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Gesetz gegen Mißtrauen ?

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Was ist verantwortlich für eine Entwicklung vom Staunen über die erste elektrische Straßenbeleuchtung über die Bewunderung für die Helden von Kaprun in die heutige Zeit, die in vielen Bereichen Ja sagt zum Produkt, aber Nein zur Produktion?

Um Einseitigkeit vorzubeugen, sei vorweg festgestellt, daß derzeit sehr wohl Kraftwerksprojekte in Österreich realisiert werden, und zwar bei überwiegend positiver Einstellung der wirklich davon betroffenen Bevölkerung. Doch bestehen vor allem gegen

Wasserkraftwerke in potentiellen Naturschutzgebieten große Widerstände.

Früher ging der wasserrechtlichen Bewilligung größerer Kraftwerke regelmäßig ein Bevorzugungsverfahren nach dem Wasserrechtsgesetz voran. Dabei hat der Landwirtschaftsminister festzustellen, ob die beschleunigte Verwirklichung eines Vorhabens im Interesse der Volkswirtschaft liegt, Einsprüche von Parteien daher dem Grunde nach unzulässig sind und auf das Entschädigungsverfahren verwiesen werden. Dabei hat niemand außer den Antragstellern Parteistellung.

Nun hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem im Vorjahr ergangenen Erkenntnis zum Projekt Dorfertal-Matrei erkannt, daß die beschleunigte Verwirklichung — und damit Verfahrensvereinfachungen - nicht im Interesse der österreichischen Volkswirtschaft liegen. Es ist unzulässig, daraus den Schluß zu ziehen, das Kraftwerk sei nicht notwendig, weil Spitzenstrom derzeit nicht gebraucht wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch signalisiert, daß die für die beschleunigte Verwirklichung vom Gesetzgeber vorgesehenen Verfahrensbegünstigungen nicht gewährt werden können. Damit gehört ein jahrzehntelang bewährtes Genehmigungsmuster der Vergangenheit an.

Das geltende Wasserrecht sieht - was bei Kraftwerksgegnern nicht hinreichend bekannt sein dürfte — sehr wohl die Parteistellung Dritter vor. Am Beispiel der zügigen Inangriffnahme des Kraftwerkes Strassen-Amlach der Tiroler Wasserkraftwerke AG (TIWAG) ist zu ersehen, daß auch das bestehende gesetzliche Instrumentarium, unterstützt von begleitender Information und Öffentlichkeitsarbeit, für eine soziale Akzeptanz ausreicht. Wie bei früheren TIWAG-Projekten wurde auch hier der Weg beschritten, ein Projekt gründlich zu erarbeiten, immer größer werdenden Kreisen der betroffenen Öffentlichkeit vorzustellen und aufgrund bestehender Gesetze mit den Vorstellungen der Sachverständigen, Behörden und Anrainer in Einklang zu bringen.

Die Ereignisse von Hainburg haben jedoch zu einer Flut von Gesetzesnovellen geführt, die derzeit im Begutachtungsstadium und teilweise schon in parlamentarischer Behandlung stehen. Danach sollen die Verwaltungsverfahren demokratisiert und Umweltverträglichkeitsprüfungen zwingend vorgeschrieben werden. Die zur Begutachtung ausgesandten Entwürfe sind nicht aufeinander abgestimmt. Sollten sie unverändert in Kraft treten, wären bei Wasserkraftwerken drei bis vier Umweltverträglichkeits-. Prüfungen unter jeweiliger Bürgerbeteiligung abzuführen. Die Entwürfe sollen eine Demokratisierung von Verwaltungsverfah-, ren bringen, die von anerkannten Rechtslehrern für bedenklich gehalten wird, weil sie am Prinzip Gewaltenteilung rüttelt. Grundsatzauseinandersetzungen über die Energiepolitik sollten nicht bei jedem Einzelprojekt von vorne begonnen werden, sondern in die Grundsatzdiskussion über die Energiepolitik einer Demokratie einfließen. Es darf bezweifelt werden, daß das vorliegende Instrumentarium dazu geeignet ist.

Es muß festgehalten werden, daß sich viel Unmut gegen die mangelhafte Vollziehung richtet, wagen ihre Organwalter doch unter politischem Druck häufig nicht, bestehende Gesetze zu vollziehen. Per Gesetz wird man dieses Mißtrauen jedoch nicht abbauen helfen, noch weniger, wenn man den Wechsel von der repräsentativen Verwaltung zur demokratisierten vornehmen will. Geplant ist die Parteistellung für mehr als fünf Prozent der Wahlberechtigten des Bezirkes, innerhalb dessen Grenzen ein Vorhaben realisiert werden soll, sowie aller Umweltvereine in Österreich.

Mißtrauen ist abzubauen -durch klare und ehrliche Motivenberichte über das, was man vorhat. Lauterkeit sollte man dabei beiden Seiten guten Gewissens attestieren können.

Wir stehen vor großen Aufgaben. Bei 4000 Lastern täglich über den Brenner stellt sich nicht nur die Frage, wie sinnvoll und umweltverträglich solche Verkehrspolitik ist. Es wird auch die Frage der Unterführung Tirols durch einen Tunnel immer brisanter. Investitionen in Österreich für Europa, für unsere Umwelt. Schwer vorstellbar, daß wir diese großen Aufgaben ohne elektrische Energie werden bewältigen können.

Der Autor ist Abteilungsleiter im Vorstand«-sekretariat der Tiroler Wasserkraftwerke AG.

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