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Weil ihnen die Listenbezeichnung GRÜNE vorenthalten wurde, werden die Grün-Alternativen die steirische Landtagswahl vom 22. September anfechten. Das scheint nicht ganz chancenlos zu sein. Das Wahlergebnis - ein politischer Paukenschlag auf Widerruf?

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Weil ihnen die Listenbezeichnung GRÜNE vorenthalten wurde, werden die Grün-Alternativen die steirische Landtagswahl vom 22. September anfechten. Das scheint nicht ganz chancenlos zu sein. Das Wahlergebnis - ein politischer Paukenschlag auf Widerruf?

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Nur auf den ersten Blick scheint die Grazer Polit-Welt am vergangenen Sonntag aus allen Fugen geraten zu sein. Demgegenüber fügt sie sich bei näherer Betrachtung genau in das Puzzle der politischen Landschaft Österreichs ein, wie sie sich seit den Parlamentswahlen vom 7. Oktober 1990 darstellt.

Daß Regionalwahlen nicht nur an den vorangegangenen Landtagswahlen, sondern auch am Nationalratswahlergebnis des Vorjahres zu messen sind, hat sich bereits bei der Burgenland-Wahl am 23. Juni gezeigt (FURCHE 26/1991).

Bei den Landtagswahlen 1986 haben Josef Krainer und die ÖVP durch die Protesthaltung gegen die rotblaue Bundeskoalition noch ein „Traumergebnis" erzielt, das so nicht wiederholbar war. Dagegen mußten SPÖ und FPÖ die schlechtesten Wahlergebnisse seit 1945 einstecken, die Freiheitlichen schafften überhaupt nur mit 90 Stimmen Überhang den Einzug in den Landtag. Mit noch mehr Glück - und 39 Stimmen plus - erreichte das auch die damalige Listengemeinschaft der Grünen (GAL-VGÖ)..

Die ÖVP hatte vor fünf Jahren mit 51,7 Prozent Stimmenanteil die absolute Mehrheit geschafft, bei den Nationalratswahlen 1990 mußte sie sich mit 33,18 Prozent begnügen. Differenz: 18,5 Prozent.

Natürlich gilt auch weiterhin, daß die Wählerinnen) bei Bundes-, Landes- und Gemeinderatswahlen differenzieren. Was wiegt da der „Landeshauptmann-Bonus"?

Meinungsforscher haben ihn extrem hoch veranschlagt. „Profil" präsentierte noch in der Vorwahl woche eine OGM-Umfrage, bei der die Krainer-ÖVP mit 50,5 Prozent (SPÖ 36, FP.Ö 8,5 und Grüne 4 Prozent) vorne lag.

Die FURCHE-Rechnung vom Juni war demgegenüber simpel: Welchen Maximalabstand kann ein Landeshauptmann bei einer Landtagswahl im Vergleich zur zeitlich nächsten Bundeswahl herausholen? Krainer übertraf im September 1986 bei der

Regional wahl das Bundeswahlergebnis vom November des Jahres im Land um 10,75 Prozent Stimmenanteil. Kurzum: 33,18 Prozent ÖVP-Stim-menanteil bei der Nationalratswahl 1990 plus 10,75 Prozent „Bonus" macht rund 44 Prozent. □ Die ÖVP erreichte am Sonntag 44,2 Prozent Stimmenanteil, Josef

Krainer verlor mit 7,5 Prozentpunkten die absolute Mehrheit, vier Mandate (26 statt 30) und einen Sitz -damit auch die Mehrheit - in der Landesregierung. Obwohl sie gegenüber der Nationalratswahl ihre Wählerschaft um ein Drittel ausgebaut hat. □ Die SPÖ hat zwar diesmal „nur" um 2,6 Prozentpunkte gegenüber 1986 auf 35 Prozent Stimmenanteil abgebaut (21 statt 22 Mandate), im letzten Jahrzehnt damit aber bereits ein Fünftel ihrer Wählerschaft verloren, um ein Fünftel aber ebenso die Vranz-Wähler des Jahres 1990 verfehlt. Zum SPÖ: Wahlziel, die absolute Mehrheit der ÖVP im Land zu brechen, haben die steirischen Sozialdemokraten unter Peter Schachner-Blazizek damit keinen eigenen Beitrag geleistet. □ Die FPÖ, 1986 haarscharf daran, aus dem Landtag zu fliegen, hat ihren Stimmenanteil von 4,6 auf 15,4 Prozent verdreifacht, ihren Mandatsstand von zwei auf neun erhöht und einen Sitz in der Landesregierung auf ÖVP-Kosten erobert. Vom Wählerpotential der Haider-Wähler des Jahres 1990 konnte Michael Schmid elf Zwölftel diesmal

Imobilisieren, ein Zwölftel wollte die „Schicksalsfrage" nach Jörgs Sein oder Nichtsein in der Politik nicht mehr zustimmend beantworten. □ Die Grünen, 1986 gerade noch mit einem Stimmenanteil 3,7 Prozent in den Landtag hineingerutscht, hätten gemeinsam mit 4,5 Prozent den Einzug geschafft, durch die Aufspaltung (GAL mit 2,8, die umstrittene Listenbezeichnung G.R.Ü.N.E./ Kotier mit 1,7 Prozent) haben sich die Vertretungsträume zerschlagen. Dabei wäre es ihnen gemeinsam sogar gelungen, um ein Sechstel, über das grüne Wählerpotential der letzten Nationalratswahlen hinauszugrasen.

Die Hoffnungen der Koalitionsparteien in Wien, daß mit dem Sturz Jörg Haiders das freiheitliche Wählerpotential geschrumpft sein könnte, haben sich am Wahlabend zerschlagen. Die FPÖ hat im Land sogar jenes Ergebnis überboten, das der Wahlverband der Unabhängigen 1953 erreicht hat: 13,6 Prozent Stimmenanteil. Damals mußte Josef Krainer senior auch die Konsequenzen tragen: Die ÖVP rangierte mit 40,7 Prozent sogar noch hinter den Sozialisten, die mit 41,1 Prozent sogar die relative Stimmenmehrheit verbuchen konnte.

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