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Geschäft mit dem Tod

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Österreich soll wieder eine Flugzeugproduktion bekommen. Zwar nur das Assembling, aber immerhin. Etliche Hundert neue Arbeitsplätze in einer Industrieregion, in der andere Betriebe schließen mußten, sind sicherlich nicht gering zu schätzen.

Wir wollen gar nicht auf die außenpolitischen Überlegungen zurückkommen, die hier vor einer Woche aufgegriffen wurden, obwohl sicherlich auch sie in das Pro und Kontra einbezogen werden müssen. Es liegen ja bisher auch nur weitgehend informelle Anfragen einer Privatfirma vor, auf die das Verteidigungsministerium auch nur unverbindlich antworten konnte.

Ob man interessiert sei, die eigenen Maschinen dort warten zu lassen, wenn bei Wiener Neustadt eine dazu fähige Anlage entstünde: Warum nicht, müssen doch heute die Vögel des Bundesheeres zum Service in ihre schwedische Heimat geflogen oder durch von dort kommende Spezialisten gewartet werden!

Und man fragte weiter, ob das Ministerium interessiert sei, die anzukaufenden Abfangjäger im eigenen Land zusammensetzen zu lassen. Auch dagegen konnte nichts eingewandt werden. Aber konnte dies die einzige Folgerung aus der geplanten Betriebsgründung sein?

Denn mit den drei bis vier Dutzend Jägern, die das Bundesheer braucht, sind sicherlich die Investitionen in das neue Werk nicht zu amortisieren. Die Investitionen müßten natürlich mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden. Also müssen die Serien größer werden - und sie müssen exportiert werden. Dorthin, wo gerade -oder in absehbarer Zeit - Bedarf an Kriegsmaterial besteht.

Und hier wird die Sache - zum mindesten in ethischer Beziehung -kriminell. In einer Zeit, da die Großmächte krampfhaft nach einer wenigstens optischen Verminderung ihrer Massenvernichtungsmittel suchen; in einer Zeit, da die Menschen langsam anfangen, sich das Motto „anders leben“ greifbar zu machen; in einer Zeit, da sich das allgemeine Unbehagen mit den Erscheinungs-

formen unserer Welt und unserer Gesellschaft nicht zuletzt an der Beobachtung des Rüstungswahnsinns kristallisiert und in Bürgerintiativen niederschlägt; in einer Zeit, da Päpste und Staatsmänner mit ihren Appellen nach Abrüstung und für Frieden weltweiten Applaus, aber leider (noch) keinen Erfolg erzielen - in dieser Zeit will man im neutralen Kleinstaat Österreich eine Rüstungsindustrie neu auf- oder ausbauen!

Denn der „Fall Kfir“ ist nicht der erste dieser Art. Wenn einer der größten und berühmtesten österreichischen Industriekonzerne ein Drittel seiner Exporterlöse im Waffensektor erzielen will, muß auch dies Unbehagen erzeugen. Gewiß, die Wurzeln dieses weltbekannten Unterneh-

mens liegen in einer vor mehr als hundert Jahren aufgebauten Waffenfabrik; seine Jagdwaffen sind ebenso starke Devisenbringer, wie seine Militärwaffen das Bundesheer von Importen unabhängig machen. Gewiß, ein neutraler Staat muß verteidigungsbereit sein, und dazu gehört auch bis zu einem gewissen Grad die Unabhängigkeit von Einfuhren. Alles dies muß voll anerkannt werden.

Und trotzdem! Schnellfeuergewehre, Jagdpanzer und Abfangjäger - so „gut“ sie sein sollen - können heute nicht mehr als Ware wie jede andere betrachtet werden. Selbst die Versicherung, man wolle NATO-Truppen als Käufer gewinnen, kann nur beschränkt beruhigen.

Wenn auch die gegenseitige Ab-

schreckung einen offenen Konflikt zwischen Ost und West unwahrscheinlich macht - soll nur dafür produziert werden, daß das Produkt nach zehn Jahren verschrottet wird? Oder geht es dann an „Drittkäufer“ weiter - und damit wären wir doch wieder bei dem Punkt, der am meisten zum Entsetzen Anlaß gibt: Kriegsmaterial geht immer dorthin, wo geschossen wird. Nicht auf Hasen oder Wildschweine, sondern auf Menschen, wo auch immer geschossen wird.

Daran ändert auch keine Falschdeklaration, wie einst bei der nach Syrien gelieferten „Sportmunition“ mit Stahlkern zu Minister Lütgendorfs Zeiten. Oder der Hinweis, daß Argentinien keine Kriegszone sei. Wenn ein Land nicht zur Kriegszone werden könnte, würde seine Regierung wohl kaum so horrende Summen in den Waffenkauf investieren.

Niemand denkt daran, alteingesessene Betriebe stillegen zu wollen, weil sie seit Jahrzehnten Waffen produzieren. Aber auch jene alte Waffenfabrik hat sich längst zum Konzern entwickelt, in dem die Waffenproduktion nur noch einen Teil des Gesamtprogramms ausmacht. Eine Rüstungsindustrie jedoch neu aufzubauen, neue Waffenproduktionen einzuleiten - das ist heute nicht mehr zu Vertreten.

Gerade in diesen Tagen rollten die ersten Serien eines neuen Pkw-Typs vom Band, mit denen jener Betrieb -gemeinsam mit einem deutschen Partner - die Fachwelt überraschte. „Made in Austria“ ist weltweit ein Gütezeichen - für Friedensindustrien. Österreichs Arbeiter bieten mit gediegener Leistung, mit sozialem Frieden die Garantie für pünktliche und einwandfreie Lieferung - ein Bonus, den heute nicht mehr viele Industrien für sich buchen können. Muß dann ausgerechnet das Geschäft mit dem Tod gemacht werden?

Die andern machen es auch? Die andern produzieren auch Waffen? Wer zuerst liefert, macht das Geschäft - geschossen wird auf jeden Fall?

Das gleiche Argument von „den andern“ wurde auch für Zwebendorf vorgebracht - und von der Mehrheit der Wähler verworfen. Wenigstens in Österreich. Könnte hier nicht auch ein erster praktischer Schritt gegen den Rüstungswettlauf getan werden, auch wenn er rein symbolisch bliebe? Selbst wenn er vielleicht sogar ein paar wirtschaftliche Schwierigkeiten brächte?

Andernfalls könnte die chemische Industrie auf den Gedapken kommen, die Produktion von Rauschgiften im großen aufzuziehen. Heroin, Kokain, was gerade gefragt wird auf der Drogenszene. Wenn als Käufer auch nicht Regierungen aufträten, das Geschäft wäre sicher. Jetzt machen es die Schmuggler. Und die Arbeitsplätze wären gesichert.

Die Opfer wären in beiden Fällen junge Menschen. Ob durch Panzergranaten, durch Gewehrmunition, durch Rauschgift. Macht das noch einen Unterschied?

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