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Gesetzgeber ist am Wort

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Die Erwägungen zum geltenden Recht in Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung beim Menschen führen — sehen wir von einigen Fragen der heterologen künstlichen Insemination ab und klammern wir die Frage nach Standesethos und Standesrecht des Arztes einmal aus—nicht weit.

Brauchbare Ergebnisse des positiven Rechts sind im österreichischen wie im deutschen Recht meist „unbeabsichtigt und rein zufällig“. Kaum, daß sich einige weit abstrahierte Grundprinzipien des Familien-, Personen- und Obligationenrechts, um die offensichtlichen Lücken zu füllen, verwerten lassen.

Wo gar die Grenzbastionen des Verfassungsrechts wie „Recht auf Leben“, „Schutz von Ehe und Familie“, „Datenschutz“ oder „Schutz der Menschenwürde“ liegen, ist zwar den einzelnen Diskussionsteilnehmern klar; insgesamt aber fehlt mit dem Konsens die erforderliche Rechtssicherheit. Der Gesetzgeber ist am Wort.

Wie soll nach allem eine künftige Ordnung der Reproduktionstechnik beim Menschen aussehen?

1. Die Methoden (künstliche Insemination und In-vitro-Fertili-sation mit Embryotransfer) sollten medizinisch gesehen jedenfalls ultima ratio sein.

2. Die In-vitro-Fertilisation (IVF) sollte nur unter Personen angewandt werden, die in bestehender Ehe miteinander leben. Wer beständige Partnerschaften miteinbeziehen will, muß die Anamnese über die Beständigkeit vom helfenden Arzt auf eine andere Instanz übertragen.

3. Die heterologe künstliche Insemination in vivo oder in vitro sollte nicht als ärztliche Heilbehandlung zugelassen werden. Wer sie dennoch zulassen will, wird jedenfalls die Grenze ziehen müssen, daß konkret eine andere Instanz als der Arzt über deren Zu-lässigkeit entscheidet, 'und daß der Arzt keinen Einfluß auf die Auswahl des Spenders — medizinische Gründe ausgenommen -nimmt. Der Konsens des Ehemannes der Mutter zur heterologen Insemination sollte dann auch förmlich erfolgen und die Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes ausschließen.

4. Die IVF sollte im zugelassenen Verfahren so begrenzt werden, daß das Risiko, Embryonen, die nicht implantiert werden können, übrig zu behalten, auf medizinisch planwidrige und damit schicksalhafte Fälle beschränkt wird.

5. Jede Einbeziehung von Eispenderinnen, Embryospenderinnen und von Ammenmüttern bei der IVF und die künstliche Insemination von Surrogatmüttern („Leihmüttern“) sollte verboten werden.

6. Folgerichtig sollten alle Verträge — entgeltliche wie unentgeltliche —, die im Zusammenhang mit Eispendung, Embryospendung, Ammenmutterschaft, Surrogatmutterschaft und unerlaubter heterologer Insemination geschlossen werden, seien es Verträge unter den eventuellen „Eltern“, seien es Verträge im Verhältnis zum Arzt, Vermittler oder Berater, nichtig sein.

7. Jede Kryokonservierung („Tiefgefrieren“) von Embryonen sollte untersagt werden, auch für den Fall, daß Embryonen medizinisch planwidrig übrig bleiben.

8. Künstliche Insemination ohne fortbestehenden Konsens des Ehemannes sollte bei der IVF nach der Fertilisierung (vor der Implantation) nicht wirksam widerrufen werden können.

9. Allein der medizinisch indizierte Heileingriff am für die Implantation bestimmten Embryo sollte zugelassen sein. Die Zeugung von Embryonen und die Verwendung planwidrig übrig gebliebener Embryonen zu Versuchen sollten schlechthin verboten werden.

10. Eine umfassende Dokumentation über die beteiligten Personen und das Verfahren soll Hilfe zur Kontrolle der Beschränkungen sein, bei der eventuell zugelassenen heterologen Insemination auf jeden Fall erlauben, den genetischen Vater festzustellen.

Die Rechtsordnung wird gleichzeitig jedoch Sorge tragen müssen, den Erscheinungen gerecht zu werden, die sich bei Verstößen gegen die oben genannte Ordnung ergeben.

In allen Fällen der tatsächlichen Aufspaltung genetischer und physiologischer Mutterschaft sollte der rechtliche Status der Mutter beiden beteiligten Frauen zuerkannt werden.

Die Zuordnung des Sorgerechts sollte nur an eine der Mütter erfolgen. Sie hätte sich ausschließlich am Kindeswohl, nicht an vertraglichen Vereinbarungen, an Wunschvorstellungen der beteiligten Personen oder an Aufwand oder Entgelt zu orientieren.

Jede Sorgerechtszuordnung müßte - in den Grenzen der Adoption - endgültig und ausschließlich sein, würde damit auch über die Vaterschaft und über Unterhalts-, Erbrechts- und andere Folgefragen entscheiden.

Bei verbotener heterologer Insemination sollte dem Scheinvater die Vaterschaftsklage ohne Rücksicht auf seine Zustimmung offen bleiben.

In den Fällen verbotener Kryokonservierung mit Ausdehnung der nasciturus-Zeiten sollte die Ehelichkeit nur in den Grenzen der 302-Tage-Frist anerkannt werden. Die natürliche Verwandtschaft sollte zwar unbegrenzt beachtet, ihre erb- und unterhaltsrechtlichen Folgen sollten aber zeitlich begrenzt werden.

Der Autor ist Professor für Römisches Recht und Rechtsgeschichte an der Universität Wien. Demnächst erscheint seine umfassende Darstellung und Bewertung der rechtlichen Probleme und Argumente in Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung beim Menschen unter dem Buchtitel „Rechtsordnung und künstliche Reproduktion beim Menschen“ im Verlag J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen.

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