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Geschlechtsloses Abseits

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Mit Humor darf man alles sagen; er ist ja keine Behauptung. Findig findet er den Emst zum Lachen, und das tut wohl. „Schriftstellerin? - Um Gottes-wilen!" von Ilse Tieisch enthält lustige und unlustige Erfahrungen „Vom Schreiben und vom Vorlesen", sonnt sich fröhlich in den Schattenseiten, die auch dieser Beruf hat. „Als Schriftsteller lebt man gewissermaßen im Abseits", doch galt das für Karl Kraus mehr als für Ilse Tieisch.

Im Ersten Weltkrieg erregte das Auftauchen der Wiener Tram-way-Schaffnerin-nen größeres Aufsehen als das Buch einer Frau, etwa der Bestseller von Else Jerusalem. Gewiß, die Sappho und die Bachmann lebten im Abseits, von Frau Nöstlinger würde ich das nicht meinen. Also: alles falsch? Durchaus nicht: Humor kann gar nicht

falsch sein, wenn er gut ist.

Dichterlesungen sind jetzt große Mode, auch in Schulen. Zu meiner Gymnasialzeit (vor 70 Jahren) lasen bei einer „Akademie" nur die Deutschlehrer der eigenen Anstalt (Franz Spunda und andere) aus ihren Werken, und nachdem W.M.N. (er lebt noch, uralt) sein Gedicht „Eine Ruine scheint mir die Welt" deklamiert hatte, wurde es in den Kla-sen zum geflügelten Wort: nach jedem Nichtgenügend. Problem Dichterlesungen: Schreibenkönnen manche (nicht alle), aber gut lesen nur sehr wenige. Ob Ilse Tieisch hörenswert wäre, weiß ich nicht; lesenswert ist sie.

SCHRIFTSTELLERIN? - UM GOTTES WILLEN! Von Ilse Tieisch. Styria Verlag, GrazAVien/Köln 1993. 172 Seiten, öS 198,-.

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