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Geschätztes Investorenland

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Die österreichische Wirt -Schaftspolitik hat gegenüber dem Auslandskapital eine sehr schwankende, immer wieder wechselnde Haltung eingenommen.

Österreich ist traditionell Gastland multinationaler Konzerne. Namen wie Siemens, Henkel, Uni-lever, Nestle\ Suchard, Generali Versicherungen, dm, Löwa und viele andere sind jedem Österreicher von Kind auf bekannt und vertraut. In letzter Zeit auch Namen wie General Motors und BMW. Nicht allen ist damit schon bewußt, daß

alle diese Firmen in Österreich produzieren beziehungsweise Dienstleistungen erstellen. Fast ein Fünftel aller österreichischen Arbeitnehmer arbeiten in ausländisch beeinflußten Betrieben, fast 40 Prozent allein in der Industrie. Viele Arbeitnehmer haben in den sechziger und siebziger Jahren schlechte Erfahrungen mit Multis - vor allem im Textil- und Bekleidungsbereich -gemacht, als diese ihre in den sechziger Jahren hier wegen des damals niedrigen Lohnniveaus errichteten verlängerten Werkbänke zehn Jahre später, als die Löhne in Österreich „Europaniveau“ erreichten, in den Fernen Osten oder andere Niedriglohnländer verlagerten und sie ihre Arbeitsplätze verloren.

Mittlerweile hat sich das Bild der Auslandsinvestitionen gewandelt, ebenso die Einstellung der österreichischen Wirtschaftspolitik dazu. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, als die weltweite Rezession auch auf Österreich übergriff und

Arbeitsplätze knapp wurden, begann man, Multis zu umwerben, damit sie sich in Österreich niederlassen und Arbeitsplätze schaffen. Allerdings war auch die Struktur der Auslandsinvestitionen anspruchsvoller als die verlängerten Werkbänke der sechziger Jahre, was aber in unmittelbarem Zusammenhang nicht nur mit der Förderung, sondern auch mit der Verbesserung der Standortqualität Österreichs steht. Die Ansiedlung von General Motors in Wien und BMW in Steyr wurde massiv mit öffentlichen Mitteln gefördert und war zumindest in der Anfangsphase recht umstritten.

Mittlerweile zeigen Evaluierungsstudien über die bisherige Ansied-lungspolitik Österreichs, daß die volkswirtschaftliche Bilanz durchaus positiv ist und die Entwicklung der Beschäftigung in Niederlassungen ausländischer Konzerne sogar dynamischer war als in inländischen Unternehmen (siehe FURCHE 39/ 1988, Anm. d. Red.).

Die Verhandlungen über die An-

siedlung einer elektronischen Chip-Fabrik des japanischen OKI-Konzerns zeugen von dem in den achtziger Jahren gestiegenen (nationalen) Selbstbewußtsein der österreichischen Industriepolitik: Die Regierung, die nach dem Ausfall der VOEST Alpine allein die Verhandlungen mit OKI weiterführte, stellte - letztlich für OKI unannehmbare - Forderungen bezüglich der Verpflichtung, maßgebliche For-schungs- und Entwicklungstätigkeit in Österreich und eine intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den österreichischen Wissenschaftlern an den Hochschulen zu entfalten.

Der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen schließlich verabschiedete 1987 eine Studie über Kriterien für die Förderung industrieller Großprojekte, in der er der Bundesregierung empfahl, in Zukunft auf die „Standorf'-förderung mehr Gewicht als auf die „Projekt“-för-derung zu legen und jeder großen Projektförderung eine gesamtwirt-

schaftliche Kosten-Nutzen-Evaluierung vorausgehen zu lassen.

In den letzten ein bis zwei Jahren hat die Frage der „aktiven Interna-tionalisierung“ der österreichischen Wirtschaft (Österreich als Investorland im Ausland) - als Antwort auf die „passive“ Internationalisierung (Österreich als Gastland) wirtschaftspolitisches Interesse erregt. Der geringe aktive Internationali-sierungsgrad der österreichischen Industrieunternehmen wurde zunehmend als Wettbewerbsschwäche erkannt, zumal die übrige Welt wie wild internationalisierte und sich die Märkte aufteilte. In den letzten Jahren haben österreichische Unternehmen begonnen, diesen Entwicklungsrückstand aufzuholen und die österreichischen Direktinvestitionen im Ausland begannen zu steigen.

Österreichische Industrieunternehmen beschäftigten 1988 etwa 40.000 Beschäftigte im Ausland, was einem Anteil an den österreichischen Industriebeschäftigten von 7,5 Prozent entspricht. Dies ist verglichen mit der Schweiz, Holland oder Finnland ein winzig kleiner Anteil (die Schweizer Industrieunternehmen beschäftigen mehr Arbeitnehmer im Ausland als im Inland, die Finnen immerhin 22 Prozent aller Industriebeschäftigten).

Das Hauptproblem Österreichs besteht meines Erachtens nicht so sehr darin, daß es Gastland von Multis ist, sondern daß es selbst keine Multis hat. Das heißt, das Ungleichgewicht zwischen Auslandsinvestitionen in Österreich und österreichischen Investitionen im Ausland ist zu groß. Stellt man diesen die rund 200.000 Industriebeschäftigten, die in ausländisch beeinflußten

Unternehmen in Österreich arbeiten (1985), was rund 37 Prozent der Industriebeschäftigten entspricht, gegenüber, so wird der Aufholbedarf, den Österreich bei der aktiven Internationalisierung hat, klar.

Angesichts der derzeit weltweit stattfindenden Konzernver- und -entflechtungen und internationalen wechselseitigen Durchdringung der Volkswirtschaften mit Auslandskapital ist es für ein kleines Land wie Österreich besonders wichtig, darauf zu achten, daß es keine Kolonie ausländischer Konzerne wird.

In den letzten Jahren haben vermehrt Eigentumsübertragungen österreichischer Unternehmen an Ausländer stattgefunden. Mehr als die Hälfte aller Übernahmen, die in den letzten zehn Jahren in Österreich stattgefunden haben, wurden von Ausländern getätigt (davon 60 Prozent aus der Bundesrepublik), nur in 40 Prozent aller Fälle wechselten Unternehmen den inländischen Eigentümer. In einigen wenigen Fällen (zehn Prozent) fand auch ein Rücktransf er aus ausländischen in österreichischen Besitz statt.

Die Auswirkungen der derzeit weltweit stattfindenden Fusionsund Übernahmewelle auf Österreich sind nur dann alarmierend, wenn sie eine Einbahnstraße ist und der Auslandskapitalanteil in Österreich weiter steigt, ohne daß es eine österreichische Gegenbewegung dazu gibt. Es geht ja nicht darum, Österreich vom Ausland abzuschotten, sondern darum, daß auch österreichische Unternehmen bei dem internationalen Kapital verflechtungs-spiel eine aktive Rolle spielen!

Die Autorin ist Leiterin des Industrie- und technologiepolitischen Referates der Arbeiterkammer in Wien.

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