagen werden die Sternsinger der Dreikönigsaktion (3KA) aktiv - mit beachtlichem Erfolg: Etwa 115 Millionen Schilling wurden heuer gesammelt. Kindlicher Charme und die verbreitete Wertschätzung weihnachtlichen Brauchtums sind sichtlich gute Voraussetzungen für diese Haussammlung. Hinter dem ehrenamtlichen Engagement in den Pfarren steht ein Hilfswerk von beachtlicher Größe: Das 3KA-Büro ist mittlerweile auf 15 Mitarbeiter in verschiedenen Bereichen angewachsen. Trotzdem sind die Verwaltungskosten (1992: 4,98 Prozent) gering. Daß die Jungschar ihrem Hilfswerk ein hohes Maß an Eigenständigkeit garantiert, hat sich für die Aktion positiv zu Buche geschlagen.

Die Messe am 6. Jänner wird in vielen Pfarren vom kindlich-königlichen Triumvirat mitgestaltet. Dennoch fließt die Sammlung dieses Feiertages in einen anderen Topf. In der „Epiphaniekollekte" bitten die .Päpstlichen Missionswerke" um Unterstützung für die Priesterausbildung in der Dritten Welt. Mehr Geld fließt für die PMW freilich am „Sonntag der Weltmission" im Oktobe/. Über 30 Millionen konnten 1992 für den Lebensunterhalt junger Diözesen in den Ent-

wicklungsländern verbucht werden. Das Spezifikum der PMW ist die zentrale Umverteilung von Mitteln aus dem Norden in den Süden: Die Direktoren der nationalen Missionswerke vergeben in Rom gemeinsam die gesammelten Mittel. Insgesamt machen freilich neben vielen Aktionen und Initiativen die Sammlungen nur rund 20 Prozent des Jahresumsatzes der PMW aus.

Sind die Päpstlichen Missions werke ein großer Betrieb mit etwa 30 Mitarbeitern, so stehen dagegen der Katholischen Frauenbewegung mit ihrem „Familienfasttag" lediglich dreieinhalb Dienstposten für den Bereich Entwicklungsförderung zur Verfü-

gung. Die KFB unterstützt hauptsächlich Projekte in Asien und nimmt den Familienfasttag zum Anlaß für eine intensive Motivations- und Bildungskampagne. In versphiedenen Unterlagen und Behelfen, in einem eigenen Heft zum gewählten Schwerpunktthema, in Seminaren und Veranstaltungen macht sie auf ihr Anliegen aufmerksam.

Ende Juli, am, ,Christophorus-Sonn-tag", bittet die Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft (MIVA) um einen Opfergroschen für die Finanzierung von Transportmitteln. Für die MIVA, die auch einen Zuschuß aus den Erträgen der Dreikönigsaktion erhält, ist die Christophorus-,Aktion mit einem Volumen von etwa 20 Millionen die wichtigste Einnahmequelle. MI VA-Geschäftsführer Franz X. Kumpfmüller möchte selbst die Bedeutung von Fahrzeugen nicht überbewerten und sieht es als Aufgabe der MIVA an, im Zusammenhang der Entwicklungsförderung einen , .kleinen, aber wichtigen Beitrag" zu leisten.

Viel Werbeaufwand ist bei der Augustsammlung der Caritas spürbar. Die weit über Kirchengrenzen hinaus bekannte Hilfsaktion hat mit wichtigen Werbeträgern günstige Bedingungen ausgehandelt und erreicht damit ihre Medienpräsenz für wenig Geld. Im Vorjahr hat die gut beworbene Aktion „Nachbar in Not" auch der Augustsammlung gut getan: Von 60 auf knapp 100 Millionen schwoll das Volumen an. Dennoch ist das, was die Caritas für Nothilfe und ent-wicklungsorientierte Programme im Ausland ausgibt, nur ein relativ kleiner Teil ihrejGesamtbudgets. Daß an

der Wiege der Augustsammlung im Jahre 1973 nicht die Caritas, sondern die Katholische Männerbewegung gestanden ist, findet heute vor allem darin Ausdruck, daß die KMBÖ einen kleinen Anteil aus dem Topf der Augustsammlung erhält.

Die letzte im Jahreskreis der großen kirchlichen Dritte-Welt-Sammlungen ist die Aktion „Bruder in Not" der Katholischen Männerbewegung. Als einzige der österreichweit durchgeführten Kollekten wird sie nicht zentral, sondern diözesan verwaltet. Die Aktion, die vor allem durch ihren speziell gestalteten Adventkalender im Bewußtsein ist, soll nach einem jüngst ausgearbeiteten „Aktionsplan" in ihrer „grundsätzlichen Werbelinie neu überdacht" werden. 100.000 Schilling der Spendengelder werden jährlich als „Romeropreis" für besondere Verdienste um die Evangelisierung vergeben.

Was die „Selbstverpflichtung" fordert, bedeutet keineswegs für alle genannten Organisationen eine Beschreibung des Status Quo. Nicht überall liegen zum Beispiel detaillierte Finanzberichte auf; und auch in anderen Bereichen muß noch einiges geschehen, bis alle das geforderte Niveau erreicht haben. Aber keine der kirchlichen Spendenorganisationen, davon ist KOO-(FotoGurer) Geschäftsführer Ornauer überzeugt, hat etwas zu verheimlichen. Mehr Transparenz kann daher nur von Vorteil sein. Aufgrund überprüfbarer Fakten soll das Vertrauen der Spender erworben und erhalten werden.

Die Selbstverpflichtung der KOO-Organisationen ist für Ornauer daher ein erster Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht ziehen andere mit. ''„Anwaltschaft" ist als „Vertretung der Interessen der Armen der Dritten Welt gegenüber den politischen und wirtschaftlichen Interessen der gesellschaftlichen Gruppen in Österreich" definiert.

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