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Geschäfte mit dem Tod

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Ist das Gutheißen von Waffenlieferungen an den Iran mit dem Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe vereinbar? Wenn ja, was sind amtliche Aussagen der Kirche dann wert?

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Ist das Gutheißen von Waffenlieferungen an den Iran mit dem Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe vereinbar? Wenn ja, was sind amtliche Aussagen der Kirche dann wert?

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Die Rechtfertigung der österreichischen Waffenlieferungen an das iranische Regime durch Andreas Laun ist in mehrfacher Hinsicht aufschlußreich für die Entwicklung in der katholischen Kirche. Laun, ein unter den deutschsprachigen Moraltheologen umstrittener Fachvertreter an einer nichtöffentlichen kirchlichen Hochschule, war immerhin als Bischofskandidat im Gespräch. Können seine völlig entgleisten Äußerungen zum Waffenhandel repräsentativ für die autoritär gesinnte kleine Grμppe am rechten Rand der Kirche sein?

Wenn ja, dann hat Laun den Beweis geliefert, daß sich die Probleme der katholischen Fundamentalisten nicht auf Sexualität, Ge-

burtenregelung, Unfehlbarkeit und Priesterweihe für Frauen, oder gar auf Ministrantinnen und Handkommunion reduzieren lassen. Es besteht eine Verbindung zu jenen Geschäftemachern, die an einem der grausamsten Kriege profitieren, der je geführt worden ist. Das Bedürfnis dieser Clique nach moralischen Reinwaschungen· macht vor der Kirche nicht halt; erschütternd ist lediglich, daß es in einem Milieu Gehör findet, dessen Macht in der gegenwärtigen Kirche stark ste!gt.

Für die meisten Theologen; die die pastorale Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils (Gaudium et spes), die scharfen Worte von Papst Johannes XXIII., Paul VI. und vor allem Johannes Paul II. gegen Waffengeschäfte oder die den Sozialhirtenbrief der österreichischen Bischöfe kennen, dürfte klar sein, daß Laun den von ihm beschworenen kirchlichen Autoritäten widerspricht. Muß man sich aber nicht auch umgeltehrt fragen, was die kirchenamtliche Sprache überhaupt noch wert ist, wenn eine menschenverachtende Position, die nicht einmal vor der Niedermetzelung einer Million von Menschen ein moralisches Nein sagen kann, sich auf den Sozialhirtenbrief berufen kann? ·

Laun beherrscht die scheinbar juristische Sprache des kirchlichen . Amtsdeutsch selbst: Sein Gutachten liest sich wie ein sorgsam abwägender Text, der jedes Für und Wider prüfend von mehreren Sei-· ten ansieht. Hinter dem Schein von Genauigkeit werden die großen Verbrechen als unbewiesene Vermutungen abgetan, über deren Richtigkeit der Theologe nicht befinden kann. Wörtlich schreibt Laun: „Ob der Iran.einerseits der Angegriffene war, andererseits a her mit moralischer Sicherheit die Waffensysteme nur in verantwortungsvoller Weise einzusetzen gewillt war, kann der Moraltheologe als solcher nicht beurteilen. Dieses Urteil können viele andere Leute - sicher auch Noricum-Manager - in viel kompetenterer Weise fällen als der Ethiker oder Theologe."

Hinter der scheinbaren Bescheidenheit des Theologen, der sich als unzuständig erklärt („Dafür sind Fachleute da ! "), steht eine gefühlskalte Positionslosigkeit: Braucht die Menschheit überhaupt noch Ethiker und Theologen, wenn diese Massenmord, Waffeneinsatz geg????n Zivilpersonen und die Ausrottung ganzer Dörfer, wie sie im Iran geschehen sind, zu Bestandteilen eines „gerechten Krieges" erklären? Eine Kirche, die in unserem Zeitalter nicht begreift, daß der Krieg ge-

ächtet werden muß und daß das Geschäft mit dein Krieg ein Verbrechen gegen Gott und die Menschen ist, hat ihr????n Anspruch verspielt. für die Menschen und für das Leben da zu sein. Alle moralischen Appelle und Reden von Bischöfen und Päpsten sind wertlos, wenn sie - sich nicht zu einer Parteinahme für die Opfer dieses Verbrechens durchringen können. Wenn die österreichischen Bischöfe ihren Sozialhirtenbrief so verstehen, daß Launs Argumentation darin keinen Platz hat, müssen sie den Mut zu einer klaren Distanzierung finden.

Laun argumentiert spitzfindig: Wenn es einen moralisch gerechten Verteidiguugskrieg gibt, da,np muß , auch Waffenproduktion erlaubt . sein, wenn dies, so auch der Handel mit Waffen. Wenn der Iran Krieg gegen den Irak führt, muß der österreichische Waffenproduzent beurteilen, wie defensiv, gerecht und anständig es dabei zugeht ... Solche Worte, nicht 19 80 , sondern 1990 geschrieben, zeigen d.ie Sinnlosigkeit des „gerechten Krieges" eindrucksvoll auf. Das kirchliche Lehramt hat das Wort vom gerechten · Krieg schon auf dem Konzil nicht mehr gebraucht, allerdings auch nicht als Irrtum eingestanden.

Die Kirche muß aus der Geschichte lernen. Im Ersten Weltkrieg beteten deutsche und österreichische Bischöfe öffentlich für einen Sieg der Achsenmächte, segneten Fahnen und Waffen und riefen die Gläubigen zur Unterzeichnung der Kt????egsanleihen auf, während englische katholische Bischöfe dasselbe für die andere Front taten. Noch 1935 segneten italienische Bischöfe Mussolinis Truppen für den grausamen Einsatz in Äthiopien; der deutsche Wehrmachtsbischof Rarkowski, der gedruckte Gebete für den „Führer" und den „Endsieg" an die Soldaten verteilen ließ, wurde. innerhalb des deutschen Episkopats wenigstens isoliert, jedoch nie von seinem Amt enthoben! · Die Kirche stand zu ilfrer Lehre vom „gerechten Krieg", und es war für jeden „Führer" oder General leicht„ seinen Krieg als gerechten hinzustellen. Franz Jägerstätter mvßte sich von Bischof Fließer sagen lasS'en, daß ein einfacher Mensch auch 19 43 noch nicht beurteilen könne, ob es sich bei Hitlers Krieg um einen ungerechten handle„.

Christen, auch Theologen und Ethiker, müssen in der Frage von Krieg und Mord zu einer eindeutigen Sprache gelangen. Die totale Zerstörung von Mensch und Natur, die den Menschen heute möglich ist, erfordert einen Fortschritt im moralischen Denken und Handeln. Theologie, die sich dem verweigert, ist unchristlich.

Der Autor ist Laientheologe und Spitzenkandidat der Grün-Alternativen bei der Nationalratswahl 1 990

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